RegE zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichten

I. Einleitung

Der Gesetzentwurf[1] dient der weiteren Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten (Verwaltungs-, Finanz-, Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit). Neben einer Neufassung des § 128a ZPO als zentraler Norm für mündliche Verhandlungen per Bild- und Tonübertragung sieht der Entwurf u.a. (Neu-)Regelungen zu Beweisaufnahmen per Bild- und Tonübertragung, zur Abgabe von Anträgen und Erklärungen zu Protokoll der Geschäftsstelle per Bild- und Tonübertragung, die Erweiterung der Regelungen zur vorläufigen Protokollaufzeichnung, die Schaffung einer virtuellen Rechtsantragstelle, die Möglichkeit der Vermögensauskunft per Bild- und Tonübertragung sowie Anpassungen der Regelungen der Fachgerichtsbarkeiten vor. Auch sollen vollvirtuelle Videoverhandlungen (in der Zivilgerichtsbarkeit) erprobt werden.

Die erstrebte zukunftsorientierte Ausgestaltung der Verfahrensabläufe, die der fortschreitenden Digitalisierung Rechnung trägt, wird vom VID begrüßt.

Die Besonderheiten des Insolvenzverfahrens finden im Entwurf jedoch leider keine Berücksichtigung, was in der Praxis zu erheblichen Problemen führen wird. Die kritischen Anmerkungen, die bereits zum Referentenentwurf[2] erfolgt sind, wurden bedauerlicherweise nicht aufgenommen und werden deshalb erneut[3] vorgebracht.

 

II. Sonderfall Insolvenzverfahren

Bei einem Insolvenzverfahren handelt es sich – anders als im Zivilprozess – um ein nicht-öffentliches Verfahren, bei dem sich regelmäßig nicht zwei Parteien, sondern häufig eine Vielzahl von Verfahrensbeteiligten gegenüberstehen. Ferner hat das Insolvenzgericht von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind (§ 5 Abs. 1 Satz 1 InsO).

Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit die Insolvenzordnung nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der ZPO entsprechend (§ 4 Satz 1 InsO). „Bei der entsprechenden Anwendung der ZPO-Vorschriften sind stets die Besonderheiten des Insolvenzverfahrens ggü. dem streitigen Parteiverfahren zu beachten (…).“[4]

Wie bereits in unserer Stellungnahme zum Referentenentwurf aufgezeigt, wurde in der vergangenen Legislaturperiode mit dem Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) – zumindest – die bis dato[5] umstrittene Frage der Zulässigkeit einer Teilnahme an Gläubigerversammlungen über Fernkommunikationsmittel geklärt und den Insolvenzgerichten die Möglichkeit eröffnet, auch in Gläubigerversammlungen und Erörterungs- und Abstimmungsterminen dem Schuldner, den Gläubigern und sonstigen Teilnahmeberechtigten die Teilnahme ohne physische Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der Bild- und Tonübertragung zu gestatten[6].

Durch die Neuregelung (§ 4 Satz 2 InsO) sollten sich weder für die Insolvenzgerichte noch für die Teilnahmeberechtigten neue Verpflichtungen, sondern lediglich zusätzliche freiwillige Optionen ergeben. So steht es im Ermessen des Gerichts im Einzelfall, ob es die Möglichkeit der virtuellen Teilnahme (überhaupt) zulässt.[7]

Bei der Ausübung des Ermessens wird, so die Gesetzesbegründung weiter, insbesondere zu berücksichtigen sein,

  • ob dem Insolvenzgericht eine technische Ausstattung zur Verfügung steht, welche hinreichend zuverlässig arbeitet, Datenschutz- und Datensicherheitsbelangen Rechnung trägt,
  • die effektive Leitung der Versammlung zulässt,
  • die zuverlässige Prüfung der Identität und Teilnahmeberechtigung sowie
  • der Stimmrechte vor jeder einzelnen Abstimmung sicherstellt und
  • allen Teilnehmern eine effektive Ausübung ihrer Rechte einschließlich der Einsichtnahme in Unterlagen und Kommunikation mit dem Gericht und allen anderen Teilnehmern ermöglicht.“[8]

Wenn das Insolvenzgericht die Möglichkeit der virtuellen Teilnahme im Einzelfall dem Grunde nach eröffnet, steht es auch in seinem Ermessen, ob es diese Möglichkeit allen Teilnahmeberechtigten eröffnet oder auf einen sachgerecht abgegrenzten Teil von ihnen beschränkt. Alle Teilnahmeberechtigten haben weiterhin das Recht, persönlich im Versammlungssaal teilzunehmen, selbst wenn das Insolvenzgericht ihnen die virtuelle Teilnahme gestattet hat.[9]

§ 128a ZPO gilt gemäß § 4 Satz 2 InsO mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.

 

III. Im Einzelnen

1. § 128a ZPO-E (Videoverhandlung)

Im aktuellen Gesetzentwurf wird das Insolvenzverfahren an keiner Stelle erwähnt. Sonderregelungen betreffen lediglich die Verwaltungs-, Finanz-, Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit.

Auch ist keine Anpassung des § 4 InsO vorgesehen, so dass die geplante Neuregelung des § 128a ZPO-E im Insolvenzverfahren Anwendung fände. Dass die geplante Regelung erkennbar nicht auf das Insolvenzverfahren zugeschnitten ist, soll nachfolgend anhand einiger Beispiele dargestellt werden.

 

a) Absatz 1 (mündliche Verhandlung als Videoverhandlung) 

aa) Verfahrensbeteiligte

Gemäß § 128a Abs. 1 Satz 1 ZPO-E kann die mündliche Verhandlung als Videoverhandlung stattfinden. In Satz 2 wird die Definition der Videoverhandlung formuliert, während Satz 3 die Verfahrensbeteiligten definiert. Diese sind „die Parteien und Nebenintervenienten, ihre Bevollmächtigten sowie Vertreter und Beistände“. Die Begrifflichkeiten können erkennbar nicht deckungsgleich auf das Insolvenzverfahren übertragen werden, da die Insolvenzordnung den Begriff der Parteien nicht kennt, sondern den Begriff der Beteiligten verwendet.

Die Insolvenzordnung enthält dabei keine Legaldefinition des Begriffes, sondern stellt auf eine normbezogene Auslegung des Begriffes ab[10]. Daraus ergeben sich eine Vielzahl von Folgefragen, bspw. auch dahingehend, ob der Insolvenzverwalter unter die Begrifflichkeit fällt, bzw. wer entsprechende Anträge stellen darf. [11]

Zu Recht führen Blankenburg/Bogumil zur Problematik aus:

Als Partei im eigentlichen Sinne könnte nur der antragstellende Gläubiger anzusehen sein. Es wäre aber nicht verständlich, wenn diesem in der Gläubigerversammlung Sonderrechte zukämen. Da § 4 InsO nur eine entsprechende Anwendung der Normen vorsieht, müsste der Begriff im Sinne der Beteiligten verstanden werden. Im Rahmen der Gläubigerversammlung müssten dies dann die Gläubiger sein, die anwesenheitsberechtigt sind. Dies sind sämtliche Gläubiger, die eine Forderung angemeldet haben. Da die durch das Gericht bestimmte Frist zur Forderungsanmeldung keine Ausschlussfrist ist und eine Forderungsanmeldung gem. § 177 InsO auch nach Ablauf der Anmeldefrist, sogar im Prüfungstermin oder danach erfolgen kann, kann sich der Kreis der Verfahrensbeteiligten (…) jederzeit und für das Gericht nicht planbar erweitern. Sämtliche Antragsrechte der Verfahrensbeteiligten einschließlich der in Betracht kommenden Rechtsmittel bedürfen daher für das Insolvenzverfahren einer besonderen Beachtung.“[12]

 

bb) Hybridformate

Die Anordnung der Durchführung der mündlichen Verhandlung als Videoverhandlung wird ausweislich der Entwurfsbegründung im Regelfall gegenüber allen Verfahrensbeteiligten ergehen, kann aber bei Vorliegen sachlicher Gründe auch auf einzelne oder mehrere Verfahrensbeteiligte beschränkt werden und findet dann im Hybridformat statt.[13]

„Jeder Verfahrensbeteiligte und das Gericht müssen die Möglichkeit haben, alle anderen Verfahrensbeteiligten und die Mitglieder des Gerichts zu jedem Zeitpunkt der Verhandlung sowohl visuell als auch akustisch wahrzunehmen.“[14] Dies setzt ausweislich der Entwurfsbegründung jedoch nicht voraus, dass alle Verfahrensbeteiligten und das Gericht ständig gleichzeitig auf einem Bildschirm zu sehen sind. „Je nach der zum Einsatz kommenden Videokonferenztechnik und der jeweils individuell gewählten Einstellungen können die Ansichtsmöglichkeiten variieren. Bei der Entscheidung, ob eine Videoverhandlung (…) durchgeführt wird, hat das Gericht daher auch die jeweils zur Verfügung stehenden Videokonferenzsysteme und deren technische Möglichkeiten vor dem Hintergrund der Besonderheiten des jeweiligen Termins zu berücksichtigen.“[15]

Blankenburg/Bogumil merken zu den Herausforderungen hybrider Versammlungen bei großen Gläubigerzahlen zu Recht an:

„Insoweit bedürfte es für das Insolvenzverfahren zumindest der Klarstellung, dass (…) auch eine Aufnahme in der Totale möglich ist, damit die Verfahrensbeteiligten einen Überblick haben, was im Sitzungssaal vorgeht. In diesem Fall müssten bereits zwei Kameras nur für die Gläubiger installiert werden. Eine wäre dann für die Totale, eine andere für den Fall, dass sich jemand zu Wort meldet. Bei größeren Verhandlungen wären ggf. mehrere Kameras für eine Totale erforderlich. Damit die Verfahrensbeteiligten vor Ort einen Überblick behalten, müsste auch ein Signal zusammengeschnitten werden, das den jeweils sprechenden Verfahrensbeteiligten überträgt. Da dies nicht ohne Weiteres automatisch umzusetzen ist, müsste dies manuell erfolgen. Dies könnte aber nicht durch den Vorsitzenden gesteuert werden, da es dessen Aufnahmekapazitäten überschreiten würde, müsste er sich auch über die Übertragung des Bildes kümmern.“[16]

Die notwendige technische Ausstattung dürfte ein wesentliches Kriterium sein. So führt die Entwurfsbegründung aus: „Bei Terminen mit vielen Verfahrensbeteiligten im Gerichtssaal (…) wird auf technisch differenziertere Videokonferenzsysteme zurückzugreifen sein bzw. bei Nichtverfügbarkeit eines solchen Systems eine Videoverhandlung (…) abzulehnen sein.“[17]

Die Durchführung hybrider „Verhandlungen“ in Insolvenzverfahren steht insbesondere auch dann vor Herausforderungen, wenn aufgrund der Anzahl der Gläubiger der Sitzungssaal nicht ausreicht und externe Räumlichkeiten angemietet werden müssen. Die entsprechende Technik müsste dann nicht nur im Sitzungsaal, sondern auch in den externen Räumlichkeiten zur Verfügung stehen.

 

b) Absatz 2 (Anordnung)

aa) Satz 1

Im Unterschied zur bisherigen Regelung kann der Vorsitzende auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten oder von Amts wegen die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung per Bild- und Tonübertragung (für einen Verfahrensbeteiligten, mehrere oder alle Verfahrensbeteiligte) nicht nur gestatten, sondern auch anordnen (Abs. 2 Satz 1).

 

(1)

Den bisherigen praktischen Unsicherheiten insbesondere in Bezug auf (gerichts-)organisatorische Aspekte, die daraus resultieren, dass es den Verfahrensbeteiligten bisher freisteht, auch bei Terminierung einer Videoverhandlung im Gericht zu erscheinen und in Präsenz teilzunehmen[18], wurde teilweise Rechnung getragen. So wurde kritisiert, dass, anders als bspw. bei Aktionärsversammlungen, im Insolvenzverfahren i.d.R. keine abschließenden Erkenntnisse des Insolvenzgerichts zur Anzahl und Struktur der Gläubiger vorliegen[19] und es in der Praxis zu signifikanten Erfahrungen mit zu großen oder zu kleinen Sälen kam. Auch ist es, je nach Anzahl der Gläubiger, ggf. erforderlich, Gläubigerversammlungen auch außerhalb der eigentlichen Sitzungssäle, so bspw. in „Hotels, Kongresscentern oder gar Messehallen“[20] durchzuführen.

 

(2)

Die Entscheidung über die Gestattung oder Anordnung einer Videoverhandlung liegt, ebenso wie die Ablehnung eines Antrags auf Videoverhandlung, im pflichtgemäßen Ermessen der/des Vorsitzenden.[21] „Voraussetzung für die Gestattung oder Anordnung einer Videoverhandlung ist stets, dass das Gericht über die für die Durchführung des konkreten Termins erforderliche technische und organisatorische Ausstattung verfügt.“[22]Die zu treffende Ermessensentscheidung hat sich, so die Entwurfsbegründung weiter, dabei einerseits am Zweck der Videoverhandlung, d.h. einer nachhaltigen und effizienten Verfahrensführung, zu orientieren und anderseits zu berücksichtigen, ob sich das konkrete Verfahren für eine Videoverhandlung eignet.[23] Ungeeignet kann eine Videoverhandlung danach u.a. sein, wenn „schwierige Vergleichsverhandlungen zu erwarten sind, bei denen die persönliche Anwesenheit der Prozessbevollmächtigten und insbesondere der Parteien hilfreich sein kann.“[24]

Übertragen auf das Kollektivverfahren könnte, wie bereits in der vorangegangenen Stellungnahme[25] zum Referentenentwurf ausgeführt, der Vorsitzende eine Videoverhandlung danach bereits ablehnen, wenn eine kontroverse Gläubigerversammlung zu „befürchten“ wäre. Die Gläubigerversammlung bleibt im eröffneten Verfahren jedoch das zentrale Organ der insolvenzrechtlichen Selbstverwaltung der Gläubiger[26], so dass es in Gläubigerversammlungen durchaus auch sehr lebendig zugehen kann. Sie entscheidet durch ihre Beschlüsse fortlaufend über das Schicksal des Insolvenzverfahrens.[27]

Ungeeignet kann eine Videoverhandlung auch dann sein, „wenn keine oder nur eine der Parteien anwaltlich vertreten ist oder wenn sehr viele Personen an der Verhandlung teilnehmen.“[28]

Die Abhängigkeit der Geeignetheit der Videoverhandlung von einer anwaltlichen Vertretung der Parteien ist dabei im Insolvenzverfahren ein ebenso ungeeignetes Mittel der Differenzierung wie der Hinweis auf die Zahl der Teilnehmenden. So ist bereits fraglich, wann nach den Maßstäben des Zivilprozesses mit üblicherweise zwei Parteien (und deren Prozessbevollmächtigten) das Merkmal „sehr vieler“ Personen erfüllt ist und in welcher Form dies auf Insolvenzverfahren übertragbar ist.

 

(3)

Der Begriff des Vorsitzenden umfasst ausweislich der Gesetzesbegründung auch den/die Richter/in am Amtsgericht sowie den/die Einzelrichter/in nach den §§ 348, 348a ZPO.[29] Eine Gestattung/Anordnung durch den/die Rechtspfleger/in ist nicht vorgesehen. Dies ist im Hinblick auf deren Aufgaben im Insolvenzverfahren (vgl. § 18 RPflG) nicht nachvollziehbar.[30]

 

bb) Satz 2

Wenn alle Prozessbevollmächtigten ihre Teilnahme per Bild- und Tonübertragung beantragen, soll der Vorsitzende diese anordnen (§ 128a Abs. 2 Satz 2 ZPO-E).

Anders als noch der Referentenentwurf wird nicht mehr auf übereinstimmende Anträge der Parteien[31], sondern auf die Anträge aller Prozessbevollmächtigten abgestellt. Ausweislich der Entwurfsbegründung greift damit bspw. für den Fall, dass beide nicht anwaltlich vertretenen Parteien einen Antrag auf Teilnahme an der mündlichen Verhandlung per Bild- und Tonübertragung stellen, die Ermessungseinschränkung nach Satz 2 nicht ein.[32] Im Vordergrund stehen danach die Interessen der die Parteien vertretenden Rechtsanwälte.[33]

Übertragen auf das Insolvenzverfahren könnte eine virtuelle „Verhandlung“ trotz Geeignetheit dann daran scheitern, dass typischerweise nicht alle Beteiligten des Insolvenzverfahrens anwaltlich vertreten sind und entsprechende Anträge, gerade bei einer Vielzahl von Beteiligten, nicht vorliegen (können). Auch variiert die Zahl der anwaltlich vertretenen Beteiligten nach der Art des Verfahrens (Verbraucherinsolvenz (selten)/Unternehmensinsolvenz (häufiger)), aber auch den Geschäftsbereichen der insolventen Unternehmen (z.B. häufige anwaltliche Vertretung im Bereich von Bauinsolvenzen/ kaum anwaltliche Vertretung im Bereich Gastronomie), bzw. in Abhängigkeit der vorherigen Vollstreckungsbemühungen der Gläubiger.

Will man an dieser Stelle (gerade) den nicht anwaltlich vertretenen Gläubigern im Insolvenzverfahren einen einfachen Zugang zur virtuellen Teilnahme ermöglichen, zeigt sich, dass die geplante Regelung dafür nicht geeignet ist.

 

c) Absatz 5 (Einspruch gegen die Anordnung)

Nach § 128a Abs. 5 Satz 1 ZPO-E kann der Adressat einer Anordnung nach Absatz 2, an einer mündlichen Verhandlung per Bild- und Tonübertragung teilzunehmen, gegen diese Anordnung innerhalb einer Frist von zwei Wochen Einspruch einlegen. Dies gilt sowohl für eine Anordnung von Amts wegen oder auf Antrag nach Absatz 2 Satz 1 als auch für eine Anordnung aufgrund übereinstimmender Anträge nach Absatz 2 Satz 2. Der Einspruch muss dabei nicht begründet werden.[34] Mit der Regelung soll sichergestellt werden, dass kein Verfahrensbeteiligter gegen seinen Willen zu einer Videoverhandlung gezwungen werden kann, sondern stets die Möglichkeit hat, unter Nutzung der Einspruchsmöglichkeit auch physisch im Gericht zu erscheinen.[35]

Hat ein Verfahrensbeteiligter fristgerecht Einspruch eingelegt, hebt die/der Vorsitzende die Anordnung nicht nur gegenüber demjenigen auf, der den Einspruch eingelegt hat, sondern gegenüber allen Verfahrensbeteiligten, denen gegenüber die Anordnung ergangen ist. „Die Verpflichtung der Aufhebung der Anordnung gegenüber allen Verfahrensbeteiligten gilt auch für den Fall einer Anordnung aufgrund entsprechender Anträge aller Prozessbevollmächtigten nach Absatz 2 Satz 2.“[36]

Übertragen auf das Insolvenzverfahren würde dies bedeuten, dass der (unbegründete) Einspruch eines einzelnen Gläubigers dazu führen könnte, dass die Anordnung gegenüber allen Verfahrensbeteiligten aufzuheben wäre. In der Folge wäre es den anderen Verfahrensbeteiligten nicht mehr verwehrt, im Sitzungssaal zu erscheinen. Insbesondere in Fällen einer Vielzahl von Verfahrensbeteiligten wäre mithin (erneut) völlig unklar, mit wie vielen teilnehmenden Gläubigern vor Ort im Gericht zu rechnen wäre. Zu den signifikanten Erfahrungen des Insolvenzgerichts mit zu großen oder zu kleinen Sälen siehe oben unter III. 1. b) aa) (1).

 

d) Ausländische Verfahrensbeteiligte und europäische Entwicklungen

Der Entwurf adressiert Videoverhandlungen und Videobeweisaufnahmen, bei denen sich die Verfahrensbeteiligten im Inland aufhalten.[37] Unberührt bleiben, ausweislich der Entwurfsbegründung[38], nicht nur die diesbezüglichen Regelungen der europäischen Verordnungen (EG) Nr. 861/2007 und (EU) 2020/1783, sondern auch die geplante Verordnung über die Digitalisierung der justiziellen Zusammenarbeit und des Zugangs zur Justiz in grenzüberschreitenden Zivil-, Handels- und Strafsachen und zur Änderung einiger Rechtsakte im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit (COM (2021) 759 final)[39], die in Art. 7 eine Regelung für grenzüberschreitende Videokonferenzen in Zivil- oder Handelssachen[40] vorsieht und derzeit im Europäischen Parlament beraten[41] wird.

Die Durchführung virtueller Gläubigerversammlungen dürfte aufgrund der dann ersparten Anreise jedoch insbesondere für ausländische Gläubiger von Interesse sein. Es bedarf daher dringend einer Klärung, ob und wie ausländischen Verfahrensbeteiligten eine virtuelle Teilnahme an Gläubigerversammlungen und Erörterungs- und Abstimmungsterminen ermöglicht werden kann.

Neben dem genannten Verordnungsvorschlag sieht auch der Richtlinienvorschlag zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts (COM (2022) 702 final)[42] eine Regelung zur Arbeitsweise von Gläubigerausschüssen vor. So regelt Art. 63 Abs. 4 RL-E, dass die Mitgliedstaaten den Mitgliedern von Gläubigerausschüssen ermöglichen müssen, entweder persönlich oder auf elektronischem Weg an Sitzungen teilzunehmen und abzustimmen.[43]

Im nationalen Recht bestimmt der Gläubigerausschuss seine innere Organisation selbst[44] und kann – schon jetzt – in seiner Geschäftsordnung die Zulässigkeit von Ausschusssitzungen per Videokonferenz sowie einer dortigen Beschlussfassung vorsehen.[45]

In Art. 40 des Richtlinienvorschlags ist zudem vorgesehen, dass in vereinfachten Liquidationsverfahren für Kleinstunternehmen[46] jegliche Kommunikation zwischen dem Gericht und dem Insolvenzverwalter (sofern bestellt) einerseits und den weiteren „Verfahrensparteien“ andererseits auf elektronischem Weg möglich sein soll, entsprechend Art. 28 der Richtlinie 2019/1023. Dies soll neben z.B. der Stellung von Anträgen sowie dem Forderungsanmeldungs- und -prüfungsverfahren offenbar auch Abstimmungen durch die Gläubiger erfassen, die zumindest in der Konstellation des Art. 54 Abs. 4 des Vorschlags – Entscheidung über zerschlagende oder betriebsübertragende Veräußerung des Vermögens – vorgesehen sind.

Die nationalen Bemühungen zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten sollten die europäischen Entwicklungen berücksichtigen, da diese nicht nur als Richtlinienvorschlag, sondern auch als Verordnungsentwurf formuliert sind. [47]

 

2. Weitere Besonderheiten des Insolvenzverfahrens

Das Insolvenzverfahren folgt als Kollektiverfahren zwar vielen Vorgaben des Zivilprozessrechts, jedoch basieren die traditionellen Verfahrensmuster des Insolvenzverfahrens wesentlich auf Kommunikation und Interaktion der Beteiligten. Diesem Aspekt wird in dem regelmäßig nur zweiseitigen Austauschverhältnis eines Zivilprozesses nicht in gleicher Weise Rechnung getragen. Eine rein digitale Abbildung der Reaktionsmuster des Zivilprozesses genügt den Ansprüchen eines Kollektivverfahrens, insbesondere in Verfahren mit einer großen Zahl von Gläubigern, daher nicht.[48]

Die Erleichterung des Zugangs zur Justiz für die Gläubiger geht zudem nicht nur mit technischen und datenschutzrechtlichen Fragen einher, sondern auch mit der Frage, wie sichergestellt werden kann, dass die digitale Verfahrensführung seitens der Gerichte personell leistbar ist.

Insbesondere aber stehen nachfolgend einzelne, in der Gesetzesbegründung zum SanInsFoG bei der Ermessensausübung des Gerichts zu berücksichtigende, Kriterien im Fokus (siehe oben unter Ziff. II).

 

a) zuverlässige Prüfung der Identität und Teilnahmeberechtigung

Die Gesetzesbegründung zum SanInsFoG stellte im Hinblick auf die Ermessensausübung des Gerichts u.a. auf eine „zuverlässige Prüfung der Identität und Teilnahmeberechtigung (…) [ab]“. Eine nähere Ausgestaltung erfuhr dieses Merkmal indes nicht.

 

aa) Identitätsprüfung

Im vorliegenden Entwurf finden sich zur Frage der Identifizierung lediglich zu § 129a ZPO-E (Schaffung der virtuellen Rechtsantragstelle) sowie zu § 802f ZPO-E (Abnahme der Vermögensauskunft per Bild- und Tonübertragung) nähere Ausführungen.

So heißt es zu § 129a ZPO-E in der Begründung:Auf die Festlegung von Anforderungen an die Art und Weise der Identifizierung der Antragsteller wurde im Interesse größtmöglicher Flexibilität verzichtet. Es wird keine Notwendigkeit gesehen, bei einer „virtuellen“ Rechtsantragstelle höhere Anforderungen an die Identifizierung der Antragsteller zu stellen als bei einer physischen Rechtsantragstelle. Soweit sich Antragsstellende bei einer Antragsstellung vor Ort ausweisen müssen, wird bei einer virtuellen Antragstellung beispielsweise auch die Identifizierung über ein Video-Ident-Verfahren als ausreichend angesehen, bei dem der Personalausweis zur Identifizierung über die Kamera für die Urkundsbeamtin oder den Urkundsbeamten sichtbar gemacht wird. Dieses Verfahren ist niedrigschwellig und nutzerfreundlich, da es insbesondere keine zusätzlichen technischen Anforderungen für die Antragstellenden stellt.“[49]

Zu § 802f Abs. 2 ZPO-E heißt es: „Anders als im Rahmen von notariellen Beurkundungen erscheint es daher angesichts der bestehenden Unterschiede in Verfahren zur Abnahme einer Vermögensauskunft vertretbar, dass der Gerichtsvollzieher die Identität des Schuldners anhand eines von diesem in die Kamera gehaltenen Lichtbildausweises feststellt.“[50]

Die Ausführungen in der Entwurfsbegründung, wonach die gesetzliche Festlegung strengerer Identifizierungsanforderungen zumindest derzeit noch zu erheblichen praktischen Hürden für die Bürgerinnen und Bürger bei der Nutzung der „virtuellen“ Rechtsantragstelle führen würde[51], verwundert. So wurde erst kürzlich damit geworben, dass eine BundID zur Verfügung steht, die eine digitale, rechtssichere und kostenfreie Kommunikation mit der Justiz ermöglicht. Mit ihrer kostenlosen BundID können sich Bürgerinnen und Bürger online identifizieren und digitale Verwaltungsleistungen sicher, einfach und flexibel von zu Hause erledigen.“[52], so das BMJ weiter.

Im Hinblick auf die Ausgestaltung des Insolvenzverfahrens als Kollektivverfahren wäre eine Identifizierung (erst) unmittelbar vor Beginn der virtuellen Gläubigerversammlung bzw. eines Erörterungs- und Abstimmungstermins mit erheblichen Rechtsunsicherheiten behaftet und bei einer größeren Anzahl von Verfahrensbeteiligten auch praktisch kaum umsetzbar. Es bedarf daher einer Klärung der Frage, wie eine zuverlässige Identitätsprüfung zu erfolgen, d.h. wie sich der Teilnahmeberechtigte digital „auszuweisen“ hat.[53]

 

bb) Prüfung der Teilnahmeberechtigung

Bevor sich jedoch die Frage nach der Identitätsprüfung vor dem eigentlichen Zutritt zur virtuellen Versammlung stellt, muss sichergestellt werden, dass nur diejenigen Teilnehmer die Zugangsdaten für die nicht-öffentliche Gläubigerversammlung erhalten, deren Teilnahmeberechtigung geprüft wurde.[54] Wer zur Teilnahme an der Gläubigerversammlung berechtigt ist, regelt § 74 Abs. 1 Satz 2 InsO.[55]

Eine Prüfung der Teilnahmeberechtigung muss – will man sie nicht in die virtuelle Sitzung selbst verlagern[56], was bereits aus datenschutzrechtlichen Gründen abzulehnen ist – daher vorgeschaltet erfolgen. Zur Frage, wie und durch wen (Gericht, bzw. Insolvenzverwalter/Sachwalter) sie zu erfolgen hat, werden in der Literatur durchaus unterschiedliche Ansätze vertreten[57], ebenso zur Versendung der Zugangsdaten[58].

Notwendig ist an dieser Stelle eine gesetzliche Regelung, die die Anforderungen an eine zuverlässige Prüfung der Teilnahmeberechtigung konkretisiert.

 

b) Sicherstellung der Stimmrechte

Neben konkreten Anforderungen an eine zuverlässige Prüfung der Identität und Teilnahmeberechtigung fehlt es an konkreten Vorgaben für die in der Gesetzesbegründung zum
SanInsFoG angesprochene Sicherstellung der Festsetzung der Stimmrechte vor jeder einzelnen Abstimmung[59].  So bedarf es u.a. technischer Vorkehrungen, damit nur die stimmberechtigten Teilnehmer ihre Stimme zu einzelnen Gegenständen der Beschlussfassung abgeben können[60].

 

c) Effektive Ausübung der Rechte der Teilnehmer und technische Störungen

Zudem muss allen Teilnehmern „eine effektive Ausübung ihrer Rechte einschließlich der Einsichtnahme in Unterlagen und Kommunikation mit dem Gericht und allen anderen Teilnehmern ermöglicht“[61] werden.

Technische Störungen kommen sowohl bei der Einwahl selbst als auch im weiteren Verlauf der „Videoverhandlung“ in Betracht. Notwendig sind an dieser Stelle Regelungen zu den Rechtfolgen bzw. ob und in welchen Fällen Rechtsmittel möglich sind und wie die Darlegungs- und Beweislast verteilt sind.[62] Ebenso fehlt es an spezifischen Regelungen, wie eine Einsichtnahme in Unterlagen erfolgen soll.

 

IV. Fazit

Die bereits zum Referentenentwurf vorgebrachte Kritik wird daher wiederholt.

  1. Der bloße Verweis in § 4 Satz 2 InsO auf die zivilprozessrechtliche Norm des § 128a ZPO (Videoverhandlung) ist unzureichend, um den Besonderheiten von Insolvenzverfahren Rechnung zu tragen.
  1. Insbesondere für die virtuelle Durchführung von Gläubigerversammlungen und Erörterungs- und Abstimmungsterminen bedarf es eigenständiger Regelungen in der Insolvenzordnung[63].
  1. Die Regelungen sollten – auch unter datenschutzrechtlichen Aspekten – insbesondere zum Inhalt haben, wie eine zuverlässige Prüfung der Identität und Teilnahmeberechtigung der Verfahrensbeteiligten bei einer Teilnahme an Gläubigerversammlungen und Erörterungs- und Abstimmungsterminen sichergestellt werden kann.

 

Berlin, 17.10.2023

 

Kontakt:

Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)
Am Zirkus 3
10117 Berlin
Tel.: 030/ 20 45 55 25
E-Mail: info@vid.de / Web: www.vid.de

 

[1] https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/RegE/RegE_Videokonferenztechnik.pdf

[2] Ausführlich VID-Stellungnahme vom 13.01.2023, abrufbar unter VID-Stellungnahme-zum-RefE-eines-Gesetzes-zur-Foerderung-des-Einsatzes-von-Videokonferenztechnik.pdf., kritisch auch die Stellungnahmen des Bundes Deutscher Rechtspfleger und des Bundesarbeitskreises Insolvenz- und Restrukturierungsgerichte (abrufbar unter https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/2022_Videokonferenztechnik.html).

[3] und zum Teil wortgleich.

[4] Rüther in Hamburger-KO, InsO, 9. Aufl. 2022, § 4, Rz. 3.

[5] Jedoch wurde der Anwendungsbereich des § 128a ZPO für das Insolvenzverfahren (§ 4 InsO) bereits im Gesetzentwurf zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren (BT-Drs. 17/1224 vom 24.03.2010, S. 1) angesprochen.

[6] Gesetzesbegründung zum SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 191.

[7] Gesetzesbegründung zum SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 191.

[8] Gesetzesbegründung zum SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 191 f.

[9] Gesetzesbegründung zum SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 192.

[10] Rüther in Hamburger-KO, InsO, 9. Aufl. 2022, § 4, Rz. 34.

[11] Zu Fragen der Einordnung als Verfahrensbeteiligte sowie der Frage des Verhältnisses von § 5 Abs. 2 InsO (schriftliches Verfahren) und § 128a Abs. 2 Satz 2 ZPO-E ausführlich Blankenburg/Bogumil in ZInsO 2023, 649 ff. (650) noch zum Referentenentwurf.

[12] Blankenburg/Bogumil in ZInsO 2023, 649 ff. (650).

[13] Entwurfsbegründung, S. 54.

[14] Entwurfsbegründung, S. 52.

[15] Entwurfsbegründung, S. 52.

[16] Blankenburg/Bogumil in ZInsO 2023, 649 ff. (652) noch zum Referentenentwurf; aus der richterlichen Praxis wurde in der Vergangenheit bereits kritisiert, dass bei zwei getrennten Teilnehmerkreisen der verfahrensleitende Rechtspfleger seine Aufmerksamkeit nicht auf Saal und Bildschirm verteilen könne, vgl. Frind  in ZInsO 2020, 1743 ff. (1749).

[17] Entwurfsbegründung, S. 52.

[18] Entwurfsbegründung, S. 54.

[19] Frind in ZInsO 2020, 1743 ff. (1744).

[20] Blankenburg/Bogumil in ZInsO 2023, 649 ff. (652).

[21] Entwurfsbegründung, S. 54.

[22] Entwurfsbegründung, S. 55.

[23] Entwurfsbegründung, S. 55.

[24] Entwurfsbegründung, S. 55.

[25] VID-Stellungnahme-zum-RefE-eines-Gesetzes-zur-Foerderung-des-Einsatzes-von-Videokonferenztechnik.pdf, S. 7.

[26] Knof in Uhlenbruck, InsO-KO, 15. Aufl. 2019, § 74, Rz. 1-4.

[27] Vgl. auch Pleister/Palenker in ZRI 2020, 245 ff. (247); zu den Aufgaben der Gläubigerversammlung vgl. Knof in Uhlenbruck, InsO-KO, 15. Aufl. 2019, § 74, Rz. 13.

[28] Entwurfsbegründung, S. 54, wobei das Merkmal der Teilnahme sehr vieler Personen in der Begründung des Referentenentwurfs an dieser Stelle noch nicht vorgesehen war.

[29] Entwurfsbegründung, S. 54.

[30] Kritisch auch Stellungnahme des Bundes Deutscher Rechtspfleger vom 09.01.2023 zum Referentenentwurf, dort S. 2.

[31] Vgl. § 128a Abs. 2 Satz 2 ZPO-Ref-E: „Wenn die Parteien ihre Teilnahme per Bild- und Tonübertragung übereinstimmend beantragen, (…).“

[32] Entwurfsbegründung, S. 56.

[33] Entwurfsbegründung, S. 56.

[34] Entwurfsbegründung, S. 58.

[35] Entwurfsbegründung, S. 58.

[36] Entwurfsbegründung, S. 59.

[37] Entwurfsbegründung, S. 33.

[38] Zum Verordnungsvorschlag, der derzeit im Europäischen Parlament beraten wird, siehe auch die ausführliche Stellungnahme des VID vom 05.12.2022 (Anmerkungen des VID – Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. zur EU-Initiative zur elektronischen Forderungsanmeldung in den Fällen des Art. 53 EuInsVO), abrufbar unter Anmerkungen-des-VID-zur-EU-Initiative-zur-elektr.-Forderungsanmeldung-Art.-53-EuInsVO.pdf.

[39] Abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:d3a7c29e-5362-11ec-91ac-01aa75ed71a1.0014.02/DOC_1&format=PDF .

[40] Entwurfsbegründung, S. 33; im Gegensatz zur Begründung des Referentenentwurfs wurde jedoch der Passus „Die Videokonferenzzuschaltung von Verfahrensbeteiligten im Ausland, die grundsätzlich die territoriale Souveränität des ausländischen Staates berührt und daher nur im Rahmen der Rechtshilfe möglich ist, ist nicht Gegenstand dieses Entwurfs.“ gestrichen.

[41] Procedure File: 2021/0394(COD) | Legislative Observatory | European Parliament (europa.eu).

[42] https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:8adadc6c-76e9-11ed-9887-01aa75ed71a1.0020.02/DOC_1&format=PDF.

[43] Die ausführliche Stellungnahme des VID zum Richtlinienvorschlag ist hier abrufbar: VID-Stellungnahme-Harmonisierungs-RL.pdf.

[44] Frind in HK-InsO, 9. Aufl., 2022, § 72, Rz. 6.

[45] Frind in HK-InsO, 9. Aufl., 2022, § 72, Rz. 8.

[46] Nach Erwägungsgrund 35 Satz 3 des Richtlinienvorschlags ausweitbar auf kleine und mittelgroße Unternehmen.

[47] Von den Mitgliedstaaten der EU nutzt bspw. die Insolvenzjustiz in Belgien bereits (landesweit einheitlich) eine sehr weit entwickelte und nutzerfreundliche Internetplattform, die eine Kommunikation unter den Verfahrensbeteiligten sowie weitgehend elektronische Verfahrensabwicklung ermöglicht.

Aus Singapur wird berichtet, dass Anhörungen in Insolvenzverfahren mit hunderten von Beteiligten erfolgreich per Videokonferenz abgehalten werden.

[48] Niering/Bergner  in FS für Godehard Kayser, RWS-Verlag, 2019, S. 613 (615 f.).

[49] Entwurfsbegründung, S. 60 f., weiter heißt es dort: „Die gesetzliche Festlegung strengerer Identifizierungsanforderungen würde zumindest derzeit noch zu erheblichen praktischen Hürden für die Bürgerinnen und Bürger bei der Nutzung der „virtuellen“ Rechtsantragstelle führen. Gegen die insbesondere in Betracht kommende Identifizierung mit dem elektronischen Identitätsnachweis des Personalausweises (eID-Funktion) spricht derzeit, dass diese Funktion bisher von den Bürgerinnen und Bürgern kaum genutzt wird (…). Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich die Nutzung digitaler Identifizierungsmöglichkeiten durch die Erweiterung praktischer Anwendungsmöglichkeiten, insbesondere bei der Inanspruchnahme von Verwaltungsleistungen, schnell weiterverbreiten und damit für alle Bürgerinnen und Bürger alltäglich werden wird. Der Gesetzgeber wird nach Inkrafttreten der Regelung detailliert beobachten, ob und inwieweit gesetzliche Regelungen zur Art und Weise der Identifizierung der Antragsteller entgegen der derzeitigen Annahme doch angezeigt sind.“

[50] Entwurfsbegründung, S. 73.

[51] Vgl. Fn. 49.

[52] BMJ-Pressemitteilung vom 13.10.2023 (Startschuss für „Mein Justizpostfach“ – die Justiz wird für Bürgerinnen und Bürger leichter digital erreichbar) abrufbar unter: BMJ – Pressemitteilungen – Startschuss für „Mein Justizpostfach“ – die Justiz wird für Bürgerinnen und Bürger leichter digital erreichbar.

[53] Vgl. auch  Preuß  in ZIP 2020, 1533 ff. (1537).

[54] Rüther  in HK-InsO, 9. Aufl. 2022, § 4, Rz. 67.

[55] Zu etwaig weiteren Teilnahmeberechtigten (z.B. Beistände, Vertreter, Presse etc.) siehe  Knof  in Uhlenbruck, InsO-KO, 15. Aufl. 2019, § 74, Rz.6 und 8; zur Problematik „spontan“ teilnehmender Gläubiger u.a.  Frind  in ZInsO 2020, 1743 ff. (1745 f.).

[56] Vgl. auch  Preuß  in ZIP 2020, 1533 ff. (1537) m.w.N.

[57]  Pleister/Palenker, ZRI 2020, 245 ff. (252 ff.),  Kollbach  in INDat Report, 04_2020, S. 13 ff. (19),  Horstkotte  in ZInsO 2020, 1820 ff. (1822),  Blankenburg/Godzierz in ZInsO  2020, 1285 ff. (1287), grds. kritisch zum „Akkreditierungsverfahren“ Frind  in ZInsO 2020, 1743 ff. (1745 f.).

[58] Denkhaus  in HK-InsO, 9. Aufl. 2022, § 29, Rz. 4;  Blankenburg/Godzierz in ZInsO  2020, 1285 ff. (1287).

[59] Gesetzesbegründung zum SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 191; zu den Herausforderungen bei Stimmrechtsfestsetzungen in virtuellen Gläubigerversammlungen vgl.  Frind  in ZInsO 2020, 1749 ff.

[60]  Rüther  in HK-InsO, 9. Aufl. 2022, § 4, Rz. 67.

[61] Gesetzesbegründung zum SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 191 f.

[62] Ausführlich zu Einwahlproblemen und Verbindungsabbrüchen Blankenburg/Bogumil, ZInsO 2023, 649 (653 ff.).

[63] Für eine Regelung der Anforderungen und Voraussetzungen für die Zulassung von Videoverhandlungen während des Insolvenzverfahrens in der InsO auch Blankenburg/Bogumil, ZInsO 2023, 649, (649 f.).

 

RegE ZuFinG

 A. Einleitung

Mit dem Gesetzentwurf (nachfolgend Entwurf) soll die Leistungsfähigkeit des deutschen Kapitalmarktes gestärkt und die Attraktivität des deutschen Finanzstandortes erhöht werden.

Neben einer Vielzahl von Neuerungen in verschiedensten Rechtsgebieten setzt der Entwurf absehbare europäische Vorgaben zum Schutz des von Kryptoverwahrern verwahrten Kundenvermögens um und stellt den Umgang mit Kryptowerten in der Insolvenz klar.[1]

Um die in diesen Fällen idR ohnehin schon komplexen Vorgänge nicht weiter zu erschweren, sind leicht verständliche Regelungen für alle Verfahrensbeteiligten notwendig. Die Möglichkeiten zur Schaffung solcher Regelungen nutzt der Entwurf bislang nicht konsequent aus. Die Stellungnahme geht aus insolvenzrechtlicher Perspektive auf die Defizite ein und unterbreitet Vorschläge für Anpassungen.

 

B. Änderungen des Kreditwesengesetzes

I. § 26b KWG-E (Vermögenstrennung)

Unter dem neu eingefügten Abschnitt „Besondere Pflichten bei Kryptoverwahrung“ regelt § 26b KWG-E, dass ein Institut, das das Kryptoverwahrgeschäft betreibt, sicherzustellen hat, dass die Kryptowerte und privaten kryptographischen Schlüssel der Kunden getrennt von den Kryptowerten und privaten kryptographischen Schlüsseln des Instituts verwahrt werden. Werden Kryptowerte mehrerer Kunden gebündelt verwahrt (gemeinschaftliche Verwahrung), so ist sicherzustellen, dass sich die den einzelnen Kunden zustehenden Anteile am gemeinschaftlich verwahrten Gesamtbestand jederzeit bestimmen lassen (Abs. 1).

Ferner hat das Institut sicherzustellen, dass über die verwahrten Kryptowerte und privaten kryptographischen Schlüssel des Kunden ohne dessen ausdrückliche Einwilligung nicht für eigene Rechnung des Instituts oder für Rechnung einer anderen Person verfügt werden kann (Abs. 2).

Die Regelung des Abs. 1, die die Vorgaben der MiCA-Verordnung[2] in geltendes Recht übernimmt[3], ist grundsätzlich zu begrüßen, da sie Kryptoverwahrern Trennungs- und Bestimmbarkeitspflichten auferlegt.

Defizite bestehen jedoch in der Formulierung des Abs. 2, der weitreichende Folgen für die Zuordnung verwahrter Kryptowerte hat. Ausweislich der Entwurfsbegründung rechtfertigt es das der Aufsicht unterliegende Vermögenstrennungsgebot, die verwahrten Werte und Schlüssel dem Vermögen des Kunden auch haftungsrechtlich zuzuordnen (§ 46i KWG-E).[4]

Der bisherige Wortlaut des Abs. 2 „ausdrückliche Einwilligung“ (des Kunden) ist unzureichend. Es fehlt eine Klarstellung, welche Anforderungen an die „ausdrückliche Einwilligung“ zu stellen sind. Die Begründung verhält sich hierzu nicht weiter.[5]

Die bereits zum Referentenentwurf formulierte Kritik wird daher aufrechterhalten:

„Im Insolvenzfall ist der Insolvenzverwalter ggf. gehalten, die Rechtmäßigkeit einer solchen Einwilligung zu überprüfen. Dies kann umso aufwendiger sein, je unschärfer die gesetzlichen Anforderungen sind. (…) Ergänzend würde eine Anforderung in § 26b Abs. 2 KWG-E zur ausdrücklichen Einwilligung „schriftlich oder elektronisch“ Rechtssicherheit schaffen. Davon würden Kryptoverwahrer und deren Kunden gleichermaßen profitieren.“ [6]

 

II. §  46i  Abs.  1 KWG-E (Zuordnung verwahrter Kryptowerte)

Anders als § 26b Abs. 2 KWG-E, der von einer „ausdrücklichen Einwilligung“ des Kunden spricht, stellt der Wortlaut des § 46i Abs. 1 KWG-E auf eine bloße „Einwilligung“ des Kunden ab. Unklar bleibt, weshalb eine ungleiche Formulierung gewählt wurde, die im Ergebnis Raum für unterschiedliche Auslegungen lässt.

Neben einem Gleichklang der Formulierungen schlagen wir auch eine Konkretisierung wie zu § 26b Abs. 2 KWG-E („schriftlich oder elektronisch“) vor, um die Rechtssicherheit der Norm zu erhöhen.

 

III. §  46i  Abs.  3  KWG-E (Kosten der Aussonderung)

§ 46i Abs. 3 KWG-E hat – im Vergleich zur Regelung im Referentenentwurf – inhaltliche Änderungen erfahren:

„Stimmt der Kunde im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Instituts einer Aussonderung im Wege der Übertragung des vom Institut verwahrten Gesamtbestands auf ein vom Insolvenzverwalter bestimmtes Institut, welches das Kryptoverwahrgeschäft betreibt, nicht zu, trägt er die Kosten der Aussonderung. Dies gilt nicht, wenn die Bedingungen, zu denen das andere Institut eine Fortführung des Verwahrverhältnisses anbietet, für den Kunden unzumutbar sind. Sätze 1 und 2 sind auf die Übertragung wesentlicher Teile des verwahrten Gesamtbestands entsprechend anzuwenden.“

Hierdurch soll, so die Entwurfsbegründung, der „mit Einzelübertragungen verbundene Mehraufwand und die damit zusammenhängenden Kosten (…) vermieden werden. Wo sie auf Wunsch des Kunden anfallen, sollen sie von diesem auch getragen werden.“[7]

 

Im Einzelnen:

1. Übertragung des Gesamtbestandes auf ein anderes Institut

Auch wenn mit der Formulierung („Übertragung des vom Institut verwahrten Gesamtbestands auf ein vom Insolvenzverwalter bestimmtes Institut“) Mehraufwand vermieden werden soll, stellt die Bestrebung einer kostenfreien Übertragung des (gesamten) Bestandes auf ein (einziges) anderes Institut ein ungewöhnliches Vorgehen dar.

Die Regelung ist zudem komplex, streitanfällig und wird den Besonderheiten des Kryptoverwahrgeschäfts nicht gerecht:

 

2. Kosten

a) Grundsätzliches

Der Aussonderungsvorgang auf ein anderes Institut verursacht – auch im Wege der Übertragung nach § 46i Abs. 3 KWG-E – Kosten.

Sollten die Kosten aus der Insolvenzmasse aufgebracht werden müssen, schmälert dies die Insolvenzquote und kann ggf. sogar zu einer Masseunzulänglichkeit führen. Das ist gerade beim Kryptoverwahrgeschäft relevant, weil der Transferierende (Insolvenzverwalter) mit Gebühren und Kosten belastet wird. Das ist das Geschäftsmodell der Intermediäre. In der Praxis werden im Fall des „Umzugs“ von Werten Tausende von Transaktionen anstehen, die ebenfalls Tausende von gebühren- und kostenpflichtigen Vorgängen auslösen. Dies ist in internationalen Rechtsordnungen auch berücksichtigt; beispielsweise legt der schweizerische § 242a Abs. 4 SchKG die Kosten der Transaktion immer dem User bzw. Kunden auf: „Die Kosten für die Herausgabe sind von demjenigen zu übernehmen, der diese verlangt. […]“

Grundsätzlich sind die Kosten der Aussonderung Masseverbindlichkeiten.[8] Wenn der Insolvenzverwalter jedoch besondere Maßnahmen treffen muss, die über die gewöhnlichen Aufwendungen hinausgehen, drängt sich ein Kostenerstattungsanspruch auf.[9] Denn es gibt keine Rechtfertigung dafür, einen ausschließlich dem Aussonderungsberechtigten zugutekommenden, außergewöhnlichen Aufwand von den ungesicherten Insolvenzgläubigern zahlen zu lassen.

Der Ansatz des Entwurfs, Mehraufwand und Kosten zu vermeiden, wird mit der bisherigen Formulierung nicht erreicht. Auch birgt die Regelung weiteres Konfliktpotential, das die Kosten für die Insolvenzmasse weiter erhöht:

 

b) Satz 1 „nicht zustimmen

Bei der Verwahrung von Kryptowerten handelt es sich um ein Massengeschäft.

Nach dem Wortlaut des Entwurfs soll eine für den Kunden kostenfreie Aussonderung nur nach Zustimmung möglich sein. Das Procedere einer rechtssicheren Zustimmung ist, auch in der Entwurfsbegründung, nicht näher beschrieben.

Die Einholung der Zustimmung bedeutet – gerade bei einer Vielzahl von Kunden – zusätzlichen Aufwand für den Insolvenzverwalter. Ebenso verhält es sich bei der Auswertung der Rückmeldungen. So ist im Ergebnis zwischen Zustimmungen, Ablehnungen und ausbleibenden Rückmeldungen zu differenzieren.

Soweit Kunden schweigen bzw. schlicht nicht reagierten, sollen diese die Aussonderungskosten wohl tragen, da es formal an einer Zustimmung fehlt. Dies steht jedoch im Widerspruch zur Entwurfsbegründung, die einen (ausdrücklichen?) Kundenwunsch voraussetzt („Wo sie [die Kosten] auf Wunsch des Kunden anfallen, sollen sie von diesem auch getragen werden.“[10])

Da sowohl von ausbleibenden Rückmeldungen als auch von Ablehnungen ausgegangen werden muss, müsste in solchen Fällen eine Sonderlösung für diese Gläubigergruppen gesucht werden, was den Aufwand für den Insolvenzverwalter und die Kosten für die Insolvenzmasse weiter erhöht. Die Intention des Entwurfs, Mehraufwand und Kosten zu vermeiden, wird damit konterkariert.

 

c) Unbestimmte Rechtsbegriffe der Sätze 2 und 3

Die zusätzliche Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, wie „unzumutbar“ (Satz 2) sowie „wesentlicher Teile“ (Satz 3) dürfte zu weiterem Konfliktpotential führen.

 

aa) „unzumutbar

Die Entwurfsbegründung verweist zur näheren Erläuterung des Begriffs „unzumutbar“ beispielhaft auf Fälle, bei denen „die Verwahrung beim neuen Verwahrer nicht die gleiche Sicherheit bietet wie die bisherige Verwahrung unter deutschem Recht oder (…) die Verwahrentgelte in Ansehung des Gegenstands der Verwahrung und im Verhältnis zum Marktüblichen unverhältnismäßig hoch sind.“[11]

Selbst die genannten Beispiele helfen in der Praxis kaum weiter, da auch Begrifflichkeiten wie „Sicherheit“ von subjektiven Belangen des Kunden geprägt sein können.

 

bb) „wesentliche Teile

Was „wesentliche Teile“ des gesamten Verwahrbestandes sind (50 %, 75 %, 90 %?), ergibt sich zudem weder aus dem Entwurf selbst noch aus seiner Begründung.

Der Hinweis in der Entwurfsbegründung, wonach „eine Anwendung [der Sätze 1 und 2] bei Einzelübertragungen oder Übertragungen von nur geringfügigen Teilen nicht in Betracht“ [12] kommt, hilft insoweit nicht weiter.

 

d) Entscheidungshoheit des Insolvenzverwalters

Für den Insolvenzverwalter wird es nahezu unmöglich sein, sämtliche Kunden gleichermaßen zufrieden zu stellen. So darf davon ausgegangen werden, dass die Wünsche der Kunden im Hinblick auf die Frage des künftigen Verwahrinstituts durchaus vielfältig sind. Letztlich bestimmt jedoch der Insolvenzverwalter über die Übertragung und zwingt dem Kunden einen neuen Vertragspartner auf, wenn dieser die Aussonderungskosten nicht tragen möchte.

Im Entwurf selbst ist damit bereits ein Grundkonflikt angelegt zwischen der Vertragsfreiheit des Kunden (freie Wahl des Instituts) und der Möglichkeit einer „systemwidrigen“ Kostenschonung bei Verzicht auf die freie Institutswahl.

Nach welchen Kriterien der Insolvenzverwalter – auch im Hinblick auf etwaiges Haftungspotential – eine fundierte Entscheidung zur Auswahl des künftigen Instituts treffen soll, lässt der Entwurf leider offen.

 

 

C. Fazit

Der Entwurf ist insgesamt zu begrüßen, soweit er vorhandene Regelungslücken schließt.

Um künftige Anwendungs- und Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden, bedürfen die nachfolgenden Punkte jedoch dringend einer Überarbeitung: 

  1. Die Anforderungen an die „ausdrückliche Einwilligung“ des § 26b Abs. 2 KWG-E sowie die „Einwilligung“ des § 46i Abs. 1 KWG-E sollten weiter konkretisiert werden (schriftlich oder elektronisch).
  1. Die Kosten der Aussonderung (§ 46i Abs. 3 KWG-E) sollte der die Aussonderung verlangende Kunde tragen.

 

Berlin, 09.10.2023

 

Kontakt:

Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)
Am Zirkus 3
10117 Berlin
Tel.: 030/ 20 45 55 25
E-Mail: info@vid.de / Web: www.vid.de

 

[1] Vgl. S. 2 des Entwurfes.

[2] EUR-Lex – 32023R1114 – EN – EUR-Lex (europa.eu).

[3] Entwurfsbegründung, S. 161.

[4] Entwurfsbegründung, S. 161.

[5] Entwurfsbegründung, S. 161.

[6] Vgl. VID-Stellungnahme zum Referentenwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes, S. 4, abrufbar unter VID_Stellungnahme-zum-RefE-des-Zukunftsfinanzierungsgesetz.pdf.

[7] Entwurfsbegründung, S. 163.

[8] BGH, Urt. v. 26.5.1988, Az. IX ZR 276/87; KPB/Prütting, InsO, § 47 Rn. 85.

[9] Braun/Bäuerle, InsO § 47 Rn. 95; OLG Stuttgart v. 11.3.80, Az. 12 U 176/79; ZIP 1980, 528.

[10] Entwurfsbegründung, S. 163.

[11] Entwurfsbegründung, S. 163.

[12] Entwurfsbegründung, S. 163.

 

NMInsoTabVO-Entwurf

 A. Einleitung

Der Verordnungsentwurf zielt auf eine möglichst medienbruchfreie Gestaltung der Führung der Tabellen über die angemeldeten Forderungen.[1]

Im Hinblick auf das vorrangige Ziel einer medienbruchfreien Gestaltung sollte der Blick auch auf die aktuellen politischen Entwicklungen gerichtet werden, bei deren Umsetzung einzelne Regelungen des Entwurfes ggf. obsolet würden.

So hat das BMJ kürzlich die Eckpunkte der Bundesregierung für ein weiteres Bürokratieentlastungsgesetz[2] veröffentlicht. Diese sehen vor, den Rechtsverkehr für Wirtschaft und Bürger zu vereinfachen und weitmöglichst zu digitalisieren.

Unter anderem sollen zivilrechtliche Schriftformerfordernisse und Unterschriftserfordernisse, die nicht durch europäische oder internationale Regelungen zwingend vorgegeben sind – soweit sachgerecht und angemessen – aufgehoben oder durch Textformerfordernisse ersetzt werden. Zur Förderung des digitalen Rechtsverkehrs soll im Allgemeinen Teil des BGB die elektronische Form oder – soweit geeignet – die Textform als Regelform ausgestaltet werden und an die Stelle der Schriftform treten. Die Schriftform soll umgekehrt nur noch als Ersatzform für die elektronische Form beibehalten werden. Soweit zivilrechtliche Schriftformerfordernisse fortgelten oder die Schriftform als Ersatzform gewählt wird, sollen digitale Technologien als Unterstützung und Brücken-Technologie eingesetzt werden können, soweit dies sachgerecht und angemessen ist.“[3]

Soweit davon ausgegangen werden muss, dass die Eckpunkte im Verordnungsentwurf noch keine Berücksichtigung[4] finden konnten, wird nachfolgend näher auf die Regelungsinhalte des Entwurfs (VO-E) eingegangen.

 

B. Im Einzelnen

Das Ziel einer möglichst medienbruchfreien Gestaltung der Führung der Tabellen über die angemeldeten Forderungen und damit der weiteren Digitalisierung der Justiz ist zu begrüßen. Jedoch enthält der Entwurf eine Reihe von Regelungen, die aus Sicht der Insolvenzpraktiker Fragen aufwerfen und der dringenden Nachbesserung bedürfen.

 

I. Vorbemerkung

Ausweislich der Entwurfsbegründung kommt eine „bundesweit einheitliche und gleichzeitige Einführung (…) wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen in den einzelnen Ländern nicht in Betracht.“[5]

Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass künftig unterschiedliche, ggf. auch widersprüchliche Verordnungen in den einzelnen Bundesländern zu berücksichtigen sind. Der Verordnungsentwurf weist bereits deutliche Unterschiede zur bestehenden Regelung in Nordrhein-Westfalen[6] (eTab InsO) auf.

Unterschiedliche (technische) Anforderungen, die in die Softwarelösungen der Kanzleien implementiert und dauerhaft gepflegt werden müssen, bedeuten stets einen erheblichen zusätzlichen Kosten- (und Personal)aufwand. Zudem erhöhen unterschiedliche Standards für die inhaltlich gleiche Tätigkeit die Fehleranfälligkeit.

 

II. Inhalte

1. Regelungsgegenstand und Begriff der maschinellen Tabelle

§ 1 VO-E

(1) Diese Verordnung regelt die Führung sowie die elektronische Einreichung der Tabellen über die angemeldeten Forderungen gemäß § 175 Insolvenzordnung in maschineller Form, im Folgenden maschinell geführte Tabelle genannt.

(2) Bei der maschinell geführten Tabelle ist der in den dafür bestimmten Datenspeicher aufgenommene und ab Forderungsprüfung gemäß § 178 Abs. 2 Insolvenzordnung auf Dauer unverändert in lesbarer Form wiedergabefähige Inhalt des Tabellenblattes (§§ 175 Abs. 1, 174 Abs. 2 und 3, 178 Abs. 2 Insolvenzordnung) die Tabelle im Sinne von § 175 Insolvenzordnung.

§ 1 Abs. 2 definiert den Begriff der maschinell geführten Tabelle.

Unklar ist jedoch die Bestimmung des auf Dauer unverändert in lesbarer Form wiedergabefähigen Inhalts des Tabellenblattes. Wir gehen davon aus, dass damit zunächst eine revisionssichere Speicherung[7] gemeint ist.

Fraglich ist auch die Begrifflichkeit der „lesbaren Form“ im Hinblick darauf, für wen der Inhalt lesbar sein muss. Dies könnte dahingehend interpretiert werden, dass zwingend eine optische Zeichenerkennung für (Scan-)Dokumente durchgeführt werden muss.

Die Entwurfsbegründung hilft an dieser Stelle nicht weiter und führt – ohne weitere Begründung – lediglich aus, dass eine Speicherung als PDF nicht die Tabelle in maschineller Form sei.[8]

Hier bedarf es dringend einer Klarstellung: Das PDF-Format ist eine Container-Struktur, die jegliche Form von Daten enthalten kann. PDF-Dateien werden international verwendet, um sowohl binäre als auch textuelle Daten gemeinsam in einer strukturierten Form in einer Datei (PDF) zusammenzufassen.

 

2. Führung der Tabellen in maschineller Form

§ 2 VO-E

(1) In allen Verfahren, die ab dem Inkrafttreten dieser Verordnung eröffnet werden, werden die Tabellen über die angemeldeten Forderungen gemäß § 175 Insolvenzordnung ab dem Zeitpunkt der jeweiligen Einführung der elektronischen Akte bei den Insolvenzgerichten in maschineller Form gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 Insolvenzordnung gemäß den Bestimmungen dieser Verordnung geführt.

(2) Bei der Führung der Tabelle in maschineller Form muss gewährleistet sein, dass

  1. die Grundsätze der ordnungsgemäßen Datenverarbeitung eingehalten, insbesondere Vorkehrungen gegen Datenverlust getroffen sowie die erforderlichen Kopien der Datenbestände mindestens tagesaktuell gehalten und die originären Datenbestände sowie deren Kopien sicher aufbewahrt werden,
  1. zur Niederlegung gemäß § 175 Abs. 1 Satz 2 Insolvenzordnung die bis zu diesem Zeitpunkt von dem Insolvenzverwalter geführte Tabelle in einen Datenspeicher aufgenommen wird und ab Forderungsprüfung gemäß § 178 Abs. 2 Insolvenzordnung für die Dauer der Aufbewahrung inhaltlich unverändert in lesbarer Form wiedergegeben werden kann und
  1. die gemäß den Artikeln 24, 25 und 32 der Verordnung (EU) 2016/679 erforderlichen Anforderungen erfüllt sind, soweit es um personenbezogene Daten geht.

Ausweislich der Entwurfsbegründung regelt § 2 die Führung der Tabellen über angemeldete Forderungen gemäß § 175 InsO in maschineller Form durch die Insolvenzgerichte.[9] Wir gehen daher davon aus, dass die genannten Anforderungen (ausschließlich) die Insolvenzgerichte betreffen, nicht aber die Insolvenzverwalter:

 

a) § 2 Abs. 1 VO-E

An dieser Stelle fehlt eine Klarstellung, in welcher Form die Tabellen geführt werden, die bei Inkrafttreten der Verordnung bereits bei Gericht angelegt sind.

So könnte in Absatz 1 aufgenommen werden, dass Insolvenztabellen, die zum vorgenannten Zeitpunkt bereits bei Gericht angelegt sind, in der bisherigen Form weitergeführt werden.[10]

 

b) § 2 Abs. 2 VO-E
aa) § 2 Abs. 2 Nr. 1 VO-E

(1)

Die Formulierung in Abs. 2 Nr. 1, wonach zu gewährleisten ist, dass die Grundsätze ordnungsgemäßer Datenverarbeitung eingehalten werden, wirft die Frage auf, ob damit die Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten des Art. 5 Abs. 1 DSGVO bzw. die Allgemeinen Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten nach § 47 BDSG gemeint sind. Dies auch vor dem Hintergrund, dass in Abs. 2 Nr. 3 explizit auf Regelungen der DSGVO Bezug genommen wird.

(2)

Der Entwurf spricht in Abs. 2 Nr. 1 originäre Datenbestände an, die sicher aufzubewahren sind. Unklar bleibt, ob damit die ursprünglich in Papierform vorliegenden Datenbestände gemeint sind. Sofern dies der Fall sein sollte, erschließt sich nicht, weshalb hiervon wiederum Kopien vorgehalten werden sollen.

Eine Klarstellung zu Ziff. (1) und (2) wäre hilfreich.

 

bb) § 2 Abs. 2 Nr. 2 VO-E

§ 2 Abs. 2 Nr. 2 spricht, wie auch § 1 Abs. 2 VO-E, von einer Aufnahme in einen Datenspeicher. Hier fehlt es an einer Konkretisierung. So stellt sich insbesondere die Frage, ab wann von einer (vollständigen) Aufnahme in den Datenspeicher auszugehen ist.

Welche Form der Aufbewahrung der Entwurf voraussetzt (Tresor, Datentresor, anderer Ort, Cloud etc.) bleibt ebenfalls offen.

 

cc) § 2 Abs. 2 Nr. 3 VO-E

Da praktisch in allen Insolvenzverfahren personenbezogene Daten verarbeitet werden, wäre eine generische Regelung zu Cloud-Verwendungen sinnvoll.

 

dd) 2 Abs. 2 Nr. 4 VO-E (neu)

§ 2 Abs. 2 sollte unter Nr. 4 (neu) um folgenden Zusatz ergänzt werden: „jederzeit ein Ausdruck der gesamten Tabelle oder einzelner Tabellenblätter in Papierform möglich ist.“

Die Regelung gewährleistet, dass auch Gläubigern, denen elektronische Kommunikationswege nicht zur Verfügung stehen, entsprechende Tabellenauszüge erteilt werden können. Zudem kann dadurch im Notfall die Durchführung eines Prüfungstermins bei technischen Störungen sichergestellt werden.

Die vorgeschlagene Regelung könnte auch im nachfolgenden § 3 VO-E aufgenommen werden.

 

3. Gestaltung der maschinell geführten Tabelle

§ 3 VO-E

Der Inhalt der maschinell geführten Tabelle muss auf dem Bildschirm und in Ausdrucken sowie als elektronisches Dokument im Format PDF/A sichtbar gemacht werden können.

Die Entwurfsbegründung spricht davon, dass aus Standardisierungsgründen, „aber auch, weil das genutzte e-Akte-System Dokumente im PDF-Format ablegt, (…) der Standard PDF/A gewählt [wurde][11].

Der Hinweis auf einen PDF/A-Standard sollte vor dem Hintergrund, dass es aktuell PDF/A-1 bis A-4 in jeweils auch unterschiedlichen Varianten gibt, weiter konkretisiert werden.

 

4. Technische Anforderungen an elektronische Dokumente und die Einreichung in Papierform vorliegender Anmeldeunterlagen

§ 4 VO-E

(1) Die Tabellen über die angemeldeten Forderungen gemäß § 175 Insolvenzordnung sind im Dateiformat „ITR“ gemäß der jeweils aktuell gültigen Schnittstellenbeschreibung für die Datenübernahme von Insolvenzverwaltern in gerichtliche Systeme zu übermitteln. Das Justizministerium oder eine von ihm beauftragte Stelle gibt auf der Internetseite www.justizportal.niedersachsen.de die technischen Standards bekannt.

(2) Gehen Forderungsanmeldungen in Papierform ein, sind diese durch den Insolvenzverwalter in die elektronische Form zu überführen. Sie sollen grundsätzlich in schwarz/weiß, mit 200 bis maximal 300 dpi und der Komprimierung CCITT/TSS Group 4 Fax gescannt werden. Die Originalunterlagen in Papier sind danach an das Insolvenzgericht zu übersenden.

(3) Die Forderungsanmeldungen sind pro Rang in einem elektronischen Dokument im Dateiformat PDF mit Lesezeichen, sortiert nach Rang/lfd. Nr./ggf. Unterziffer, beginnend mit der Forderungsanmeldung für jede laufende Nummer gemäß § 5 dieser Verordnung zu übermitteln. Die elektronischen Dokumente, die von den Gläubigern an den Verwalter übersandt wurden, sind nicht einzeln zu übermitteln. Das Lesezeichen soll die Angaben Rang/lfd. Nr./ggf. Unterziffer enthalten und auf jeder Seite oben rechts textuell sichtbar sein. Unterziffern sind sortiert nach der Forderungs-ID zu vergeben. Der Name des elektronischen Dokuments muss den Rang und den Nummernkreis enthalten.

(4) Entsprechen die elektronischen Dokumente den zwingenden Anforderungen dieser Verordnung nicht oder sind sie zur Bearbeitung durch das Gericht nicht geeignet, so liegt kein wirksamer Eingang vor.

Die Regelung legt die Art und Weise, insbesondere die technischen Details der Einreichungen der Tabelle durch den Insolvenzverwalter fest.[12]

 

a) § 4 Abs. 1 VO-E (Tabellen über die angemeldeten Forderungen)
aa) 4 Abs. 1 Satz 1 VO-E (Dateiformat)

Die Regelung sieht vor, dass die Tabellen über die angemeldeten Forderungen gemäß § 175 InsO ausschließlich im Dateiformat ITR von Insolvenzverwaltern in die gerichtlichen Systeme zu übermitteln sind.

Auch wenn eine Verengung der Dateiformate auf „ITR“ die Entwicklungen der Praxis aufnimmt, sollte die Verordnung offener auch für andere Formate sein. In Anlehnung an § 2 Abs. 1 eTab InsO-NRW sollte die Regelung lauten:

„Die Insolvenztabellen sind als strukturierter maschinenlesbarer Datensatz in den Dateiformaten „XML“, „Tab“ oder „ITR“ zu übermitteln und müssen den nach S. 2 bekanntgemachten Definitions- oder Schemadateien entsprechen.“

 

bb) § 4 Abs. 1 Satz 2 VO-E (Schnittstellen)

§ 4 Abs. 1 Satz 2 VO-E verweist auf technische Standards der Übermittlung.

Die Entwurfsbegründung führt dazu aus: „Die Regelung bestimmt das Dateiformat und nimmt Bezug auf die jeweils aktuell gültigen Schnittstellenbeschreibungen, die auf dem Bundes- und Landesjustizportal bekannt gemacht werden. (…) Die Schnittstelle ist bereits in der Vergangenheit für die Übermittlung der Tabelle genutzt worden.“[13]

Aus dem Bereich der IT-Dienstleister für Insolvenzverwalterkanzleien erreichte uns dazu folgender Hinweis:

Die bekannten Schnittstellen – sowohl „ITR“ als auch „TAB“ – sind unidirektional. Sie enthalten weder Mechanismen zur Korrektur noch zur Nachmeldung.

An dieser Stelle zeigt sich die Diskrepanz zwischen der gesetzlichen Regelung und der tatsächlichen Praxis. Gemäß § 176 InsO werden die angemeldeten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach im Prüfungstermin geprüft. In der Praxis prüft im Vorfeld jedoch bereits der Insolvenzverwalter; im Prüfungstermin wird diese Prüfung vielfach nur „bestätigt“ bzw. werden strittige Vorgänge geklärt. Da im Rahmen der Datenübermittlung via „ITR“ oder „TAB“ jedoch Prüfungsdaten vom Insolvenzverwalter übermittelt werden, wird dadurch ein Bearbeitungsschema abgebildet, das es akademisch nicht geben kann (die Prüfung erfolgt im Prüfungstermin), das in der Praxis jedoch der Norm entspricht (die Prüfung erfolgt beim Verwalter).

Ergänzende Anmerkung:

Solange es keinen fixierten und revisionssicheren Datenfluss gab, war diese Diskrepanz zwischen Gesetz und Praxis unproblematisch. Durch die neue Spezifikation entsteht hier jedoch ein Problem. Es existiert keinerlei Standard oder Mechanismus für eine Rückmeldung der Gerichte (abweichende Prüfung im Prüfungstermin) zum Insolvenzverwalter (z.B. auch wegen abweichender Interpretation/Lesung eingescannter Unterlagen) und es existiert kein Mechanismus für die Änderung revisionssicher gespeicherter Vorgänge (Storno?).

 

b) § 4 Abs. 2 VO-E (Umgang mit Forderungsanmeldungen in Papierform)

Die Regelung zum Umgang mit Forderungsanmeldungen in Papierform zeigt besonders deutlich, an welcher Stelle die aktuellen politischen Entwicklungen[14] den vorliegenden Verordnungsentwurf überholen. So sieht das o.g. Eckpunktepapier der Bundesregierung für ein weiteres Bürokratieentlastungsgesetz bspw. vor, dass es künftig u.a. möglich sein soll, die schriftliche Kündigung eines Mietverhältnisses mit einem Smartphone zu fotografieren und diese elektronische Kopie dem Erklärungsempfänger zu übersenden.[15] Wenn Forderungsanmeldungen in elektronischer Textform (Handyfoto?) eingereicht werden können, dann müssen sie künftig auch in dieser Form an die Gerichte weitergereicht werden können.

 

Im Einzelnen:

aa) § 4 Abs. 2 Satz 1 VO-E (Überführung durch den Insolvenzverwalter)

§ 4 Abs. 2 Satz 1 VO-E sieht vor, dass in Papierform eingegangene Forderungsanmeldungen durch den Insolvenzverwalter in die elektronische Form zu überführen sind.

Damit wird eine (neue) Aufgabe für Insolvenzverwalter geregelt. Fraglich ist zunächst, ob dies von der Ermächtigungsgrundlage des § 5 Abs. 4 Satz 2 bis 4 InsO gedeckt ist. Die rechtliche Grundlage für die Landesregierungen bzw. die Landesjustizverwaltungen schafft § 5 Abs. 4 Satz 2 bis 4 InsO, der (lediglich) vorsieht, dass durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen über

  • die Führung der Tabellen und Verzeichnisse,
  • ihre elektronische Einreichung sowie
  • die elektronische Einreichung der dazugehörigen Dokumente und
  • deren Aufbewahrung

getroffen werden können, wobei auch

  • Vorgaben für die Datenformate der elektronischen Einreichung

gemacht werden können.

Unterstellt, § 5 Abs. 4 Satz 2 bis 4 InsO enthält auch für die vorgesehene Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 1 VO-E eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage[16], ergeben sich zur Regelung selbst jedoch eine Vielzahl von Fragen.

Die Entwurfsbegründung führt zu § 4 Abs. 2 Satz 1 VO-E aus:

Um bei Gericht medienbruchfrei die Ergebnisse der Forderungsanmeldungen verarbeiten zu können, wird von der Möglichkeit, auch die elektronische Einreichung der dazugehörigen Dokumente der Forderungsanmeldung zu treffen, Gebrauch gemacht. Die ohnehin elektronisch eingereichten Unterlagen werden daher elektronisch weitergereicht; die schriftlich eingereichten Unterlagen sind durch den Insolvenzverwalter einzuscannen.“[17]

Auch wenn nachvollziehbar ist, dass die Justiz eine Überführungsverpflichtung[18] für die Insolvenzverwalter für notwendig hält, bleibt der daraus resultierende Personal- und Kostenaufwand für die Verwalterkanzleien bislang gänzlich unberücksichtigt.

Neben dem für Scanarbeiten einzusetzendem Personal ist die Vorhaltung und Wartung von Geräten notwendig, die neben einer ausreichend großen Dokumentenzufuhr auch über eine schnelle Scangeschwindigkeit und die Möglichkeit des Scannens auch anderer Objekte, wie bspw. Fotos, verfügen. Ebenso ist die Vorhaltung entsprechender Speicherkapazitäten erforderlich.

Dieser Personal- und Kostenaufwand findet in anderen Regelwerken bereits Berücksichtigung:

So regelt § 7 Abs. 3 JVEG, dass für die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien anstelle der in Absatz 2 genannten Kopien und Ausdrucke 1,50 Euro je Datei ersetzt werden. Für die in einem Arbeitsgang überlassenen oder in einem Arbeitsgang auf denselben Datenträger übertragenen Dokumente werden höchstens 5 Euro ersetzt.

Ähnliches gilt für die Auslagen der Notare (vgl. 32002 der Anlage 1 zu § 3 Absatz 2 Gerichts- und Notarkostengesetz): „Dokumentenpauschale für die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien oder deren Bereitstellung zum Abruf anstelle der in den Nummern 32000 und 32001 genannten Dokumente ohne Rücksicht auf die Größe der Vorlage: je Datei 1,50 €; für die in einem Arbeitsgang überlassenen, bereitgestellten oder in einem Arbeitsgang auf denselben Datenträger übertragenen Dokumente insgesamt höchstens 5,00 €. Werden zum Zweck der Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien Dokumente zuvor auf Antrag von der Papierform in die elektronische Form übertragen, beträgt die Dokumentenpauschale nicht weniger, als die Dokumentenpauschale im Fall der Nummer 32000 für eine Schwarz-Weiß-Kopie betragen würde.“

Für den Fall einer Überführungsverpflichtung des Insolvenzverwalters ist zugleich eine angemessene Regelung zum Kostenersatz zu treffen.

 

bb) § 4 Abs. 2 Satz 2 VO-E (Vorgaben an das Scanformat)

Die Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 2 VO-E sieht vor, dass Forderungsanmeldungen grundsätzlich in schwarz/weiß, mit 200 bis maximal 300 dpi und der Komprimierung CCITT/TSS Group 4 Fax gescannt werden sollen.

„Die Vorgaben an das Scanformat“, so die Entwurfsbegründung, „soll ein Überschreiten der Mengenbegrenzung des EGVP bei der Übersendung und Performanceprobleme bei der Verarbeitung der Dokumente bei Gericht vorbeugen. Eine komprimierte Datenhaltung spart zudem Speicherressourcen.“ [19]

Auch wenn die Entwurfsbegründung nachvollziehbar erscheint, berücksichtigt sie die tatsächliche Praxis nur unzureichend. So sind Originale, wenn sie in schwarz/weiß gescannt werden, häufig schlecht bzw. gar nicht lesbar. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Originalpapier selbst farbig ist bzw. Durchschlagpapier genutzt wurde. In diesen Fällen ist ein Scan in Graustufen oder Farbe notwendig.[20] Zu beachten ist ebenfalls, dass andere Unterlagen ggf. qualitativ sehr hochwertig vorliegen, z.B. farbige Scans. An dieser Stelle gäbe es dann unterschiedliche Standards, je nachdem, ob es sich um vom Insolvenzverwalter eingescannte Unterlagen oder Fremdunterlagen handelt.

Zur Veranschaulichung möchten wir zudem auf Folgendes hinweisen:

Die schwarz/weiß-Vorgabe ermöglicht, ausweislich der Auskünfte eines IT-Dienstleisters für Insolvenzverwalterkanzleien, ein Maximum von ca. 450 Seiten (aktuell eher ca. 200 Seiten) pro Datenübermittlung. Dies entspricht, einhergehend mit der minderen Qualität der s/w-Scans, eher kleinen, bis maximal mittleren Verfahren mit höchstens 30-40 Gläubigern. Da derartige s/w-Scans qualitativ minderwertig sind, müssen die Verwalterkanzleien die Daten regelmäßig höherwertig für die eigene Nutzung einscannen. Da die Scans jedoch revisionssicher gespeichert werden müssen, können sie vor dem Versand nicht umkopiert werden, was wiederum bedeutet, dass die Kanzleien die Scans doppelt vorhalten müssen, einmal hochwertig und bestmöglich lesbar für die Eigenverwendung und einmal – offenbar unabhängig von der Lesbarkeit – minderwertig für den Gerichtsversand.

Aus dem Bereich der IT-Dienstleister für Insolvenzverwalterkanzleien erreichte uns zudem folgender Hinweis: Die CCITT/TSS Group 4 Kompression wurde zwar im ITU-T T.6 Fax-Standard definiert, hat jedoch schon seit geraumer Zeit nichts mehr grundsätzlich mit Telefaxen zu tun. Damit wird lediglich ein Kompressionsverfahren als solches beschrieben; es wird jedoch nicht definiert, welches Dateiformat verwendet werden soll. Die am weitesten verbreiteten Formate, die diese Kompression unterstützen, dürften TIFF und PDF sein. Auch an dieser Stelle wäre eine Klarstellung hilfreich.

 

cc) § 4 Abs. 2 Satz 3 VO-E (Übersendung von Papierunterlagen)

Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 VO-E sind die Originalunterlagen in Papier nach dem Scannen an das Insolvenzgericht zu übersenden.

Als Begründung findet sich dazu: „Da der Scanprozess bei den Insolvenzverwaltern nicht den Anforderungen „BSI TR-03138 Ersetzendes Scannen (RESISCAN)“ entspricht, sind die schriftlich eingereichten Forderungsanmeldungen parallel in Papierform dem Gericht zu übersenden, dass diese für die Nachprüfbarkeit aufbewahrt bzw. ggf. selbst nach TR-RESISCAN digitalisiert.“[21]

Die Regelung stellt nicht nur einen Medienbruch im Kommunikationsweg zwischen Insolvenzverwaltern und Gerichten dar, sondern verursacht erheblichen Zusatzaufwand.

Dabei handelt es sich nicht nur um den Aufwand des Insolvenzverwalters im Hinblick auf die Übersendung der Papierunterlagen, sondern insbesondere um dessen Scanaufwand.

Soweit die Entwurfsbegründung bereits jetzt davon ausgeht, dass die Scans des Insolvenzverwalters nicht den Anforderungen „BSI TR-03138 Ersetzendes Scannen (RESISCAN)“ genügen, stellt sich die Frage, ob es sich hier um eine „Arbeitsbeschaffungsmaßnahme“ für Insolvenzverwalter handeln soll, zumal das Gericht ausweislich der Entwurfsbegründung die schriftlich eingereichten Forderungsanmeldungen ggf. erneut scannt.[22]

Auch lägen in diesem Fall zwei Scans der in Papierform eingereichten Anmeldeunterlagen vor (einmal durch das Gericht/ einmal durch den Insolvenzverwalter), womit es dann zwei „Original-Scans“ gäbe. Zu klären wäre, welches dieser beiden Originale als „echt“ anzusehen ist. Dies ist auch vor dem Hintergrund klärungsbedürftig, dass der Gerichtsscan ggf. zeitlich deutlich später erfolgt und damit möglicherweise qualitativ minderwertiger ist (Alterung von Durchschlägen). Ferner stellt sich die Frage, wie mit fehlenden/hinzugekommenen Seiten bzw. zusätzlichen Anmerkungen auf dem Papier umzugehen ist.

Fraglich ist zudem, wie in diesem Zusammenhang die Regelung des § 2 Abs. 2 Nr. 1 VO-E im Hinblick auf die sichere Aufbewahrung „originärer Datenbestände“ durch das Gericht zu verstehen ist.

Praktikabler wäre daher folgende Regelung: „Soweit mit den Insolvenztabellendaten zugehörige Dokumente an das Gericht übermittelt werden, reicht eine elektronische Übermittlung aus. Ausgenommen hiervon sind von Gläubigern vorgelegte Originaltitel.“

Dies wäre auch vor dem Hintergrund vorzugswürdig, dass vom Insolvenzverwalter lediglich weitergeleitete elektronische Dokumente den genannten Resiscan-Anforderungen ebenfalls nicht genügen. Fraglich ist auch, ob § 174 Abs. 4 InsO überhaupt Raum für besondere Form-anforderungen gibt.

Die Ausnahme von der nur digitalen Übermittlung für Originaltitel ist erforderlich, weil anderenfalls das Privileg des § 179 Abs. 2 InsO nicht zur Anwendung kommt.[23]

 

c) § 4 Abs. 3 VO-E (Anforderungen an Forderungsanmeldungen)

§ 4 Abs. 3 VO-E regelt die Anforderungen an die Sortierung, Nummerierung und Übermittlung der Forderungsanmeldungen.

Danach sind die Forderungsanmeldungen „pro Rang in einem elektronischen Dokument im Dateiformat PDF mit Lesezeichen, sortiert nach Rang/lfd. Nr./ggf. Unterziffer, beginnend mit der Forderungsanmeldung für jede laufende Nummer gemäß § 5 dieser Verordnung zu übermitteln. Die elektronischen Dokumente, die von den Gläubigern an den Verwalter übersandt wurden, sind nicht einzeln zu übermitteln.“

Die Entwurfsbegründung führt dazu aus, dass „(…) [der] Insolvenzverwalter die einzelnen Forderungsanmeldungen, die elektronisch eingegangen sind oder nach § 4 Abs. 2 dieser Rechtsverordnung eingescannt wurden, pro Rang in eine Sammel-PDF überführt und entsprechend den Regelungen sortiert und nummeriert. (…) Dem Insolvenzverwalter wird zudem zur Pflicht gemacht, bei der Dokumentenbenennung des Sammel-PDFs einen einheitlichen sprechenden Namen zu wählen, nämlich Rang und Nummernkreis, um ein ressourcenintensives händisches oder KI-gestütztes Umbenennen bei Gericht zu vermeiden. “[24]

Diese Regelung wirft eine Vielzahl von Fragen auf. Zunächst fehlt es an einer Klarstellung, wie das Format einer solchen Sammel-PDF auszusehen hat (Wird ein PDF erstellt, das die einzelnen PDF-Anmeldungen als Anhänge enthält, wobei das Kerndokument des PDFs nur ein Inhaltsverzeichnis enthält, oder werden alle PDF-Dateien zu einem sehr langen Gesamt-PDF verkettet? In letzterem Fall: Wie werden die einzelnen PDFs eindeutig erkennbar voneinander separiert?). Völlig offen ist derzeit, welche Kosten in diesem Zusammenhang für etwaige Software(-updates) für die Insolvenzverwalterkanzleien anfallen.

Im Hinblick auf die Dokumentenbenennung des Sammel-PDFs sei nochmals darauf verwiesen, dass hier eine bundesweit einheitliche Regelung hilfreich wäre.

§ 4 Abs. 3 VO-E regelt ferner: „Das Lesezeichen soll die Angaben Rang/lfd. Nr./ggf. Unterziffer enthalten und auf jeder Seite oben rechts textuell sichtbar sein. Unterziffern sind sortiert nach der Forderungs-ID zu vergeben. Der Name des elektronischen Dokuments muss den Rang und den Nummernkreis enthalten.“

Hierbei handelt es sich um eine (weitere) Anforderung, die Aufwand auslöst und in Nordrhein-Westfalen (eTabInsO) nicht gefordert wird. Grundsätzlich sollten manuell initiierte Eingriffe nicht notwendig werden.

Wir gehen davon aus, dass mit „Lesezeichen“ eine Verknüpfungsart / PDF-Funktion gemeint ist, die jedoch nur im Rahmen kostenpflichtiger Programme, wie bspw. „Adobe Acrobat Pro“, zur Verfügung steht.

Fraglich ist auch, wie mit elektronischen Dokumenten umzugehen ist, wenn an der genannten Position („auf jeder Seite oben rechts“) bereits Nutzdaten vorhanden sind.

 

d) § 4 Abs. 4 VO-E (Rechtsfolgen)

Gemäß § 4 Abs. 4 VO-E liegt kein wirksamer Eingang vor, wenn die elektronischen Dokumente den zwingenden Anforderungen dieser Verordnung nicht entsprechen oder zur Bearbeitung durch das Gericht nicht geeignet sind.

Diese Rechtsfolge wurde vorgesehen, um sicherzustellen, dass der Insolvenzverwalter die in § 4 definierten, zwingenden Anforderungen einhält und beschränkt diese, so die Entwurfsbegründung, auf wenige Standards. Die Regelungen sind, so die Begründung weiter, „die Konsequenz aus der bisherigen Erfahrung mit elektronischen Einreichungen, deren uneinheitliche Benennung zu erheblichen Aufwänden bei der Eingangsverarbeitung durch die Gerichte führt.“[25]

Unklar bleibt, wer wann (verbindlich) feststellt, dass/ob die Einreichung wirksam war, ebenso, wer Ansprechpartner bei Problemen ist und ob Rechtmittel vorgesehen sind.

Aus dem Bereich der IT-Dienstleister für Insolvenzverwalterkanzleien erreichte uns ergänzend folgender Hinweis:

Diese wenigen Standards sind nicht eindeutig benannt, nicht bundeseinheitlich (ITR/TAB), nicht zukunftsträchtig (weder ITR noch TAB) und nicht bidirektional (notwendige Rückmeldung bei Prüfungen); zudem fehlt ein Nachmeldestandard. Ein essentieller Nachteil ist eine fehlende Versionierung, d.h. wenn ein neuer oder erweiterter Standard erscheint, ist es nicht möglich, im Rahmen eines Handshake-Verfahrens festzustellen, welcher Standard von den Beteiligten verwendet wird bzw. verwendet werden soll.

 

5. Elektronische Einreichung der Tabellen sowie Anmeldeunterlagen

§ 5 VO-E

(1) Die Tabellen und die Anmeldeunterlagen in Form des § 4 Abs. 1 und 3 dieser Verordnung sind ausschließlich wie folgt zu übermitteln:

  1. auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a Abs. 4 Zivilprozessordnung oder
  1. jeweils mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen an das für den Empfang elektronischer Dokumente eingerichtete Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach des Gerichts über eine Anwendung, die auf OSCI oder einem diesen ersetzenden, dem jeweiligen Stand der Technik entsprechenden Protokollstandard beruht.

(2) Können die Tabellen und die Anmeldeunterlagen in Form des § 4 Abs. 1 und 3 über den in § 5 Abs. 1 dieser Verordnung genannten Übermittlungsweg nicht übermittelt werden, gelten § 4 Abs. 1 und Abs. 2 der Niedersächsischen Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Justiz entsprechend. Als Datenträger kann alternativ ein USB-Stick verwendet werden. Bei Überschreitung der Dokumentenanzahl und Volumengrenzen nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 der Niedersächsischen Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Justiz ist eine Ersatzeinreichung nur zulässig, wenn die unter § 4 Abs. 2 Satz 1 und 2 dieser Verordnung genannten Vorgaben für das Scannen vollständig eingehalten wurden und die Volumengrenze trotzdem überschritten wird. Die Voraussetzungen an die Führung und Einreichung der maschinell geführten Tabelle sind auch im Falle der Ersatzeinreichung einzuhalten, soweit sie nicht den Vorgang der elektronischen Übermittlung betreffen.

 

a) § 5 Abs. 1 VO-E (Übermittlung)

Im Hinblick auf die Formulierung „Anmeldeunterlagen“ sollte zunächst klargestellt werden, ob damit die gesamten Forderungsanmeldungen inklusive aller Nachweise gemeint sind.

 

aa) § 5 Abs. 1 Nr. 1 VO-E (sicherer Übermittlungsweg)

Für die Übermittlung der Tabellen und Anmeldeunterlagen sind zwei Alternativen vorgesehen. Die Übermittlung auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a Abs. 4 ZPO dürfte dabei in der Praxis den Standard darstellen. D.h. eine Übermittlung erfolgt entweder per beA (§ 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO) oder per eBO (§ 130a Abs. 4 Nr. 4 ZPO).

 

bb) § 5 Abs. 1 Nr. 2 VO-E (qualifizierte elektronische Signatur)

Die Übermittlung der Tabellen und Anmeldeunterlagen an das EGVP des Gerichts jeweils mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen betrifft danach nur die Fälle, in denen kein sicherer Übermittlungsweg i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 VO-E genutzt wird.

So verweist die Entwurfsbegründung zu § 5 Abs. 1 VO-E zwar darauf, dass eine Anlehnung an die Regelungen des § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO erfolgt, eine qualifizierte elektronische Signatur jedoch lediglich bei der Alternative der Nutzung des EGVP des Gerichts (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 VO-E) erforderlich ist.[26]

Fraglich ist jedoch, wie in diesen Fällen die Bezeichnung „jeweils“ auszulegen ist. Nach dem Wortlaut käme ein Verständnis dahingehend in Frage, dass es sich entweder auf den Übermittlungsvorgang als solchen oder auf die Tabelle und die (zusammengefassten) Anmeldeunterlagen bezieht. Hier ist, auch vor dem Hintergrund der Prüfung, ob etwaige Containersignaturen zulässig sind, eine Klarstellung geboten.

 

b) § 5 Abs. 2 VO-E (Ausnahmeregelungen)

(2) Können die Tabellen und die Anmeldeunterlagen in Form des § 4 Abs. 1 und 3 über den in § 5 Abs. 1 dieser Verordnung genannten Übermittlungsweg nicht übermittelt werden, gelten § 4 Abs. 1 und Abs. 2 der Niedersächsischen Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Justiz entsprechend. Als Datenträger kann alternativ ein USB-Stick verwendet werden. Bei Überschreitung der Dokumentenanzahl und Volumengrenzen nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 der Niedersächsischen Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Justiz ist eine Ersatzeinreichung nur zulässig, wenn die unter § 4 Abs. 2 Satz 1 und 2 dieser Verordnung genannten Vorgaben für das Scannen vollständig eingehalten wurden und die Volumengrenze trotzdem überschritten wird. Die Voraussetzungen an die Führung und Einreichung der maschinell geführten Tabelle sind auch im Falle der Ersatzeinreichung einzuhalten, soweit sie nicht den Vorgang der elektronischen Übermittlung betreffen.

Die Regelung bestimmt, ab wann und in welcher Form eine Ersatzeinreichung durch den Insolvenzverwalter möglich ist. Dies ist, so die Entwurfsbegründung, notwendig, um bei Überschreitung der aktuellen Mengenbegrenzung auf 200 MB eine rechtskonforme Ersatzeinreichung zu ermöglichen. Zudem ist, so die Begründung weiter, „eine elektronische Übermittlung von Dokumenten und strukturierten Daten nur dann möglich, wenn die Empfangseinrichtung einsatzbereit ist. Hier können sich Störungen verschiedenster Art ergeben.“ [27] Dass der Insolvenzverwalter bei technischen Hindernissen die Dokumente ausnahmsweise auf einem Datenträger wie bspw. einer CD, DVD oder einem USB-Stick[28] einreichen kann, ist grundsätzlich begrüßenswert. Die genannte Mengenbegrenzung, aber auch das Auftreten technischer Störungen könnte in der Praxis gerade in (Massen-)Insolvenzverfahren durchaus häufig Probleme bereiten.

Wir weisen allerdings darauf hin, dass die Gerichte bei Verwendung externer Datenträger geeignete Sicherungsvorkehrungen treffen müssen, um eine Infizierung mit Schadsoftware zu verhindern.

Aus dem Bereich der IT-Dienstleister für Insolvenzverwalterkanzleien erreichte uns ergänzend folgender Hinweis:

Die aktuell 200 MB entsprechen nicht dem tatsächlich möglichen maximalen Datenvolumen, denn die Daten müssen für den Transport umkodiert werden, wodurch ein Nutzvolumen zwischen 70-75% (also ca. 140-150 MB) für eine Übertragung übrigbleibt. Eine Schwarzweißseite hat ca. 300 kB, eine Farbseite ca. 1 MB. Entsprechend können auf diesem Wege maximal 400-500 Seiten S/W übertragen werden.

 

6. Elektronische Signatur

§ 6 VO-E

Bei der maschinell geführten Tabelle werden alle Tabellenblattnummern der geprüften Forderungen in einer Textdatei aufgelistet, die qualifiziert elektronisch von dem zuständigen Organ der Rechtspflege zu signieren ist. Berichtigungen sind in entsprechender Vorgehensweise gesondert qualifiziert elektronisch von dem zuständigen Organ der Rechtspflege zu signieren. Die Text- und die Signaturdatei werden Bestandteil der maschinell geführten Tabelle.

Auch wenn sich die Regelung auf die Führung der Tabelle in maschineller Form bei Gericht bezieht und bestimmt, in welcher Weise die Gerichte die Forderungsprüfung im Zusammenspiel mit der maschinell geführten Tabelle umsetzen[29], stellen sich aus Sicht der Insolvenzverwalterpraxis und ihrer IT-Dienstleister Fragen.

 

a) Textdatei

Textdateien können nicht signiert werden, denn es sind – nur – Textdateien. Signierbare Dateien sind jeweils Container, die zusätzlich eine Signaturkomponente enthalten. Fraglich ist daher, welche Art einer elektronischen Signatur gemeint ist. Unklar ist ferner, ob an dieser Stelle Revisionssicherheit gefordert ist bzw. wer (wo) diese Daten speichert.

 

b) Signatur

Im Hinblick auf das Anbringen der Signatur durch den Richter bzw. Rechtspfleger[30] stellt sich die Frage, wo die Signatur angebracht wird. Ohne eine spezielle Signatur-Infrastruktur können nur PDF-Dateien signiert werden.

Fraglich wäre dann, welche PDF-Datei signiert wird. Die eingereichte Datei ist ein Original und kann als revisionssicheres Original (z.B. PDF/A-2) nicht bearbeitet werden, d.h. auch nicht signiert werden. Um eine Signatur anzubringen, muss die Originärität der PDF-Datei aufgebrochen werden (das PDF muss in den bearbeiten-Modus gewechselt werden, wodurch es eben kein PDF/A mehr ist). Dann kann dieses PDF durch Richter bzw. Rechtspfleger signiert und neu als PDF/A-2 gespeichert werden. Dies ist dann jedoch per Definition ein anderes Dokument als das ursprüngliche. Eine Gleichheit der Dokumente ist nicht gewährleistet.

Umgehen ließe sich diese Problematik (nur), indem man das ursprüngliche PDF in seiner Form belässt und es als Anhang einem vom Richter bzw. Rechtspfleger neu erstellten und signierten PDF beifügt. Damit ist das ursprüngliche PDF, also der informatorisch wichtige Inhalt, jedoch nicht mehr im direkten Zugriff nach dem Öffnen der PDF-Datei vorhanden, sondern muss aus diesem als Anhang extrahiert und zusätzlich geöffnet werden.

 

7. Unveränderlichkeit der Daten

§ 7 VO-E

Nach der Signatur ist technisch sicherzustellen, dass der die Signatur betreffende Teil der maschinell geführten Tabelle unveränderlich gespeichert wird.

Die Regelung gibt vor, dass eine unveränderliche Speicherung auch der Signatur seitens der Gerichte technisch sicherzustellen ist und die Aufbewahrungsfristen für die maschinell geführte Tabelle eine 30-jährige Speicherung erfordern.[31]

Für den Bereich der IT-Dienstleister wirft die Formulierung der unveränderlichen Speicherung Fragen auf. Eine unveränderliche Speicherung setzt danach voraus, dass die Daten auf einem nicht änderbaren Medium abgelegt werden. Aktuell kämen dafür nur optische Medien in Frage. Die Langzeitstabilität solcher Medien sei indes – selbst bei fachgerechter Lagerung – final noch nicht geklärt. Vor einigen Jahren habe sich gezeigt, dass die organischen Bestandteile von DVDs und CDs anfällig für bakteriellen Fraß seien. Unabhängig von der Art des verwendeten Archiv-Datenträgers müsse eine sachgerechte Lagerung und zyklische Überprüfung gewährleistet werden.[32]

Ergänzende Anmerkung:

Im Hinblick auf die angebrachte Signatur stellt sich die Frage, ob/wie im Fall einer Änderung des Prüfergebnisses (z.B. nachträgliche Rücknahme oder Anerkennung) auch die Änderungseintragung signiert werden muss.

 

8. Aufbewahrung

§ 8 VO-E

Die maschinell geführte Tabelle ist entsprechend den Fristen der Verordnung über die Aufbewahrung und Speicherung von Justizakten zu speichern. Innerhalb dieser Speicherungsfrist muss ein Zugriff auf den Inhalt der maschinell geführten Tabelle möglich sein.

Die Regelung sieht den Zugriff auf den Inhalt der maschinell geführten Tabelle vor. Ein Zugriff auf die visualisierte Form reicht ausweislich der Entwurfsbegründung nicht aus, weil insoweit die Signaturen nicht nachvollzogen werden können.“[33]

Abgesehen von dem unter Ziffer 7. bereits angesprochenen Problem der Datenkorruption bei Langzeitlagerung bleibt unklar, für wen dieser Zugriff vorgesehen ist und wie schnell er möglich sein soll.

 

9. Niederlegung der maschinell geführten Tabelle

§ 9 VO-E

Die Niederlegung zur Einsicht der Beteiligten gemäß § 175 Abs. 1 Satz 2 Insolvenzordnung erfolgt durch die Ablage einer visualisierten Form der durch den Insolvenzverwalter übermittelten Tabellendaten und der Ablage der gemäß § 4 Abs. 3 dieser Verordnung eingereichten Forderungsanmeldungen in der elektronischen Akte.

Die Vorschrift sieht vor, dass die Ablage der visualisierten Form der übermittelten Tabellendaten der Niederlegung entspricht.[34] Die Bezugnahme auf die Ablage in der elektronischen Akte soll Beteiligten ermöglichen, zukünftig online über das Akteneinsichtsportal Einsicht in die Tabellendaten nehmen zu können.

Im Hinblick auf die Formulierung „visualisierte Form“ der durch den Insolvenzverwalter übermittelten Tabellendaten wäre eine Klarstellung hilfreich, in welcher Form eine solche vorliegend gegeben ist.

Zur Niederlegung der Tabelle sollte dringend eine Regelung für die Einsichtnahme durch Beteiligte ergänzt werden. So regelt § 4 eTab InsO-NRW diesen Punkt wie folgt: „Die Einsicht nahme in die auf der Geschäftsstelle gemäß § 175 Absatz 1 der Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2866) in der jeweils geltenden Fassung ausgelegte elektronische Tabelle erfolgt elektronisch. Belangen der Informationssicherheit ist Rechnung zu tragen. Insbesondere darf bei der Einsichtnahme kein schreibender Zugriff auf Tabelle und Akte sowie kein Zugriff auf das Landesverwaltungsnetz möglich sein.“

 

10. Inkrafttreten

§ 10 VO-E

Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Verkündung in Kraft.

Es ist sicherzustellen, dass den Insolvenzverwaltern ausreichend Zeit für etwaig notwendige (System-)umstellungen eingeräumt wird. Für den Fall einer Überführungsverpflichtung des Insolvenzverwalters i.S.d. § 4 Abs. 4 VO-E ist zunächst grundsätzlich eine entsprechende Vergütungsregelung vorzusehen.

 

Berlin, 04.10.2023

Kontakt:

Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)
Am Zirkus 3

10117 Berlin
Tel.: 030/ 20 45 55 25

E-Mail: info@vid.de / Web: www.vid.de

 

[1] Anschreiben des Niedersächsischen Justizministeriums vom 29.08.2023, S. 2.

[2] Eckpunkte der Bundesregierung für ein weiteres Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) vom 30.08.2023, abrufbar unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/Eckpunkte/Eckpunkte_BuerokratieentlastungsG.html .

[3] A.a.O., S. 5.

[4] Zur Digitalisierung der Justiz siehe auch Presseberichterstattung über den erwarteten Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Justiz: https://www.lto.de/recht/justiz/j/referentenentwurf-bmj-digitalisierung-justiz-elektronischer-rechtsverkehr-vereinfachung/

[5] Vgl. Verordnungsentwurf, S. 3 (unter Begründung, A. Allgemeiner Teil).

[6] Verordnung über die elektronische Führung und Einreichung der Tabellen und Verzeichnisse sowie der dazugehörigen Dokumente in Insolvenzsachen im Land Nordrhein-Westfalen (eTabelle  Insolvenzordnung –  eTab InsO) idF vom 01.02.2022, abrufbar unter SGV Inhalt : Verordnung über die elektronische Führung und Einreichung der Tabellen und Verzeichnisse sowie der dazugehörigen Dokumente in Insolvenzsachen im Land Nordrhein-Westfalen (eTabelle Insolvenzordnung – eTab InsO)* | RECHT.NRW.DE .

[7] Vgl. dazu auch § 3 eTabInsO (NRW).

[8] Vgl. Verordnungsentwurf, S. 4 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).

[9] Vgl. Verordnungsentwurf, S. 5 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).

[10] Vgl. dazu auch § 1 Abs. 2 Satz 3 eTabInsO (NRW).

[11] Vgl. Verordnungsentwurf, S. 5 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).

[12] Vgl. Verordnungsentwurf, S. 5 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).

[13] Vgl. Verordnungsentwurf, S. 6 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).

[14] Vgl. Fn. 4 zum anstehenden Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Justiz.

[15] A.a.O. S. 5.

[16] Anders dagegen eTabInsO (NRW), die eine solche Verpflichtung nicht vorsieht.

[17] Vgl. Verordnungsentwurf, S. 6 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).

[18] Vgl. auch § 753 Abs. 6 ZPO-E des aktuellen Referentenentwurfs eines Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Zwangsvollstreckung, der die Überführung von in Papierform vorliegenden Schriftstücken in die elektronische Form zur Übermittlung an den Gerichtsvollzieher vorsieht  (RefE abrufbar unter: Digitalisierung_Zwangsvollstreckung_RefE.pdf (bmj.de)).

[19] Vgl. Verordnungsentwurf, S. 6 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).

[20] Problematisch ist dabei § 5 Abs. 2 Satz 3 VO-E, der eine Ersatzeinreichung nur als zulässig erachtet, wenn die genannten Scan-Vorgaben eingehalten sind.

[21] Vgl. Verordnungsentwurf, S. 6 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).

[22] Grundsätzlich dürfte sich der Dateimengenumfang bei einem Scan via TR-RESISCAN weiter erhöhen, was im Hinblick auf die Dateimengenbegrenzung zu beachten wäre.

[23] Vgl. BGH 01.12.2005 – IX ZR 95/04 Rn. 13; Sinz in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl., § 179 Rn. 24.

[24] Vgl. Verordnungsentwurf, S. 6 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).

[25] Vgl. Verordnungsentwurf, S. 6 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).

[26] Vgl. Verordnungsentwurf, S. 7 (unter Begründung, B. Besonderer Teil): „Bei Letzterem ist entsprechend § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 Zivilprozessordnung eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich. Hierdurch wird die Integrität und Authentizität der Einreichungen sichergestellt.“

[27] Vgl. Verordnungsentwurf, S. 7 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).

[28] Vgl. Verordnungsentwurf, S. 7 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).

[29] Vgl. Verordnungsentwurf, S. 7 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).

[30] Vgl. Verordnungsentwurf, S. 7 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).

[31] Vgl. Verordnungsentwurf, S. 8 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).

[32] Ausführlich zu elektronischen Daten als Beweismittel Koppel/Geiser in ZInsO 2023, 768 ff.

[33] Vgl. Verordnungsentwurf, S. 8 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).

[34] Vgl. Verordnungsentwurf, S. 8 (unter Begründung, B. Besonderer Teil).

 

RefE Leitentscheidungsverfahren

 A. Einleitung

Der vorliegende Referentenentwurf (nachfolgend: Entwurf bzw. RefE) soll der effizienten Erledigung von Massenverfahren im Zivilprozess dienen. Durch den Entwurf soll dem BGH die Möglichkeit eingeräumt werden, ein bei ihm anhängiges Verfahren als Leitentscheidungsverfahren zu bestimmen. Nach § 552b ZPO Ref-E kann diese Bestimmung erfolgen, wenn das Verfahren Rechtsfragen aufwirft, deren Entscheidung für eine Vielzahl anderer Verfahren von Bedeutung ist. Der Entwurf spricht in diesem Zusammenhang von Massenverfahren und erläutert, es handele sich um massenhafte Einzelklagen zur gerichtlichen Geltendmachung gleichgelagerter „(Verbraucher-)Ansprüche“.

Der Entwurf sieht für die Umsetzung eine Ergänzung und Änderung einzelner Regelungen in der ZPO vor und nimmt ausgewählte Rechtsgebiete von dem Leitentscheidungsverfahren aus. Indem der Anwendungsausschluss nicht ausdrücklich auf die Insolvenzgerichte erstreckt wird, besteht im Umkehrschluss eine Relevanz für laufende Insolvenzverfahren.

Ein Leitentscheidungsverfahren kann Insolvenzverfahren gleichermaßen betreffen wie reine zivilrechtliche Streitigkeiten. In einem Insolvenzverfahren sind einerseits massenhaft gleichgelagerte Anfechtungsklagen keine Seltenheit. Im Rahmen von Insolvenzfällen mit hoher Beteiligung von Kapitalanlegern entstehen oft massenhaft gleichgelagerte Anfechtungsansprüche gegen die Anleger zugunsten der Masse. Bestreitet andererseits der Insolvenzverwalter (oder ein Insolvenzgläubiger) im Sinne des § 179 Abs. 1 InsO eine Vielzahl gleichgelagerter Forderungen, können massenhafte Klagen auf Feststellung der Forderungen zur Insolvenztabelle erhoben werden.

 

B. Im Einzelnen

 

I. Definition

Der vom Entwurf definierte Anwendungsbereich erweist sich bereits als problemträchtig. Ein Massenverfahren wird in der Entwurfsbegründung als „massenhafte Einzelklagen zur gerichtlichen Geltendmachung gleichgelagerter (Verbraucher-)Ansprüche“[1] definiert. Nach dieser Definition bleibt offen, ob nur Leistungsklagen oder auch Feststellungsklagen von einem Leitentscheidungsverfahren umfasst werden können. Die Entwurfsbegründung lässt eine Erläuterung vermissen, inwieweit der Gesetzgeber massenhafte Feststellungsklagen als ebenfalls denkbar voraussetzt oder bewusst ausnehmen will. Hier ist eine Klarstellung erforderlich.

Darüber hinaus lässt die Entwurfsbegründung offen, ob ein Leitentscheidungsverfahren ausschließlich bei Verbraucheransprüchen möglich sein soll. Dem Wortlaut der neu gefassten ZPO-Vorschriften lässt sich eine solche Beschränkung nicht entnehmen. Es bedarf einer eindeutigen Formulierung, ob der Entwurf ausschließlich auf Verbraucherschutz abzielt oder einen breiteren Anwendungsbereich haben soll.

Dies ist notwendig, da die Einordnung eines Insolvenzverwalters als Verbraucher ungeklärt ist. Der Insolvenzverwalter handelt im Verbraucherinsolvenzverfahren als Partei kraft Amtes im eigenen Namen und nicht als Vertreter des Schuldners. Hinsichtlich der vorgenommenen Rechtshandlungen steht seitens des Insolvenzverwalters nicht der Verbraucherschutzgedanke im Vordergrund. Vielmehr strebt er eine gleichmäßige Gläubigerbefriedigung aus der Insolvenzmasse an.[2] Aus diesem Grund ist eine Verbrauchereigenschaft des Insolvenzverwalters abzulehnen. Eine unterschiedliche Anwendung des Leitentscheidungsverfahrens in Abhängigkeit von der Verbrauchereigenschaft des Schuldners bzw. des Insolvenzverwalters bei ansonsten vergleichbaren Konstellationen entbehrt einer hinreichenden Rechtfertigung. Es ist zu klären, inwieweit der Insolvenzverwalter einem Verbraucher zumindest gleichgestellt wird. Eine Ausweitung des Verbraucherbegriffes ist dem Gesetzgeber spätestens durch die Abhilfeklage nach dem VDuG nicht unbekannt.

Die Fragestellung gewinnt durch die unklare Auslegung des Begriffs der „Geltendmachung“ an Bedeutung. Die ZPO nimmt in zahlreichen Vorschriften Bezug auf geltend gemachte Ansprüche, ohne den Begriff der „Geltendmachung“ zu definieren. Auch die Entwurfsbegründung enthält keine Begriffsbestimmung und setzt diese als bekannt voraus. In der Literatur wird der Versuch unternommen, die „Geltendmachung“ als Äußerung einer Person aufgrund einer rechtlichen Befugnis, die auf ein Tun, Dulden oder Unterlassen eines anderen abzielt, zu definieren.[3]

Nach dieser Definition lässt sich die Geltendmachung begrifflich nicht von dem zugrundeliegenden Anspruch im Sinne des § 194 BGB trennen. Durch Anfechtungsklagen im Insolvenzverfahren werden Ansprüche auf Beseitigung einer nachteiligen Vermögensverfügung gerichtlich verfolgt. Insofern müssen diese auch unter den Begriff der „Geltendmachung“ fallen.[4] Bei einem erfolgreichen Anfechtungsprozess kann der Insolvenzverwalter den Rückzahlungsanspruch durchsetzen und das im Vorfeld Gewährte vom Anfechtungsgegner zurückverlangen. Wird das Erlangte zurückgewährt, lebt die ursprüngliche Forderung des Anfechtungsgegners gemäß § 144 Abs. 1 InsO wieder auf. Dieser neue Anspruch kann zur Insolvenztabelle angemeldet werden und stellt eine neue Geltendmachung eines Anspruchs dar.

Allerdings meldet der Anfechtungsgegner während des laufenden Anfechtungsprozesses noch nicht seine Forderung zur Insolvenztabelle an, zumal sie ja erst mit Erfüllung des Anfechtungsanspruchs auflebt, sondern versucht im ersten Schritt zunächst ein Anfechtungsverlangen abzuwehren. Die Einwendungen werden innerhalb des Anfechtungsprozesses erhoben und stellen keine eigenständigen Leistungsklagen des Anfechtungsgegners dar. In der Literatur werden die Begriffe der „Geltendmachung“ und der „Erhebung“ einer Einwendung undifferenziert verwendet. Der Entwurf enthält keine Erläuterungen, inwiefern Einwendungen ebenfalls unter den Begriff der „Geltendmachung“ fallen können. Dies ist jedoch notwendig, um die Anwendung eines Leitentscheidungsverfahrens auf solche Anfechtungssituationen zu klären.

Sollte der Begriff des Massenverfahrens Feststellungsklagen umfassen, fallen diese unproblematisch in den Anwendungsbereich. Mit ihnen können Gläubiger bestrittene Forderungen gerichtlich geltend machen.

Es zeigt sich, dass bereits die Definition eines Massenverfahrens und der Begriff der GeltendmachungRechtssicherheitsdefizite schaffen würden. Daher ist eine genaue Bestimmung des Anwendungsbereichs geboten.

 

II. Bestimmung zum Leitentscheidungsverfahren nach § 552b ZPO Ref-E

Der Entwurf nimmt Bezug auf vergangene Massenverfahren, in denen die Parteien Entscheidungen des BGH durch eine vorherige Beendigung des Revisionsverfahrens vermieden. Aufgrund dessen sieht der Entwurf vor, dass der BGH sich auch dann „zu zentralen Rechtsfragen, deren Beantwortung für eine Vielzahl anderer Verfahren von Bedeutung ist, äußern kann, wenn die Revision zurückgenommen wird oder sich das Revisionsverfahren auf andere Weise als durch Urteil nach §§ 561 ff. erledigt.“[5] Durch den neu gefassten § 552b ZPO Ref-E soll ein Leitentscheidungsverfahren in die ZPO eingeführt werden.

Eine Entlastung und Ressourcenschonung der Instanzgerichte hat eine positive Auswirkung auf die allgemeine Verfahrensdauer und ist wünschenswert. Die Unbestimmtheit des neu gefassten § 552b ZPO Ref-E ist hingegen problematisch. Es fehlt an einer konkreten Vorgabe, wann eine „Vielzahl anderer Verfahren[6] vorliegt. Der Entwurf nimmt für die Bestimmung weder Bezug auf die Musterfeststellungsklage noch auf die Abhilfeklage nach dem VDuG. Einer Musterfeststellungsklage müssen sich 50 Verbraucher anschließen, eine Abhilfeklage nach dem VDuG muss Ansprüche von mindestens 50 Verbrauchern glaubhaft machen. Es ist unklar, wie viele Verfahren für die Durchführung eines Leitentscheidungsverfahrens beim BGH anhängig sein müssen.

Die Ausgestaltung des Leitentscheidungsverfahrens als Ermessensentscheidung steht dem verfolgten Zweck der Entlastung und Effizienzförderung der Instanzgerichte entgegen. Nach der Entwurfsbegründung „kann der Bundesgerichtshof ein geeignetes Verfahren auswählen, das ein möglichst breites Spektrum an offenen Rechtsfragen bietet, die er, wie bisher, selbst identifizieren kann.“[7] Es drängt sich die Frage auf, anhand welcher Kriterien und innerhalb welchen Zeitraums der BGH ein geeignetes Leitentscheidungsverfahren bestimmen kann.

 

III. Leitentscheidung nach § 565 ZPO Ref-E

Hat der BGH ein Leitentscheidungsverfahren bestimmt, soll durch den geänderten § 565 ZPO Ref-E auch dann eine Entscheidung ergehen, wenn die Parteien das Revisionsverfahren beenden. Die Leitentscheidung soll – und kann – dabei keine formale Bindungswirkung und keine Auswirkung auf das zugrundliegende Revisionsverfahren entfalten.[8] Um die gewünschte Entlastung für die Instanzgerichte zu erwirken, sieht der Entwurf vor, dass die Entscheidung „den Instanzgerichten und der Öffentlichkeit als Richtschnur und Orientierung dafür, wie die Entscheidung der Rechtsfragen gelautet hätte“[9], dienen soll.

Dem BGH wird hierdurch eine Kompetenz zur hypothetischen Urteilsfindung zugesprochen, die im Spannungsverhältnis zur Dispositionsmaxime steht. Den Verfahrensbeteiligten des ausgewählten Leitentscheidungsverfahrens steht es mangels Bindungswirkung weiterhin frei, über ihren Verfahrensgegenstand zu verfügen. Die Bereitschaft zu einer gütlichen Einigung dürfte indes mit der Perspektive sinken, dass die Rechtsunsicherheit, auf die Vergleiche oftmals gestützt werden, im Nachgang beseitigt wird, die „obsiegende“ Partei also erfährt, dass es eines Nachgebens nicht bedurft hätte – was auch Diskussionen über die Haftung des Prozessvertreters auslösen kann. Unklar bleibt jedenfalls, welche Tragweite eine Leitentscheidung als „Richtschnur“ konkret haben soll. Die Entwurfsbegründung erweckt den Anschein, dass eine mittelbare Bindungswirkung der Leitentscheidung geschaffen werden soll. Um der Zielrichtung des Entwurfs – die Effizienzförderung und Entlastung der Instanzgerichte – gerecht zu werden, müssen die Instanzgerichte faktisch im Lichte der Leitentscheidung urteilen. Hierdurch begründet der Entwurf die Gefahr von vorgefassten Urteilen in der ersten Instanz, die zur Verkürzung des Instanzenzugs führen kann und die Verfahrensbeteiligten in ihren prozessualen Handlungsoptionen einschränken wird.

Die prozessuale Handlungsfreiheit – namentlich die Dispositionsmaxime – als Ausfluss der Privatautonomie ist Schutzgut des Art. 2 Abs. 1 GG.[10] Das BVerfG hat klargestellt, dass auch die Wahrung der Privatautonomie Gegenstand einer grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates sein muss, da es die Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben betrifft.[11] Nach der aus Art. 2 Abs. 1 GG abzuleitenden Schutzpflicht müssen staatliche Stellen verhindern, dass sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung umkehrt.[12] Durch die Schaffung einer mittelbaren Bindungswirkung durch eine Leitentscheidung droht den Verfahrensbeteiligten bereits in der ersten Instanz die freie Verfügung über den Verfahrensgegenstand faktisch entzogen zu werden.

Zwar kann ein grundrechtlicher Eingriff gerechtfertigt sein, jedoch erfüllt der Entwurf in seiner Ausgestaltung nicht die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Aufgrund der sprachlichen Unschärfe und Unbestimmtheit sind die neu gefassten ZPO-Vorschriften zur Zielerreichung nicht geeignet. Eine Entlastung der Instanzen kann erst mit der Entscheidung über die Bestimmung eines Leitentscheidungsverfahrens eintreten. Insofern obliegt es dem BGH aufgrund der vorgesehenen Ermessensentscheidung selbst, ob und inwieweit eine Entlastung erwartet werden kann.

 

IV. Aussetzungsmöglichkeit nach § 148 Abs. 4 Ref-E

Der Entwurf strebt die Entlastung der Instanzgerichte durch eine Erweiterung des § 148 ZPO um einen Absatz 4 Ref-E an.[13] Den Gerichten soll ermöglicht werden, „mit Zustimmung der Parteien solche Verfahren auszusetzen, deren Entscheidung von Rechtsfragen abhängt, die den Gegenstand eines bei dem Revisionsgericht anhängigen Leitentscheidungsverfahrens bilden.“[14]

Es verwundert, dass der Entwurf keine eigenständige Aussetzungskompetenz der Instanzgerichte vorsieht. Aus prozesstaktischen Gründen kann eine Aussetzung durch die Parteien verhindert werden. Diese Abhängigkeit der gewünschten Entlastung der Gerichte von dem Parteiwillen scheint als Korrektiv zur eingeschränkten Dispositionsmaxime gedacht zu sein.

Nach der Entwurfsbegründung soll die Anwendung des § 148 Abs. 1 ZPO jedoch unberührt bleiben.[15] Hiernach ist die Aussetzung des Verfahrens unabhängig von dem Parteiwillen möglich, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet. Die in einem Leitentscheidungsverfahren zu klärenden Rechtsfragen können gleichzeitig für das Bestehen und Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses entscheidend sein. In diesen Fällen wird den Gerichten die Möglichkeit eröffnet, über den Parteiwillen hinweg, die Aussetzung eines Verfahrens zu erreichen. Damit kann die durch § 148 Abs. 4 ZPO Ref-E eingeräumte Dispositionsbefugnis der Verfahrensbeteiligten unterlaufen werden.

Dabei bleibt offen, inwieweit eine nach § 565 ZPO Ref-E zu treffende Leitentscheidung ein anhängiges Verfahren im Sinne des § 148 Abs. 1 ZPO sein kann. Der BGH darf erst dann über ein bei ihm anhängiges Verfahren eine Leitentscheidung treffen, wenn dieses ohne Urteil durch die Parteien beendet wurde.[16] Ab diesem Zeitpunkt ist der Streitgegenstand der Verfahrensbeteiligten nicht mehr anhängig. Inwieweit ein Leitentscheidungsverfahren die fehlende Anhängigkeit des zugrundeliegenden Verfahrens ersetzen kann, erschließt sich aus der Entwurfsbegründung nicht.

 

V. Vorabentscheidungsverfahren

Vorsorglich soll auf den vom Deutschen Richterbund (nachfolgend DRB) erarbeiteten Lösungsansatz[17] eingegangen werden, welcher in der Literatur[18] bereits Zuspruch findet. Plädiert wird dort für die Einführung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim Bundesgerichtshof, welches sich an dem Verfahren nach Art. 267 AEUV orientieren soll. Im Hinblick auf eine notwendige vergleichbare Interessenslage ist die Einführung eines Vorabentscheidungsverfahrens auf nationaler Ebene kritisch zu hinterfragen. Dem EuGH wurde durch den Vertrag von Lissabon die Kompetenz zugesprochen, über Auslegungs- und Gültigkeitsfragen des Unionrechts zu entscheiden, um u.a. eine einheitliche Auslegung des Unionsrecht zu gewährleisten.[19] Während der EuGH nach der Vorlage einer entscheidungserheblichen Frage abstrakt über dieses in einer Art des Zwischenverfahrens entscheidet, bleibt das nationale Gericht weiterhin Herr des Verfahrens.[20] Der Vorschlag des DRB zielt vermeintlich auf eine konkrete Entscheidungskompetenz des BGH für vorgelegte entscheidungserhebliche Fragestellungen ab, für die nach nationalem Recht die Instanzgerichte zur Entscheidung berufen sind. Dies stellt den gesetzlichen Richter als Teil der Rechtsstaatsgarantie in Frage. Durch eine zusätzliche Aussetzungsmöglichkeit – unabhängig vom Parteiwillen der Verfahrensbeteiligten – soll eine Ressourcenschonung der Instanzgerichte erreicht werden.[21]

Auch durch ein Vorabentscheidungsverfahren kann die angestrebte Entlastung der Instanzgerichte nicht dauerhaft erreicht werden, sie tritt nur temporär für die Zeit des Vorabentscheidungsverfahrens ein. Nach einer Entscheidung des BGH werden – wie vom DRB selbst erkannt – die Massenverfahren an den Instanzgerichten verbleiben, weshalb eine Entlastung nur hinsichtlich der Revisionsinstanz nachhaltig eintreten kann.

 

C. Fazit

Obgleich ein Massenverfahren vorliegt, sind die Verfahrensbeteiligten weiterhin angehalten, bis in die Revisionsinstanz zu prozessieren. Die Instanzgerichte erfahren dadurch keine Entlastung. Dem BGH wird neben seiner Zuständigkeit als Revisionsgericht zusätzlich die Auswahl eines Leitentscheidungsverfahrens aufgebürdet.

Die Möglichkeit einer hypothetischen Urteilssetzung entgegen dem Parteiwillen stellt einen nicht gerechtfertigten Grundrechtseingriff dar. Der Referentenentwurf ist daher nicht geeignet, um die erforderliche Entlastung und Ressourcenschonung der Instanzgerichte herbeizuführen.

In insolvenzrechtlichen Massenverfahren bleibt seine Reichweite und Wirkung unklar. Dies sollte im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens unbedingt behoben werden, da ansonsten die angestrebte Effizienz bei der Erledigung von Massenverfahren nicht erreicht werden kann.

 

Berlin, 14.07.2023

 

Kontakt:

Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)
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[1] Begründung RefE S.7.

[2] DNotI-Report, 4/2009, 25.

[3] Regenfuß, JURA 2022, 527.

[4] Borries/Hirte in: Uhlenbruck, § 129 Rn. 1; Grothe, in: MüKo-BGB, § 194 Rn. 40; Piekenbrock in BeckOGK, § 194 Rn. 45.

[5] Begründung RefE S. 7.

[6] Vgl. § 552b ZPO-RefE.

[7] Begründung RefE S. 7.

[8] Begründung RefE S. 7.

[9] Begründung RefE S. 7.

[10] Rauscher in MüKo-ZPO, Einl. Rn. 316.

[11] BVerfG, NJW 1994, 2749; BVerfG, NJW 1994, 36.

[12] Di Fabio in Dürig/Herzog/Scholz, 99. EL Stand September 2022, Art. 2 GG Rn. 101, 105.

[13] Vgl. § 148 Abs. 4 RefE.

[14] Begründung RefE S. 10.

[15] Begründung RefE S. 10.

[16] Vgl. § 565 RefE.

[17] Abrufbar unter: https://www.drb.de/fileadmin/DRB/pdf/Stellungnahmen/2022/Loesungsvorschlaege_AG_Massenverfahren.pdf

[18] Heese/Schumann, NJW 2021, 3023; Rapp, JZ 2020, 294.

[19] Ehricke in Streinz, 3. Aufl. 2018, Art. 267 AEUV Rn. 5.

[20] Ehricke in Streinz, 3. Aufl. 2018, Art. 267 AEUV Rn. 7.

[21] Deutscher Richterbund, Lösungsvorschläge, S. 15.

VID-Stellungnahme zum IDW ES 2 n.F., IDW ES 6 n.F. und IDW ES 11 n.F.

I. Anforderungen an Insolvenzpläne (IDW ES 2 n.F.) [1]

 

Rz. 8

Auch wenn der Eingriff in gruppeninterne Drittsicherheiten in der Insolvenzpraxis angekommen ist, ist diese Möglichkeit in Gruppen- und Konzerninsolvenzen isoliert ein Grund für einen Insolvenzplan.

Rz. 11

Der Absatz vermittelt den Eindruck, als ob für jeden Gläubiger mit der Plansanierung die Herauslage eines Sanierungskredits einhergeht und hiermit ein Anfechtungsrisiko einhergeht. Der Standardeingriff eines Insolvenzplans ist die „Kürzung der Forderung um einen Bruchteil“ (§ 223 Abs.  2  InsO) und die Auszahlung einer Quote. Bei plankonformer Auszahlung ist das Anfechtungsrisiko überschaubar. Anders bei (Kredit-)Gläubigern mit „stehengebliebenen“ Forderungen. Hier besteht der beschriebene Vorsorgebedarf. Diese Differenzierung erscheint geboten.

Rz. 16

Die Möglichkeit der Zusammenfassung nach § 235 Abs. 3 Satz 2 InsO überrascht an dieser Stelle. Sie ist mehr der „Technik“ (manchmal auch: Taktik) des gerichtlichen Verfahrens, als der Darstellungstiefe eines Sanierungskonzepts zuzuordnen.

Rz. 18

Neben den Verzeichnissen könnten das Gutachten des Sachverständigen oder – je nach Vorlagezeitpunkt – der Bericht zur Gläubigerversammlung als „Erläuterung-Bausteine“ genannt werden. Die Anlehnung des darstellenden Teils an diese verfahrensleitenden Arbeitsergebnisse erleichtert den Gläubigern die fortgesetzte Bewertung.

Rz. 21

Hilfreich wäre es, wenn schon hier herausgestellt werden würde, dass bei der Befriedigung der Gläubiger aus den Erträgen des fortgeführten Unternehmens dann auch eine Planungsrechnung beigefügt wird, aus der sich ergibt, dass das Unternehmen nicht drohend zahlungsunfähig ist (vielleicht Verweis auf Rz. 33). Das ist insbesondere aus der Krisenfrüherkennungspflicht des § 1 StaRUG herzuleiten. Wenn schon das „Unternehmen im normalen Geschäftsgang“ diese Krisenfrüherkennungspflicht hat, sollte diese auch und gerade das Unternehmen, welches in der existenziellen Krise war und nun durch den Insolvenzplan saniert wird, haben.

Rz. 22

Der Insolvenzplan steht mitunter im Wettbewerb zur übertragenden Sanierung aus Gründen der Verfahrensdauer. Planverfahren mit einer Verfahrensdauer von <6 Monaten verlangen die Verbindung von Berichts- und Prüfungs- sowie Erörterungs- und Abstimmungstermin. Der Hinweis auf § 236 InsO findet sich, könnte aber verdeutlicht werden.

Von geringerer praktischer Bedeutung ist die Möglichkeit, bereits nach 3 Wochen den Erörterungs- und Prüfungstermin anberaumen zu lassen. Realistischer ist die Anberaumung eines Berichts- und Prüfungstermins mit dem Eröffnungsbeschluss zu einem Termin, mit dem nach Vorlage des Insolvenzplans der Erörterungs- und Abstimmungstermin verbunden wird.

Essenziell erscheint ein „Einblick“ in die Planung des Aufhebungsverfahrens. In dieser Phase entscheidet sich die Zeitplanung. Vorbereitete Vergütungsanträge von Ausschussmitgliedern und die Vorlage der Vergütungsanträge des Sachwalters/Insolvenzverwalters zum Erörterungs- und Abstimmungstermin sollten koordiniert sein. Sinnvoll erscheinen wechselseitige Zustimmungserklärungen, d. h. des Sachwalters/Insolvenzverwalters und Schuldners zur Ausschussvergütung und des Schuldners und Gläubigerausschusses zur Vergütung des Sachwalters/Insolvenzverwalters. Die Koordination dieser in aller Regel nicht dem Richter obliegenden Aufgaben ist zur Sicherstellung einer schnellstmöglichen Aufhebung nach Rechtskraft der Planbestätigung entscheidend. In Fortsetzung dieser Gedanken könnte sich der Standard zu den Voraussetzungen der Aufhebung verhalten. Zumal mit dem Finanzplan die Betriebswirtschaft das Herzstück des Aufhebungsverfahrens bildet.

Rz. 24

Wünschenswert wäre die Hervorhebung der Gesetzesänderung in §  220 Abs. 2 InsO. In dieser Neufassung werden erstmals die Notwendigkeit einer Vergleichsrechnung und inhaltliche Anforderungen im Gesetz erwähnt. Dies zeigt die Bedeutung für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Zwangseingriffs in die Forderungszuständigkeit zum einen und für die Rechtssicherheit der Plansanierung zum anderen. Wortlaut:

Sieht der Plan eine Fortführung des Unternehmens vor, ist für die Ermittlung der voraussichtlichen Befriedigung ohne Plan in der Regel zu unterstellen, dass das Unternehmen fortgeführt wird.“

Hier wären u. E. Grundsätze aufzustellen, welche gelten sollen, wenn das Unternehmen fortgeführt wird und der Plan nicht umgesetzt werden würde. Diese Vergleichsrechnung bereitet in der Praxis einige Schwierigkeiten und wird häufig dadurch umgangen, dass eben dann doch die Liquidation als einzige denkbare Alternative dargestellt wird.

Rz. 45 ff.

Mit „Mängelgewährleistung“ scheint eine zu spezielle Überschrift gewählt. Im Kern geht es um „bekannte Gläubiger“. Eine Fallgruppe dieser können Gewährleistungsgläubiger sein. Hier besteht die Gefahr, dass die Bedeutung der Ausführungen verkannt wird, wenn ein Planersteller sich nicht von Gewährleistungsrisiken angesprochen sieht.

Rz. 50 ff.

Diese Ausführungen überraschen jedenfalls an dieser Stelle. Sie sind eher den Rz. 29 ff. und den dortigen Ausführungen zur Darstellung des Sanierungskonzeptes zuzuordnen.

Rz. 56

Die Praxis der gerichtlichen Vorprüfung zeigt, dass nicht nur die gewählten Gruppen begründet werden sollten, sondern Ausführungen (gerade) auch dann erforderlich sind, wenn insbesondere Soll-Gruppen nicht gebildet werden. So empfiehlt es sich beispielsweise, als Planverfasser eine Arbeitnehmergruppe „nicht einfach wegzulassen“, sondern diese gestalterische Entscheidung durch Angabe der Gläubigeranzahl und des Forderungsvolumens konkret zu begründen.

Rz. 60

Angesichts der Tatsache, dass die Mehrzahl der Pläne Schuldnerpläne sind, wären Ausführungen zur Gruppenbildung und zu Plangestaltungen für Nachranggläubiger wünschenswert gewesen. Dieser Bereich – von § 225 InsO abweichender Regelungen – ist von strategischer und steuerlicher Relevanz und eine idealtypische Schnittstelle zum Obstruktionsverbot.

Ähnlich verhält es sich mit Regelungen für Absonderungsberechtigte. Insbesondere Regelungen zum so genannten „Stehenlassen“ und mittelbaren Eingriffen auf das Absonderungsrecht durch Stundung der Forderungen könnten dargestellt werden. Mutmaßlich kann das den Anwendungsbereich eines Standards übersteigen (Betrifft zugleich Rz. 89).

Rz. 76

Soweit unter dieser Ziffer von einer verlässlichen und vollständigen Darstellung der Vermögensverhältnisse die Rede ist, erscheint eine Orientierung an den §§ 153 ff. InsO sinnvoll. Diese Verzeichnisse sind – wie an anderer Stelle richtig – wesentliche Grundlage der Darstellung der Vermögensverhältnisse.

Wünschenswert wäre noch die Angabe eines Stichtages. Erfolgt die Vorlage unmittelbar nach Verfahrenseröffnung, so ist der Stichtag klar. Fraglich ist der Stichtag bei späterer Vorlage, wenn die Insolvenzeröffnung beispielsweise länger als drei Monate zurückliegt.

Rz. 79 ff.

Es muss § 270d InsO heißen. Inhaltlich wurden diese Ausführungen aus Anlass der letzten Aktualisierung ausführlich erörtert. Sie sind von besonderer Bedeutung. Die entscheidende Abwägung zwischen Gläubiger- und Schuldnerinteressen findet Zustimmung. Eine Orientierung an IDW  S 1 wird selten gelingen, so dass eine Weiterentwicklung/Ausweitung des IDW S 8 auf die Quotenvergleichsregelung sinnvoll sein könnte.

Rz. 96

Die geforderte Gleichbehandlung aller Gesellschafter überrascht in dieser Klarheit. Wie verhält es sich bei einer Anteilsübertragung von Gesellschafter A auf B? Hier kann keine Gleichbehandlung hergestellt werden. Beim Kapitalschnitt mag die Frage nach der Wirksamkeit des Bezugsrechtsausschlusses betroffen sein. Aber per se eine Gleichbehandlung zu fordern, widerspricht der Vorgabe, dass alles geregelt werden darf, was gesellschaftsrechtlich zulässig ist.

Rz. 102

An dieser oder auch anderen Stellen würde die Auseinandersetzung mit der Zulässigkeit von variablen Quoten sinnvoll erscheinen. Gerade der „Vollstreckbarkeitsfokus“ führt dazu, dass in dieser Hinsicht ein Schwerpunkt bei der gerichtlichen Prüfung liegt.

Rz. 104

Die Zulässigkeit von verfahrensmäßigen Ausschlussklauseln sollte klargestellt werden.

Rz. 103 ff.

Nicht geregelt sind Plangestaltungen im Zusammenhang mit Anfechtungsansprüchen (§  259  Abs. 3 InsO). Dies ist gestalterisch bedeutsam im Hinblick auf den Fortbestand des Anfechtungsrechts und der Rechtsprechung des BGH zur Unzulässigkeit einer Abwicklungstreuhand und Nachtragsverteilung (Stichwort: Notwendigkeit der Vollrechtsübertragung). Vergleichbare Fragen können sich bei Planregelungen zu Haftungsansprüchen (§ 15b InsO) stellen.

 

II. Anforderungen an Sanierungskonzepte (IDW ES 6 n.F.) [2]

Rz. 2 (Vorbemerkungen):

§ 64 GmbHG wurde durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz) vom 22.12.2020 (BGBl. I S. 3256) mit Wirkung vom 01.01.2021 aufgehoben. Der Verweis sollte daher auf §§ 15a, 15b InsO aktualisiert werden.

Rz. 11, 44 ff. (Kernbestandteile eines Sanierungskonzeptes):

Der Punkt „…Analyse von Krisenstadium und -ursachen…“ sollte ergänzt werden um „…Analyse von Krisenstadium, Krisensignalen und -ursachen…“. Richtig ist, dass ein Sanierungskonzept ohne eine genaue Analyse der Vergangenheit mit einem hohen und nicht abschätzbaren Risiko behaftet ist. Zur genauen Analyse der Vergangenheit gehört in einem ersten Schritt die Feststellung der operativen und strategischen Krisensignale. Darauf aufbauend können dann die Krisenursachen ermittelt werden. Hierbei sind die Krisenursachen von den dargestellten Krisensignalen abzugrenzen, da diese in der Regel zwar eine Krise anzeigen, für diese aber nicht kausal sind.

Rz. 11 (Kernbestandteile eines Sanierungskonzeptes):

Der Punkt „…Darstellung der Maßnahmen zur Abwendung einer Insolvenzgefahr und Bewältigung der Unternehmenskrise…“ sollte ergänzt werden um die Darstellung des im Unternehmen zu implementierenden Krisenfrüherkennungssystems nach § 1 StaRUG. Denn zum 01.01.2021 trat – im Rahmen des SanInsFoG (Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts) – das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierung- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG) in Kraft. Damit setzte der Gesetzgeber die Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen etc. um. Der Gesetzgeber hat dabei in § 1 StaRUG eine Pflicht für Geschäftsführer von haftungsbeschränkten Unternehmensträgern zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement herausgearbeitet und kodifiziert. Es muss mithin im Rahmen einer nachhaltigen Sanierung auf ein transparentes Krisenfrüherkennungssystem zurückgegriffen werden können, so dass die Geschäftsleiter einer juristischen Person fortlaufend über Entwicklungen wachen können, welche den Fortbestand der juristischen Person gefährden können.

Rz. 14 (Insolvenzreife):

Es sollte zur Klarstellung ergänzt werden, dass nicht nur auf eine Insolvenzreife aufmerksam gemacht werden muss, sondern auch auf die daran anknüpfenden Pflichten der Geschäftsleiter hinzuweisen ist.

Rz. 15 (Drohende Zahlungsunfähigkeit):

Hier sollte ergänzt werden, dass bei dem Vorliegen lediglich einer drohenden Zahlungsunfähigkeit auch die neuen Instrumente des StaRUG für eine finanzwirtschaftliche Sanierung des Unternehmens genutzt werden können. Denn nach § 29 Abs. 1 StaRUG können zur nachhaltigen Beseitigung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 18 Abs. 2 InsO die Verfahrenshilfen des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens in Anspruch genommen werden.

Rz. 20 (Nachhaltigkeit):

Hier sollte ergänzt werden, dass bei dem Vorliegen lediglich einer drohenden Zahlungsunfähigkeit auch die neuen Instrumente des StaRUG für eine finanzwirtschaftliche Sanierung des Unternehmens genutzt werden können. Denn nach § 29 Abs. 1 StaRUG können zur nachhaltigen Beseitigung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 18 Abs. 2 InsO die Verfahrenshilfen des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens in Anspruch genommen werden.

Rz. 35 (Auftragsinhalt):

Der zeitliche Rahmen für die Erstellung des Konzeptes sollte im Interesse der Auftraggeber bzw. der beteiligten Stakeholder bei der Auftragsvergabe ebenfalls festgelegt werden.

Rz. 60 (ESG):

Es sollte bei der Analyse des Unternehmens auch eine Aussage dazu getroffen werden, ob das Unternehmen bereits zu einem bestimmten Grad ESG-konform ist und inwieweit ESG-Aspekte das Geschäftsmodell bzw. deren Entwicklung tangieren.

Rz. 72 (Sicherung und Kontrolle der Umsetzung):

In dem Sanierungskonzept sollte auch angegeben werden, wie und in welchem Rhythmus ein entsprechendes Reporting der genannten Verantwortlichen zu erfolgen hat.

 

III. Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen (IDW ES 11 n.F.) [3]

Rz. 2 (dort Fußnote 4, Fortbestehens-/Fortführungsprognose)

Die Definition der Begriffe Fortbestehens- und Fortführungsprognose ist einerseits hilfreich. In der Fußnote wird die Prognose, die nach § 19 InsO zu erstellen ist, als Fortbestehensprognose bezeichnet im Unterschied zu der Fortführungsprognose gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB. Andererseits wird in der insolvenzrechtlichen Literatur im Zusammenhang mit § 19 InsO überwiegend der Begriff „Fortführungsprognose“ verwendet (Andres/Leithaus/Leithaus, InsO § 19 Rn. 6; Braun/Salm-Hoogstraeten, InsO § 19 Rn. 21; Graf-Schlicker/Bremen, InsO § 19 Rn. 17; Kübler/Prütting/Bork/Jacoby/Pape, InsO § 19 Rn. 37; MükoInsO/Drukarczyk/Schüler, InsO § 19 Rn. 61 (allerdings in Rn. 51 dann Fortbestehensprognose (synonym)); Nerlich/Römermann/Mönning, InsO §19 Rn. 17; Uhlenbruck/Mock, InsO § 19 Rn. 217; HmbKommInsO/Schröder, § 19 Rn. 18). Im Unterschied dazu verwenden nur wenige den Begriff Fortbestehensprognose (BeckOK InsR/Wolfer, InsO § 19 Rn. 10; K.Schmidt InsO /K.Schmidt/Herchen, InsO § 19 Rn. 46 und eben – siehe oben – synonym MükoInsO/Drukarczyk/Schüler, InsO § 19 Rn. 51). Schröder (a. a. O.) spricht sich für „Fortführungsprognose“ aus, weil das Gesetz selbst von der „Fortführung des Unternehmens“ spricht. Er erklärt die Verwendung des Begriffs „Fortbestehensprognose“ mit der Erwähnung in der „Dornier-Entscheidung“ vom 13.07.1992 (II ZR 269/91) in dem dortigen zweiten Leitsatz: „2. Eine Überschuldung der Gesellschaft i. S. von  § 63 I GmbHG liegt grundsätzlich nur dann vor, wenn das Vermögen der Gesellschaft bei Ansatz von Liquidationswerten die bestehenden Verbindlichkeiten nicht decken würde (rechnerische Überschuldung) und die Finanzkraft der Gesellschaft mittelfristig nicht zur Fortführung des Unternehmens ausreicht (Überlebens- oder Fortbestehensprognose).“ Der Gesetzgeber verwendet in der Begründung des SanInsFoG zu § 19 InsO (BT-Drucks. 19/24181, S. 197) auch den Begriff „Fortführungsprognose“.

Möglicherweise wäre das einer Erwähnung in der Fußnote wert, weil ansonsten der Leser des IDW S 11 beim Studium der insolvenzrechtlichen Literatur falsche Schlüsse zieht. Vorschlag für die Fußnote 4 (am Ende): Die insolvenzrechtliche Literatur verwendet allerdings bei § 19 Abs. 2 InsO überwiegend den Begriff „Fortführungsprognose“.

Rz. 17 (Begriff Finanzplan)

Nun wird statt des Begriffs „Liquiditätsplan“ der Begriff „Finanzplan“ verwendet. Das ist gerade vor dem Hintergrund der Verwendung des letzteren Begriffs in § 270a Abs. 1 Nr. 1 InsO hilfreich, zumal sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 19/24181, S. 204) ergibt, dass der Finanzplan ein Liquiditätsplan sein soll.

Rz. 25, 34, 40, 44 (Finanzplan), Rz. 64 Detaillierungsgrad der Planung, Rz. 98 Planung der Fortbestehensprognose

In Rz. 25 wird der Finanzplan bei der Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit beschrieben und auf den Dreiwochenzeitraum hingewiesen, in Rz. 34 der Finanz-/Liquiditätsplan, der auf Wochenbasis erstellt wird, in Rz. 40 die Fortschreibung auf Wochenbasis und in Rz. 44 wird auf den Detaillierungsgrad eingegangen. Hilfreich wäre es ausdrücklich festzuhalten, dass der Finanzplan zur Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit in der Zukunft immer eine Stichtagsbetrachtung ist (oder eben nicht, sprich dann immer die Ermittlung des Stichtags und dann von dort in der Zukunft drei Wochen später).

Dies ist auch und insbesondere bei der Beschreibung der Planung bei den Verfahrensgründen Überschuldung und drohende Zahlungsunfähigkeit wichtig. Handelt es sich um eine Planung mit Stichtagsermittlung und dann darauf aufbauender Zeitraumermittlung im jeweils sich anschließenden Dreiwochenzeitraum? Oder handelt es sich – wohl herrschende Meinung – um eine Aneinanderreihung von Stichtagen, die dann alleine ausschlaggebend sind für die Ermittlung des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit? Eine Klarstellung im IDW S 11 wäre eine hilfreiche Klärung.

Rz. 51

In dieser Randziffer wird auf das Urteil vom 28.06.2022 (II ZR 112/21) Bezug genommen mit der Vier-Stichtage-Liquiditätsbetrachtung. Das in der Fußnote 74 zitierte Urteil des IX. Senats vom 28.04.2022 könnte noch genauer dargestellt werden: Dort wird ausgeführt, dass die Zahlungsunfähigkeit auch durch einen Liquiditätsstatus mit einem darauf aufbauenden Finanzplan für die darauffolgenden drei Wochen, in dem tagesgenau die Einzahlungen und Auszahlungen gegenübergestellt werden und aus dem sich ergibt, dass an keinem der Tage die Liquiditätslücke geringer als 77 % ist, festgestellt werden kann. Da der IDW S11 ja (siehe Rz. 2) den Anspruch erhebt, für die beteiligten Berufsgruppen bei Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen maßgeblich zu sein, sollte diese nun vom IX. Senat eröffnete Feststellung der Zahlungsunfähigkeit auch durch diese Methode erwähnt werden.

Rz. 52

Sicherlich ist es schwierig, den „richtigen“ Schluss aus der Rechtsprechung des Jahres 2022 des II. und des IX. Senats zu ziehen, insbesondere das Verhältnis der Entscheidungen zu der bisherigen „Liquiditätsbilanzrechtsprechung“ zu entscheiden. Sowohl für die Beurteilung ex ante als auch ex post ist nun aber die Stichtagsbetrachtung maßgeblich zu berücksichtigen. Die in Rz. 52 geäußerte Auffassung, von ihrer Anwendung sei abzuraten, ist u. E. aber zu vorsichtig. Schon in den früheren IDW S 11 war das IDW mutig genug, eine andere Auffassung zu vertreten als „der BGH“. Hier nun wäre es angebracht, deutlich zu artikulieren, dass in der Praxis die Stichtagsbetrachtung (Vier-Stichtage-Liquiditätsbetrachtung des II. Senats oder die Aneinanderreihung von 21 Stichtagsbetrachtungen des IX. Senats) Vorrang haben sollte.

Der VID verweist dabei auf seine Empfehlungen zum Insolvenzrecht – Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit (ZRI 2022, 660). In diesen führt er aus, dass mittels dreier Schritte die Zahlungsunfähigkeit einfach und klar ermitteln werden könnte und sollte. Nur so kann Rechtsklarheit bei diesem so wichtigen Anknüpfungspunkt für diesen Kriseneintritt mit hohen Haftungsgefahren für alle Beteiligten (Geschäftsleiter, Berater, Geschäftspartner) hergestellt werden.

Rz. 64

Hier könnte oder sollte sogar noch thematisiert werden, dass bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit im Zeitpunkt t0 im Zeitpunkt t-12 schon die insolvenzrechtliche Überschuldung eingetreten sein könnte, wenn denn in der damals schon angefertigten Prognose der Eintritt im Zeitpunkt t0 überwiegend wahrscheinlich und erkennbar war. Hier sollte dann auch das gelten, was im IDW S11 unter Rz. 54 zur Zahlungsunfähigkeit ausgeführt wird, dass sich der Geschäftsleiter exkulpieren kann, wenn ein plausibler Finanzplan erstellt worden war, der keinen späteren Zahlungsunfähigkeitseintritt im maßgeblichen Prognosezeitraum ausweist – oder seine damals getroffenen Annahmen (auch ohne einen Finanzplan schriftlich aufgestellt zu haben) plausibilisieren kann.

Rz. 106

Bei den Ausführungen zu SanInsKG könnte darauf hingewiesen werden, dass ein Haftungsrisiko bei folgendem Szenario besteht: Schon am 08.11.2022 – einen Tag vor Inkrafttreten des Gesetzes – war die Überschuldung eingetreten und die Frist, innerhalb derer ein Antrag zu stellen war (sechs Wochen), war bereits abgelaufen. Das ist dann der Fall, wenn am 27.09.2022 bereits eine negative Fortführungsprognose (Fortbestehensprognose) vorlag und ein negatives Reinvermögen bei Ansatz von Liquidationswerten. Tritt dann die Zahlungsunfähigkeit bis zum 26.09.2023 ein, dann ist zu prüfen, ob nicht schon bis zum 27.09.2022 die Prognose negativ war. Ist dem so, dann findet das SanInsKG mit der Erleichterung aufgrund des kürzeren Prognosezeitraums insofern keine Anwendung.

 

Berlin, 19.05.2023

Kontakt:
Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)
Am Zirkus 3
10117 Berlin
Tel.: 030/ 20 45 55 25

E-Mail: info@vid.de
Web: www.vid.de

[1] Stand 27.09.2022.

[2] Stand 27.09.2022.

[3] Stand 27.09.2022.

RegE des VRUG

A. Einleitung

Der vorliegende Entwurf[1] dient der Umsetzung der Verbandsklagenrichtlinie vom 25.11.2020 ((EU) 2020/1828).[2] Die Richtlinie erweitert und harmonisiert nicht nur die bereits bestehenden europäischen Regelungen über Unterlassungsklagen zur Durchsetzung europäischen Verbraucherrechts, sondern verpflichtet die Mitgliedsstaaten, mit der Abhilfeklage eine weitere Verbandsklageart vorzusehen.[3] Mit ihr sollen Verbraucher[4] gegen Unternehmer individuelle Rechte durchsetzen können, die durch Verstöße der Unternehmer gegen bestimmte Rechtsakte entstanden sind.

„Das gerichtliche Abhilfeverfahren gliedert sich in drei Phasen: In der ersten Phase kann die klageberechtigte Stelle ein Abhilfegrundurteil erwirken, das die Haftung der verklagten Unternehmerin oder des verklagten Unternehmers dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, Berechtigungsnachweise und für den Fall von Zahlungsansprüchen zugleich Parameter für die konkrete Berechnung der Verbraucheransprüche festlegen kann. Es folgt eine Vergleichsphase, in der die Parteien eine gütliche Einigung über die Abwicklung des Rechtsstreits anstreben sollen. Schließen die Parteien keinen wirksamen Vergleich, schließt sich eine dritte Phase an, die mit einem Abhilfeendurteil des Gerichts endet. In dem darauffolgenden Umsetzungsverfahren prüft eine gerichtlich bestellte Sachwalterin oder ein gerichtlich bestellter Sachwalter selbständig die Anspruchsberechtigung einzelner Verbraucherinnen und Verbraucher, die ihre Ansprüche zum Abhilfeverfahren angemeldet und sich zu diesem Zwecke im Verbandsklageregister angemeldet haben. Berechtigte Verbraucheransprüche werden im Umsetzungsverfahren von der Sachwalterin oder dem Sachwalter unmittelbar erfüllt, so dass die einzelne Verbraucherin oder der einzelne Verbraucher zur Durchsetzung des Anspruchs keine Individualklage mehr zu führen braucht.“[5]

Die Regelungen zur Einführung einer solchen Abhilfeklage sollen künftig zusammen mit den bisher in der ZPO enthaltenen Regelungen über die Musterfeststellungsklage im Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz (VDuG) als neuem Stammgesetz gebündelt werden.

Die im Entwurf des VDuG vorgesehenen Regelungen zum Insolvenzverfahren über das Vermögen des Unternehmers (§ 38 VDuG) sowie die im geplanten Umsetzungsverfahren vorgesehenen Regelungen zum gerichtlich bestellten Sachwalter (§§ 23 ff. VDuG) begegnen aus insolvenzrechtlicher Sicht erheblichen Bedenken, die der VID bereits im Rahmen der Verbändeanhörung vorgebracht hat.[6]

 

B. Im Einzelnen

I. Insolvenzverfahren über das Vermögen des Unternehmers; Restrukturierung (§ 38 VDuG-E)

§ 38 VDuG-E sieht für den Fall eines Insolvenz- bzw. Restrukturierungsverfahrens über das Vermögen des Unternehmers Regelungen vor, die in der umzusetzenden Richtlinie kein Vorbild finden und damit über sie hinausgehen.

In der Entwurfsbegründung wird ausgeführt, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Unternehmers geeignet ist, die Abwicklung des Umsetzungsverfahrens zu stören.[7] Zur Bewältigung dieser insolvenzbedingten Störungen des Umsetzungsverfahrens unterscheidet § 38 VDuG zwischen zwei Fallgruppen:

Sind gemäß Absatz 1 Satz 1 die zur Eröffnung des Umsetzungsverfahrens nach § 24 VDuG-E erforderlichen Beträge bereits beim Sachwalter eingegangen, soll die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Durchführung des Umsetzungsverfahrens nicht hindern. Dies sei, so die Entwurfsbegründung, vom „insolvenzrechtlichen Standpunkt (…) unbedenklich, da und wenn die zur Deckung der Ansprüche im Rahmen des Umsetzungsverfahrens erforderlichen Beträge in anfechtungsfester Weise aus dem Vermögen der Unternehmerin oder des Unternehmers ausgeschieden sind und gleich einer Drittsicherheit eine Basis für die Befriedigung der Verbraucherinnen und Verbraucher außerhalb des Insolvenzverfahrens bieten.“[8]Zur Durchführung des Umsetzungsverfahrens kommt es mithin nur, wenn der Unternehmer die ihm nach § 24 VDuG-E obliegenden Zahlungen vollständig geleistet hat.

Fehlt es dagegen an der vollständigen Einzahlung des nach § 24 VDuG-E erforderlichen Betrages soll das Umsetzungsverfahren nicht durchgeführt werden.[9] „Würden die Kosten des Verfahrens aus dem zur Verteilung an die Verbraucherinnen und Verbraucher vorgesehenen kollektiven Gesamtbetrag entnommen, würde dies den zur Verteilung an die Verbraucherinnen und Verbraucher zur Verfügung stehenden kollektiven Gesamtbetrag verringern. Daher soll bei unvollständiger Einzahlung der nach § 24 erforderlichen Beträge oder bei einer insolvenzanfechtungsbedingten Rückgewähr dieser Beträge das Umsetzungsverfahren nicht durchgeführt werden (Absatz 1 Satz 2 und 3).“,[10]so die Entwurfsbegründung.

„Bereits auf den kollektiven Gesamtbetrag eingezahlte Beträge“, so die Begründung weiter, „sollen an die Masse fließen (Absatz 2 Satz 1), dort jedoch, soweit sie anfechtungsfest erfolgt sind, eine Sondermasse zur Befriedigung der Verbraucherinnen und Verbraucher bilden, die Ansprüche auf Zahlungen im Umsetzungsverfahren gehabt hätten (Absatz 3). Um bei Teilzahlungen den Anteil in rechtssicherer Weise bestimmen zu können, der auf den kollektiven Gesamtbetrag entfällt, fingiert Absatz 2 Satz 2 eine anteilsmäßige Tilgung der Forderungen auf die Deckung der vorläufig festgesetzten Kosten und des kollektiven Gesamtbetrags.“[11]

 

1. Bestehen von Anfechtungsansprüchen (Abs. 1)

Gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 VDuG-E wird das Umsetzungsverfahren auf Antrag des Sachwalters zwecks Klärung möglicher Insolvenzanfechtungsansprüche auf Rückzahlung der nach § 24 VDuG-E gezahlten Beträge ausgesetzt oder, sofern nach Einschätzung des Sachwalters ein Anfechtungsanspruch besteht und dieser nicht offensichtlich unbegründet ist, eingestellt.

Ausweislich der Entwurfsbegründung stellt das Gericht „(…) das Umsetzungsverfahren ein, wenn (…) der Sachwalter (…) seine Einschätzung schlüssig darlegt (…).[12]

In der Begründung des Referentenentwurfs war noch enthalten, dass der Sachwalter zur Klärung möglicher Insolvenzanfechtungsansprüche Prozesskostenhilfe nach den §§ 116 ff. ZPO beantragen kann;[13] in der Begründung des Regierungsentwurfs ist dies nicht mehr vorgesehen.[14]

Absatz 1 Satz 2 sieht die Einstellung des Umsetzungsverfahrens für den Fall vor, dass nach Einschätzung des Sachwalters ein Anfechtungsanspruch besteht und nicht offensichtlich unbegründet ist. Die Formulierung „nicht offensichtlich unbegründet“ dürfte in der Praxis problematisch werden.

Das Insolvenzanfechtungsrecht ist eine Spezialmaterie, die zwingend umfangreiche Expertise erfordert. Zumindest dann, wenn der Sachwalter selbst nicht darüber verfügt, ist damit zu rechnen, dass regelmäßig kostenintensive Gutachten (zu Lasten der verwalteten Masse) beauftragt werden (müssen). Bei nicht eindeutigen Konstellationen wird selbst ein sachkundiger Sachwalter zur eigenen Entlastung im Zweifel externen Rat einholen (müssen).

 

2. Bildung sog. Sondermassen (Abs. 3)

§ 38 Abs. 3 VDuG-E sieht vor, dass der auf den kollektiven Gesamtbetrag entfallende Teil der nach Absatz 2 an die Masse zurückgewährten Zahlungen eine Sondermasse zur Befriedigung derjenigen Verbraucher bildet, die im Rahmen des Umsetzungsverfahrens einen berechtigten Zahlungsanspruch gehabt hätten. Dies gilt jedoch nicht für Zahlungen, die der Insolvenzanfechtung unterliegen.[15]

Die Entwurfsbegründung führt dazu aus, dass die Bildung einer Sondermasse aus auf den kollektiven Gesamtbetrag geleisteten Zahlungen gerechtfertigt ist, “wenn und weil diese Zahlungen vor der Insolvenz anfechtungsfest aus dem Vermögen der Unternehmerin oder des Unternehmers ausgeschieden sind und als Haftungsmasse bereits abschließend den an der Verbandsklage teilnehmenden Verbraucherinnen und Verbrauchern mit berechtigten Zahlungsansprüchen zugewiesen waren.“[16]

 

a) Systemwidrige Schaffung insolvenzrechtlicher Vorrechte

Mit der Bildung von Sondermassen werden insolvenzrechtliche Vorrechte geschaffen. Der InsO-Gesetzgeber hat mit der Abschaffung der Konkursvorrechte jedoch eine Grundsatzentscheidung getroffen: Die Konkursvorrechte beruhen auf keinem einleuchtenden Grundgedanken. Sie sind wirtschaftlich nicht gerechtfertigt, und sie führen zu ungerechten Verfahrensergebnissen. (…) Auch ordnungspolitisch sind insolvenzspezifische Vorzugsstellungen nicht unbedenklich. (…) Mehr Verteilungsgerechtigkeit läßt sich dadurch herstellen, daß die Konkursvorrechte des § 61 Abs. 1 KO und vergleichbare Vorrechte in anderen gesetzlichen Vorschriften ersatzlos wegfallen.“ [17]

 

b) Gleichstellung kleiner Unternehmen mit Verbrauchern

Sollte sich der Gesetzgeber entschließen, ein systemwidriges insolvenzrechtliches Vorrecht für VDuG-Verbraucher einzuführen, bleibt unklar, worin der verfassungsrechtlich gebotene sachliche Differenzierungsgrund zu den sonstigen (Verbraucher-)Gläubigern titulierter Forderungen im Insolvenzverfahren liegen soll.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der – von § 13 BGB abweichenden – Ausdehnung der Verbraucherdefinition auf kleine Unternehmen, auch wenn kleine Unternehmen allein für die prozessualen Regelungen dieses Gesetzes als Verbraucher gelten.[18] So sieht § 1 Abs. 2 VDuG-E vor, dass kleine Unternehmen, die weniger als 50 Personen beschäftigen und deren Jahresumsatz oder Jahresbilanz 10 Millionen Euro nicht übersteigt, als Verbraucher i.S.d. VDuG gelten sollen.

Die besondere soziale Motivation des Verbraucherschutzes rückt hier völlig in den Hintergrund. Auch die umzusetzende Richtlinie[19] definiert als Verbraucher (lediglich) „(…) jede natürliche Person, die zu Zwecken handelt, die außerhalb ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit liegen“ (Art. 3 Nr. 1)).[20]

 

3. Restrukturierungspläne (Abs. 5)

Absatz 5 sieht vor: „Werden die in einem Abhilfegrundurteil ausgeurteilten Ansprüche in einen Restrukturierungsplan nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz einbezogen, so ist für die betroffenen Anspruchsinhaber im Restrukturierungsplan eine eigenständige Gruppe zu bilden. Die Abwicklung der durch den Plan gestalteten Verbraucherforderungen ist dem Restrukturierungsbeauftragten zu übertragen.“

Absatz 5 soll ausweislich der Entwurfsbegründung sicherstellen, dass die Anspruchsberechtigten als Gruppe nicht überstimmt werden können, wenn der Plan ihnen nicht zumindest den Wert zuspricht, den im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die dort zu bildende Sondermasse i.S.d. Abs. 3 hätte.[21]

Die zwingende Bildung einer eigenständigen Gruppe i.S.d. § 9 StaRUG[22] für die in einem Abhilfegrundurteil ausgeurteilten Ansprüche begegnet ebenfalls den zur Bildung einer Sondermasse geschilderten Bedenken einer Privilegierung bestimmter (Verbraucher-)Gläubiger (siehe oben zu Abs. 3). Unklar bleibt zudem, wie die Abstimmung innerhalb der Gruppe selbst erfolgen soll. So ist bspw. fraglich, ob aufgrund der Ausgestaltung des Abhilfeverfahrens als Kollektivverfahren eine (einheitliche) Abstimmung durch den Sachwalter erfolgen soll oder ob und ggf. wie den betroffenen Verbrauchern einzelne Stimmrechte zuzuweisen sind.[23]

Die Übertragung der Abwicklung der durch den Plan gestalteten Verbraucherforderungen auf den Restrukturierungsbeauftragten (Absatz 5 Satz 2) wirft weitere Fragen auf. Fraglich ist u.a., ob es sich hierbei um eine bewusste Abweichung von § 71 Abs. 1 Satz 1 StaRUG handelt. Fraglich ist ferner ob der Restrukturierungsbeauftragte sodann unmittelbar Zugriff auf den Umsetzungsfonds (§ 25 VDuG-E) erhalten soll, bzw. ob und ggf. welche Pflichten des Sachwalters von ihm übernommen werden (müssen). Die Aufgabe selbst und vor allem die Unklarheiten werfen zudem Probleme bei Budgetierung der Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten auf, die nach §  81 Abs. 4 StaRUG bereits bei seiner Bestellung erfolgen soll, wobei die Vergütung – als Auslagen des Restrukturierungsgerichts –vom Schuldner des Restrukturierungsverfahrens zu tragen ist. Sachgerecht wäre demgegenüber, den Restrukturierungsbeauftragten für die übertragenen Sachwalter-Aufgaben wie den Sachwalter zu vergüten; dies bedürfte aber einer ausdrücklichen Regelung.

 

II. Der Sachwalter im Umsetzungsverfahren (§§ 23 ff. VDuG-E)

1. § 23 VDuG-E – Bestellung des Sachwalters

a) § 23 Abs. 1-3 VDuG-E

§ 23 Abs. 1 VDuG-E regelt, dass das Gericht einen Sachwalter bestellt, zu dessen Person vor seiner Bestellung die Parteien des Abhilfeverfahrens gehört werden sollen. Zum Sachwalter ist eine geeignete und von den Parteien unabhängige Person zu bestellen, wobei die Unabhängigkeit nicht schon dadurch ausgeschlossen wird, dass die Person von einer Partei vorgeschlagen worden ist (§ 23 Abs. 2 Satz 1 und 2 VDuG-E). Das Gericht kann von der als Sachwalter vorgesehenen Person den Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung verlangen, deren Deckungssumme dem Umfang des Umsetzungsverfahrens angemessen ist (§ 23 Abs. 2 Satz 3 VDuG-E). Über seine Bestellung erhält der Sachwalter vom Gericht eine Urkunde, die er bei Beendigung seines Amtes dem Gericht zurückzugeben hat (§ 23 Abs. 3 VDuG-E).

Obwohl die Entwurfsbegründung darauf verweist, dass die Regelung des § 23 Abs. 2 VDuG Anlehnung an § 9 Abs. 1 der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung (SVertO) nimmt,[24] zeigen die Formulierungen zur Geeignetheit und Unabhängigkeit des Sachwalters, zum Vorschlagsrecht, zur Bestellurkunde und das Amt des Sachwalters deutliche Bezüge zu § 56 InsO (Bestellung des Insolvenzverwalters) und § 74 Abs. 1 StaRUG (Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten).

Dies ist nicht verwunderlich, da die SVertO häufig auf insolvenzrechtliche Regelungen Bezug nimmt.[25] Bereits das seerechtliche Verteilungsverfahren nach der SeeVertO war ein dem Konkurs- und dem Vergleichsverfahren nachgebildetes Verfahren.[26] Das deutsche Insolvenzrecht hat sich seit dem Inkrafttreten der SeeVertO deutlich fortentwickelt. Diese Fortentwicklung sollte der Entwurf des VDuG zwingend berücksichtigen.

Die Ausgestaltung der Bestimmungen zum Sachwalter zeigen, dass in bestimmten Formen kollektiver Verfahren regelmäßig und zu Recht auf das Berufsbild des Insolvenzverwalters und Sachwalters nach der InsO zurückgegriffen wird. 
 

aa) natürliche Person

Die Richtlinie[27] führt in den Erwägungsgründen aus, dass von Verbrauchern gefordert werden kann, „zur Erlangung individueller Abhilfe bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, wie beispielsweise sich bei der für die Durchsetzung der Abhilfeentscheidung zuständigen Einrichtung zu melden“[28].

Die Entwurfsbegründung sieht vor, dass die „für die Durchsetzung der Abhilfegrundentscheidungen im Umsetzungsverfahren zuständige Stelle (…) die vom Gericht zu bestellende Sachwalterin oder der vom Gericht zu bestellende Sachwalter[29] ist.

Zu Recht sollen ausweislich der Entwurfsbegründung[30] nur natürliche Personen als Sachwalter in Betracht kommen. Hilfreich wäre jedoch eine Klarstellung in der Norm selbst.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 2016 die Entscheidung des Gesetzgebers bestätigt, dass nach § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO nur natürliche Personen zum Insolvenzverwalter bestellt werden können.[31]

 

 
bb) Eignung, Unabhängigkeit, Zulassung

 

(1) Eignung

Zu den Anforderungen an den zu bestellenden Sachwalter führt die Entwurfsbegründung aus:

„(…) Die Eignung ist vom Gericht unter Berücksichtigung des Umfangs, der Komplexität und der zu erwartenden Schwierigkeit des Umsetzungsverfahrens zu beurteilen. Als Sachwalter kommen beispielsweise Rechtsanwälte, Steuerberater, Betriebswirte, Insolvenzverwalter oder Wirtschaftsprüfer in Betracht. Wenn Umfang oder Komplexität des Umsetzungsverfahrens es erfordern, kommen Berufsträger in Betracht, die nicht nur über eine qualifizierende Ausbildung und einschlägige Berufserfahrung verfügen, sondern auch über entsprechend ausgestattete Büros mit besonders geschulter Mitarbeiterschaft. Insbesondere große Umsetzungsverfahren, bei denen eine Vielzahl von Einzelansprüchen zu prüfen ist, werden sich nur mit einem größeren Mitarbeiterstab und der nötigen technischen Ausstattung sachgerecht und in angemessener Zeit bewältigen lassen. In einfach gelagerten Umsetzungsverfahren kann hingegen eine Sachwalterin oder ein Sachwalter gewählt werden, die oder der eine überschaubare Zahl von Verbraucheransprüchen nicht nur schnell, sondern mit geringem finanziellen Aufwand abwickeln kann. (…).“[32]

Zu Recht verweist die Entwurfsbegründung darauf, dass als Sachwalter bei umfangreichen und komplexen Umsetzungsverfahren nur Berufsträger in Betracht kommen, die über eine qualifizierende Ausbildung und einschlägige Berufserfahrung verfügen.

Unklar bleibt jedoch, ob sich das Erfordernis der „einschlägigen“ Berufserfahrung auf den jeweiligen Beruf der in der Begründung angegeben Berufsgruppen bezieht oder nicht vielmehr auf die Abwicklung von Verfahren mit einer Vielzahl von Beteiligten.

Einschlägige Erfahrungen mit der Abwicklung von Verfahren mit einer Vielzahl von Beteiligten dürften von den in der Entwurfsbegründung genannten Berufsgruppen regelmäßig nur Insolvenzverwalter aufweisen können.

Der Entwurf spricht im Zusammenhang mit der (persönlichen) Eignung auch das Erfordernis entsprechend ausgestatteter Büros mit besonders geschulter Mitarbeiterschaft an.

Eine angemessene Personal- und Technikausstattung für die Abwicklung von Massenverfahren dürfte ebenso (nur) bei Insolvenzverwaltern nach § 56 InsO und Sachwaltern nach § 274 InsO vorliegen. So sieht die Insolvenzordnung bereits heute die Vorhaltung elektronischer Gläubigerinformationssysteme vor (§ 5 Abs. 5 InsO), mittels derer den Gläubigern (und dem Gericht) maßgebliche Informationen zum Verfahren auf elektronischem Weg zur Verfügung gestellt werden. Diese Gläubigerinformationssysteme haben sich in den vergangenen Jahren vielfach auch in Verfahren mit weit mehr als 100.000 Beteiligten, in Einzelfällen sogar bei mehr als 1.000.000 Beteiligten, bewährt. Die Mitglieder des VID sind ferner den „Grundsätzen ordnungsgemäßer Insolvenz- und Eigenverwaltung“ (GOI) verpflichtet, die unter Ziff. III.9 die Vorhaltung eines elektronischen Gläubigerinformationssystems (GIS) unabhängig von den in § 5 Abs. 5 InsO genannten Größenklassen von Verfahren vorsehen.[33] Eine entsprechende Verpflichtung sollte auch im VDuG-E gesetzlich verankert werden, um die Transparenz des Umsetzungsverfahrens zu erhöhen und für größtmögliche Barrierefreiheit auf Seiten der Beteiligten zu sorgen.

 

(2) Unabhängigkeit

Weitere Bestellvoraussetzung für den Sachwalter ist dessen Unabhängigkeit von den Parteien des Abhilfeverfahrens (§ 23 Abs. 2 Satz 1 und 2 VDuG-E). Parteien des Abhilfeverfahrens sind die klageberechtigte Stelle und der beklagte Unternehmer.[34] Die betroffenen Verbraucher selbst sind nicht Klagepartei.[35] Das Umsetzungsverfahren dient sodann der Erfüllung der berechtigten Ansprüche (namentlich noch nicht benannter) betroffener Verbraucher, die sich dem Abhilfeverfahren angeschlossen haben.[36]

Der vorgesehene Zuschnitt der Unabhängigkeit des Sachwalters von den Parteien des Abhilfeverfahrens ohne die Einbeziehung der betroffenen Verbraucher ist unzureichend. Beispielhaft sei darauf verwiesen, dass nach dem Entwurf keine Inhabilität anzunehmen wäre, wenn der Sachwalter in einem (früheren) Mandatsverhältnis zu (einer Vielzahl) betroffener Verbraucher steht, obwohl dies seine Entscheidungen im Verfahren unmittelbar beeinflussen könnte.

Im Insolvenzrecht wird der Begriff der Unabhängigkeit daher zu Recht weiter gefasst. Danach ist der Insolvenzverwalter eine von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige (natürliche) Person (§ 56 Abs. 1 InsO). Mögliche Interessenkollisionen[37] werden dabei bereits im Vorfeld vom Gericht beim Insolvenzverwalter erfragt. Dazu wird regelmäßig der vom Bundesarbeitskreis Insolvenz- und Restrukturierungsgerichte (BAKinso) und dem VID entwickelte Fragebogen zur Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters genutzt.[38] Hier wird insbesondere auch auf § 138 InsO verwiesen, der den Kreis der nahestehenden Personen definiert und auch in diesem Zusammenhang zur weiteren Schärfung der Unabhängigkeit des Sachwalters herangezogen werden sollte. Sobald dem Sachwalter nahestehende Personen als Parteien des Abhilfeverfahrens oder als Verbraucher betroffen sind, sollte die Inhabilität gesetzlich vermutet werden. Die uneingeschränkte Unabhängigkeit des Sachwalters stärkt letztendlich vor allem auch das Vertrauen aller am Umsetzungsverfahren Beteiligten.

 

(3) Zulassung

Die gerichtlichen Aufgaben und Entscheidungen des Umsetzungsverfahrens sollen grundsätzlich von dem Oberlandesgericht wahrgenommen und getroffen werden, das über die Abhilfeklage entschieden hat (§ 22 VDuG).[39]

Der Entwurf enthält jedoch keine Ausführungen dazu, aus welchem „Pool“ die zuständigen Oberlandesgerichte den künftigen Sachwalter auszuwählen haben, insbesondere, ob hierzu eine bundesweite Übersicht/Liste der zur Sachwalterbestellung grundsätzlich geeigneten und zur Tätigkeit bereiten Personen vorgesehen ist. In die Bestellung von Amtsträgern in Insolvenzverfahren sind Oberlandesgerichte nicht eingebunden, so dass in aller Regel keine Erkenntnisse über den Kreis geeigneter Personen und persönliche Eignungsmerkmale vorliegen dürften.

Die Justizministerkonferenz (JuMiKo) hat sich in Bezug auf die Vorausauswahl von Insolvenzverwaltern bereits im Beschluss vom 11.11.2021 dafür ausgesprochen, dass eine zentrale (nach bundeseinheitlichen Kriterien geführte) Vorauswahlliste geschaffen und durch eine behördliche Stelle geführt werden sollte.“ Das BMJ(V) wurde zudem gebeten „einen Gesetzentwurf zur Schaffung einer zentralen, durch eine behördliche Stelle geführten Vorauswahlliste für Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter vorzulegen, und dabei auch die von der Arbeitsgruppe weiter erzielten Ergebnisse zu berücksichtigen.[40] Der Entwurf wird zeitnah erwartet.

Zum Hintergrund wurde im Beschluss der JuMiKo ausgeführt:

„(…) teilen die Einschätzung, dass die derzeitige Rechtslage, nach der es grundsätzlich der einzelnen Insolvenzrichterin oder dem einzelnen Insolvenzrichter obliegt, eine eigene Vorauswahlliste für Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter zu erstellen und zu pflegen, zu einem unbefriedigenden, durch Uneinheitlichkeit geprägten Zustand geführt hat. Die Justizministerinnen und Justizminister sehen insofern gesetzgeberischen Handlungsbedarf.“[41]

Es würde sich anbieten, das hier geplante bundesweite Verzeichnis um eine Kategorie für solche Berufsträger zu erweitern, die bereit sind auch oder ausschließlich als Sachwalter in Umsetzungsverfahren nach dem VDuG tätig zu werden. Zweitrangig ist dabei die Frage, ob das Verzeichnis durch eine behördliche oder eine andere Stelle geführt wird; entscheidend ist, dass es sich um eine einzige Stelle handelt, damit eine einheitliche Führung gewährleistet ist und die Gerichte sich für die Auswahl nur an eine Informationsquelle halten können.

Nachdem sich im Bereich der Bestellung von Amtsträgern in Insolvenz- und Restrukturierungssachen abzeichnet, dass ein kodifiziertes Berufsrecht vor allem mit klaren und transparenten Regeln zur Zulassung und zur Vorauswahlliste zeitnah geschaffen werden wird, sollte sich die Auswahl des Sachwalters im Bereich der Verbandsklagen daran orientieren und nicht hinter neuen und modernen Regelungen in vergleichbaren Bereichen zurückbleiben und neue verfassungsrechtliche Probleme aufwerfen.

 

cc) Berufshaftpflichtversicherung

„Das Gericht kann von der als Sachwalter vorgesehenen Person den Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung verlangen, deren Deckungssumme dem Umfang des Umsetzungsverfahrens angemessen ist.“ (§ 23 Abs. 2 Satz 3 VDuG-E).

Fraglich ist, ob eine reguläre Berufshaftpflichtversicherung der in der Entwurfsbegründung aufgezählten Berufsträger („Rechtsanwälte, Steuerberater, Betriebswirte, Insolvenzverwalter oder Wirtschaftsprüfer“) etwaige entstehende Haftungsschäden im Rahmen eines Umsetzungsverfahrens nach VDuG überhaupt absichert. So reicht etwa bei einem Insolvenzverwalter, der zugleich als Rechtsanwalt zugelassen ist, der Versicherungsschutz aus der anwaltlichen Pflichtversicherung für die Tätigkeit als Insolvenzverwalter i.d.R. nicht aus, da diverse Risiken der Tätigkeit als Insolvenzverwalter nicht abgedeckt sind.[42]

Der bereits angesprochene Beschluss der JuMiKo vom 11.11.2021 verwies auf die Berücksichtigung der von einer zuvor eingesetzten Arbeitsgruppe dazu erzielten Ergebnisse.[43]

Die Arbeitsgruppe hatte zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Insolvenzverwaltern ausgeführt, dass “Die Bewerberin oder der Bewerber (…) über eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung verfügen [muß], welche die spezifischen Haftungsrisiken aus Insolvenzverwaltungen deckt. Die einheitliche Grunddeckungssumme der Versicherung muss sich am Durchschnitt der zu erwartenden Schäden in den Verfahren orientieren, für welche die Vorauswahlliste aufgestellt wird.[44]

In den bereits erwähnten GOI des VID wird schon heute der stets vorzuhaltende Mindestversicherungsschutz auf 2 Mio. € pro Versicherungsfall und 4 Mio. € Jahreshöchstleistung (zweifache Versicherungssumme für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres) festgeschrieben. Darüber hinaus wird der Verwalter angehalten, den Versicherungsschutz ständig zu überprüfen und bei besonderen Haftungsrisiken unverzüglich eine angemessene zusätzliche Versicherung für das einzelne Verfahren abzuschließen.[45]

Der Nachweis der Haftpflichtversicherung ist im Entwurf im Übrigen lediglich als „Kann“-Bestimmung formuliert.

Die Entwurfsbegründung führt dazu aus: „(…) Um die Interessen der verurteilten Unternehmerin oder des verurteilten Unternehmers, aber auch die Interessen berechtigter Verbraucherinnen und Verbraucher zu wahren, kann es erforderlich sein, dass die Sachwalterin oder der Sachwalter [über] eine angemessene Berufshaftpflichtversicherung verfügt, die einspringt, sollten im Laufe des Umsetzungsverfahrens Regressansprüche gegen die Sachwalterin oder den Sachwalter entstehen. Das Gericht kann von der Sachwalterin oder dem Sachwalter einen entsprechenden Nachweis verlangen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn ein großer Betrag zu verwalten und ein komplexes Umsetzungsverfahren durchzuführen ist.“[46]

An dieser Stelle bleibt zum einen unklar, ab welcher Summe („großer Betrag“) der Versicherungsnachweis zu führen ist, zum anderen sollte – schon um den Zweck der gesetzlichen Regelung im Regressfall[47] nicht zu gefährden – die Vorlage eines Versicherungsnachweises stets verpflichtend sein.[48]

Klarzustellen wäre, dass zumindest die Kosten einer über den gesetzlichen Standard hinausgehenden Berufshaftpflichtversicherung aus dem Fond getragen werden. Andernfalls schmälern die Kosten einer solchen Versicherung den Vergütungsanspruch und könnten ihn sogar übersteigen.

 

dd) Amtsträger

Der Entwurf sieht vor, dass der Sachwalter seine Bestallungsurkunde bei Beendigung seines Amtes dem Gericht zurückzugeben hat (Abs. 3 Satz 2 VRUG-E), ordnet den Sachwalter mithin als Amtsträger ein. Die Entwurfsbegründung enthält dazu keine weiteren Ausführungen. Die Bestallungsurkunde dient lediglich dazu „sich im Umsetzungsverfahren gegenüber Dritten ausweisen zu können“.[49]

Von den in der Entwurfsbegründung beispielhaft genannten Berufen,[50] die als Sachwalter in Betracht kommen, dürften neben anwaltlichen Berufsbetreuern und -pflegern lediglich Insolvenzverwalter regelmäßig als gerichtlich bestellte und vom Gericht überwachte Amtsträger tätig sein, wobei die Neutralitätspflicht und die regelmäßige Verwaltung großer Vermögen nirgends so ausgeprägt sein dürfte wie bei Amtsträgern in Insolvenzverfahren.

 

b) § 23 Abs. 4 VDuG-E

Der Entwurf sieht in § 23 Abs. 4 VDuG-E vor, dass ein Sachwalter von den Parteien aus denselben Gründen, die nach § 42 ZPO zur Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit berechtigen, abgelehnt werden kann. Auch ist eine Ablehnung wegen Ungeeignetheit möglich (§ 23 Abs. 4 Satz 3 VDuG-E).

Unabhängig von den Gründen die zur Ablehnung eines Richters gemäß § 42 ZPO berechtigen, dürfte für eine Ablehnung des Sachwalters wegen fehlender Unabhängigkeit i.S.d. § 23 Abs. 2 VDuG-E zwingend die Kenntnis der Parteien hiervon notwendig sein. Es empfiehlt sich daher, den im Insolvenzrecht üblichen Fragebogen zur Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters, der bspw. auch die Frage nach etwaig nahestehenden Personen[51] umfasst, auch im geplanten Umsetzungsverfahren zu etablieren. Etwaige unvollständige oder falsche Angaben des Sachwalters wären damit auch schriftlich festgehalten.

Die im Referentenentwurf noch vorgesehene Möglichkeit, gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für unbegründet erklärt wird, Rechtsbeschwerde einzulegen, wurde bedauerlicherweise gestrichen[52] und sollte wieder vorgesehen werden.

 

2. § 25 VDuG-E – Umsetzungsfonds

Der Umsetzungsfonds, den der Sachwalter errichtet, verwaltet und über den er verfügt,[53] ist vom Vermögen des Sachwalters getrennt zu führen (§ 25 Abs. 1 und 2 VDuG-E).

In den vom Sachwalter zu errichtenden Umsetzungsfonds sind der vorläufig festgesetzte Kostenbetrag und ggf. der kollektive Gesamtbetrag sowie ggf. dessen Erhöhung einzuzahlen (§ 25 Abs. 1 Satz 2 VDuG-E).

Zu Recht weist Bruns darauf hin, dass nach der Gesetzesformulierung unklar ist, wer die Einzahlung vorzunehmen hat, d.h. der Sachwalter oder der verurteilte Unternehmer.[54] In der Entwurfsbegründung wird lediglich ausgeführt, dass es (lediglich) „möglich“ sei, dass der Sachwalter den verurteilten Unternehmer anweist, direkt auf ein bestimmtes Konto, das dem Umsetzungsfonds zuzuordnen ist, überweist.[55] Dies hieße im Umkehrschluss, dass auch andere Alternativen denkbar sind, wodurch jedoch die Regelung des § 25 Abs. 4 VDuG-E, wonach die Gelder des Umsetzungsfonds nicht der Pfändung unterliegen, in der Insolvenz des Sachwalters gefährdet wird.

Die Gelder, so die Entwurfsbegründung weiter, können etwa auf ein eigens dafür eingerichtetes Konto eingezahlt werden. Die Sachwalter „erhält die Gelder nur zu treuen Händen.“[56] Er hat die unmittelbare Verfügungsbefugnis, kann also das Konto selbst führen und auf die Gelder unmittelbar selbst zugreifen.[57]

Die Regelung ist auch an dieser Stelle unzureichend, da unklar ist, welche Art von Konto vom Sachwalter vorzuhalten ist. So befasste sich der Bundesgerichtshof 2019 (IX ZR 47/18) mit den Pflichten des Kreditinstituts bei der Kontoführung in der Insolvenz. Ein wesentlicher Aspekt der Entscheidung betraf dabei die Art des vom Insolvenzverwalter bei der Bank geführten Kontos. Der BGH erklärte die Führung von Anderkonten (Vollrechts-Treuhandkonten) als Insolvenzkonten für unzulässig und stellte auf die Führung von Insolvenz-Sonderkonten ab.[58] Hierbei ist zum einen die Insolvenzsicherheit der auf den Sonderkonten geführten Vermögen von tragender Bedeutung; zum anderen ist bei einem amtsbezogenen Sonderkonto – anders als beim personenbezogenen Anderkonto – der unproblematische Zugriff durch einen etwaigen Amtsnachfolger gewährleistet.

 

3. § 27 VDuG-E – Aufgaben des Sachwalters

Im Hinblick auf die nachfolgend unter § 27 VDuG-E genannten Aufgaben und Befugnisse des Sachwalters finden sich deutliche Parallelen zur Tätigkeit des Insolvenzverwalters und Sachwalters nach der InsO:

„(…)

  1. er weist dem Gericht den Erhalt folgender Beträge nach:

a) den Erhalt des vorläufig festgesetzten Kostenbetrags und

b) für den Fall der Verurteilung zur Zahlung eines kollektiven Gesamtbetrags den Erhalt des kollektiven Gesamtbetrags sowie gegebenenfalls dessen Erhöhung,

  1. er kann vom Bundesamt für Justiz einen Auszug aus dem Verbandsklageregister verlangen, der die am Umsetzungsverfahren teilnehmenden Verbraucher sowie sämtliche Angaben ausweist, die im Verbandsklageregister zu den geltend gemachten Ansprüchen vermerkt sind,
  1. er prüft die Anspruchsberechtigung der am Umsetzungsverfahren teilnehmenden Verbraucher nach Maßgabe des Abhilfegrundurteils,
  1. er setzt den am Umsetzungsverfahren teilnehmenden Verbrauchern, sofern er dies für erforderlich hält, eine Frist zur Vorlage der Berechtigungsnachweise,

  2. er kann im Einzelfall ergänzende Erklärungen der Verbraucher oder des Unternehmers verlangen und zu diesem Zwecke Fristen setzen,
  1. er kann nicht fristgerecht eingegangene Berechtigungsnachweise und Erklärungen zurückweisen, wenn er den betroffenen Verbraucher zuvor auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat,
  1. er stellt die Gesamthöhe der berechtigten Ansprüche aller Verbraucher auf Zahlung in einem Auszahlungsplan zusammen,
  1. er informiert die Parteien, sofern der kollektive Gesamtbetrag nicht zur Erfüllung der berechtigten Zahlungsansprüche aller angemeldeten Verbraucher ausreicht,
  1. er erfüllt berechtigte Ansprüche von Verbrauchern auf Zahlung und sorgt für den Fall, dass nach dem Auszahlungsplan der kollektive Gesamtbetrag nicht zur Erfüllung der berechtigten Ansprüche aller Verbraucher ausreicht, für eine gleichmäßige Verteilung,
  1. er fordert für den Fall der Verurteilung zu einer anderen Leistung als zur Zahlung den Unternehmer zur Erfüllung berechtigter Verbraucheransprüche auf, setzt ihm zu diesem Zweck angemessene Fristen und verlangt die Anzeige der Erfüllung sowie die Vorlage von Nachweisen und
  1. er kann die Erfüllung geltend gemachter Ansprüche von Verbrauchern ganz oder teilweise ablehnen.“

Unklar ist jedoch, welche der genannten Aufgaben[59] vom Sachwalter, insbesondere in Massenverfahren, höchstpersönlich auszuführen sind und welche er seinen Mitarbeitern, bzw. kostenpflichtig beauftragten Dritten übertragen kann. So kann der Sachwalter ausweislich der Entwurfsbegründung Dritte zur Unterstützung bei der Wahrnehmung der Aufgaben im Umsetzungsverfahren heranziehen, um eine zügige und reibungslose Durchführung des Umsetzungsverfahrens zu gewährleisten.[60] Ebenso können „Legal Tech Tools eingesetzt werden, die die Prüfung der Anspruchsberechtigung durch automatisierte Verfahren erleichtern.“[61]

Die Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenz- und Eigenverwaltung (GOI) des VID sehen bereits heute vor, welche Aufgaben der Insolvenzverwalter zwingend persönlich wahrzunehmen hat, so u.a. grundlegende verfahrensleitende Entscheidungen zu treffen.[62]

 

4. § 30 VDuG-E – Gerichtliche Aufsicht; Zwangsmittel gegen den Sachwalter

§ 30 Abs. 3 Satz 3 VDuG-E sieht vor, dass das Gericht den Sachwalter – nach vorheriger Androhung – aus wichtigem Grund entlassen kann. So etwa, wenn sich erweist, dass die bestellte Person eine ordnungsgemäße Abwicklung des Umsetzungsverfahrens nicht gewährleistet oder für die Aufgabe ungeeignet ist.[63]

An dieser Stelle sollte deutlicher werden, dass auch eine Entlassung wegen fehlender Unabhängigkeit des Sachwalters möglich ist. § 59 Abs. 1 Satz 3 InsO macht deutlich, dass der fehlenden Unabhängigkeit im Rahmen der Entlassungsgründe eine besondere Bedeutung zukommt.

 

5. § 31 VDuG-E – Haftung des Sachwalters

Ausweislich des Entwurfs hat der Sachwalter für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Sachwalters einzustehen (§ 31 Satz 2 VDuG-E).

Verletzt er schuldhaft ihm nach dem VDuG obliegende Pflichten, so ist er zum Schadensersatz verpflichtet, und zwar dem Unternehmer, wenn die verletzte Pflicht den Schutz des Unternehmers bezweckt, und dem Verbraucher, wenn die verletzte Pflicht den Schutz des Verbrauchers bezweckt (§ 31 Satz 1 Nr. 1 und 2 VDuG-E).

Der Entwurfsbegründung ist zu entnehmen, dass sich die Regelung an § 60 Abs. 1 InsO anlehnt und den Unternehmer insbesondere davor schützen soll, dass der Sachwalter Auszahlungen an Verbraucher ohne ordnungsgemäße Prüfung der Berechtigung vornimmt. Zudem sollen Verbraucher vor etwaigen Pflichtverletzungen des Sachwalters geschützt werden.[64]

Die Haftung für Pflichtverletzungen ist für die geschützten Personenkreise jedoch nur dann sichergestellt, wenn der Abschluss einer spezifischen Haftpflichtversicherung des Sachwalters in ausreichender Höhe zwingend vorgeschrieben ist (vgl. oben).

 

6. § 32 VDuG-E – Ansprüche des Sachwalters (Vergütung)

§ 32 Abs. 1 VDuG-E sieht vor, dass der Sachwalter Anspruch hat auf die Erstattung der Auslagen, die er zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben begründet (Nr. 1), auf eine angemessene Vergütung für seine Geschäftsführung (Nr. 2) und auf einen Vorschuss auf seine Auslagen und seine Vergütung, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendig ist (Nr.3).

 

a) Auslagen

„Zu den Auslagen, so die Entwurfsbegründung, gehören insbesondere auch Verbindlichkeiten, die die Sachwalterin oder der Sachwalter im Rahmen ihrer oder seiner Befugnisse begründet. Verbindlichkeiten können beispielsweise in der Form entstehen, dass die Sachwalterin oder der Sachwalter eine Dritte oder einen Dritten zur Unterstützung bei der Wahrnehmung der Aufgaben im Umsetzungsverfahren heranzieht, um eine zügige und reibungslose Durchführung des Umsetzungsverfahrens zu gewährleisten. Dies können Aufgaben sein, die die Sachwalterin oder der Sachwalter nicht selbst erledigen kann, etwa die Einrichtung und das Betreiben eines Online-Portals, auf dem Verbraucherinnen und Verbraucher bestimmte Berechtigungsnachweise hochladen können. Bei umfangreichen Umsetzungsverfahren mag es auch erforderlich sein, dass die Sachwalterin oder der Sachwalter in größerem Umfang Dritte zur Aufgabenerfüllung heranzieht, um eine zügige Abwicklung gewährleisten zu können.“[65]

„Erstattungsfähig, so die Entwurfsbegründung weiter, sind dabei nur Auslagen, die der Sachwalterin oder dem Sachwalter zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer oder seiner Aufgaben entstehen. Auslagen, die nicht diesem Zweck dienen, sind nicht erstattungsfähig. Dies gilt insbesondere für Verbindlichkeiten gegenüber Dritten, die die Sachwalterin oder der Sachwalter begründet. Die Sachwalterin oder der Sachwalter ist gehalten, stets die Erforderlichkeit der Ausgaben zu bedenken und damit zugleich auch die Interessen der verurteilten Unternehmerin oder des verurteilten Unternehmers an einer kostenangemessenen Abwicklung ausreichend zu berücksichtigen. Die Einschränkung schützt die Unternehmerin oder den Unternehmer davor, mit Kosten belastet zu werden, die zur Durchführung des Umsetzungsverfahren nicht erforderlich sind. Ist die Sachwalterin oder dem Sachwalter unsicher, ob eine konkret geplante Auslage erstattungsfähig wäre, steht es ihr oder ihm frei, das Gericht um Prüfung zu ersuchen. Dies bietet sich insbesondere an, bevor sie oder er eine hohe Verbindlichkeit eingeht.“[66]

Positiv ist zu bewerten, dass die Kosten für die Einrichtung und den Betrieb von Online-Portalen als Auslagen erstattungsfähig sind. Unklar bleibt indes, wann eine „hohe“ Verbindlichkeit vorliegt und welcher Begründungsaufwand die „Erforderlichkeit“ der jeweiligen Auslage notwendig ist.

 

b) Vergütung

Der Entwurf spricht von einer „angemessenen Vergütung“ für die Geschäftsführung des Sachwalters.

Die Begründung führt dazu aus:

„Die Regelung entspricht § 9 Absatz 6 SVertO. Die Höhe der Vergütung ist nicht genau beziffert.

Die Angemessenheit ist vom Gericht anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls zu bemessen. Die Höhe kann beispielsweise nach der Qualifikation der Sachwalterin oder des Sachwalters, der Komplexität des Umsetzungsverfahrens und dem Haftungsrisiko der Sachwalterin oder des Sachwalters variieren. Grundsätze zur Angemessenheit der Vergütung wird die Rechtsprechung herausbilden. Sind die geleisteten Stunden für die Abwicklung des Umsetzungsverfahrens relevant, kann das Gericht einen angemessenen Stundensatz festlegen. In Umsetzungsverfahren, deren Aufwand in erster Linie aus der Bereitstellung von Online-Portalen und automatisierten Prüfverfahren besteht, kann aber eine Abrechnung nach Stundensätzen möglicherweise unangemessen erscheinen. Die für die Prüfung der einzureichenden Nachweise persönlich aufgewendete Zeit mag hier deutlich geringer sein. Dennoch bedarf es in solchen Fällen möglicherweise einer besonderen Qualifikation, um ein entsprechendes automatisiertes Prüfsystem überhaupt erst zu ermöglichen, oder die Verantwortlichkeit und das Haftungsrisiko der Sachwalterin oder des Sachwalters sind schon aufgrund der Höhe des zu verteilenden kollektiven Gesamtbetrags besonders hoch.“[67]

Der Hinweis der Entwurfsbegründung, wonach die Rechtsprechung Grundsätze zur Angemessenheit der Vergütung herausbilden wird, begegnet erheblichen Bedenken.[68] So ist nicht erkennbar, welche Vergütung der VDuG-Sachwalter für seine Tätigkeit erhält und ohne Vorgaben ist eine – anzustrebende – einheitliche Vergütungspraxis unterschiedlicher Gerichte schwer vorstellbar.

In Anbetracht der vorzuhaltenden technischen und personellen Ressourcen für das Umsetzungsverfahren ist dies für an der Sachwaltung interessierte Personen aus unternehmerischen Gründen kaum tragbar.

Die Entwurfsbegründung ist insoweit auch widersprüchlich, als dass sie zum einen auf die Regelung des § 9 Abs. 6 SVertO verweist, zum anderen auch die Möglichkeit von Stundensätzen vorsieht.

Eine Tendenz zur Abrechnung nach Stundensätzen lässt sich den Ausführungen zum „Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft“ (S. 75 des Entwurfes) entnehmen[69]:

„Da die Hauptaufgabe des Sachwalters darin bestehen soll, allein anhand der von den Anmeldern einzureichenden Nachweise deren Berechtigung schematisch festzustellen und daraufhin die Auszahlung nach der – mindestens formalartigen – Vorgabe des Gerichts zu veranlassen, wird pro Anmelder eine Bearbeitungszeit von nicht mehr als 30 Minuten angesetzt. Hiernach ergibt sich ein Gesamtaufwand von jährlich 5 625 Stunden. Unter Annahme eines durchschnittlichen Lohnkostensatzes für freiberufliche Tätigkeiten in Höhe von 44,40 Euro pro Stunde (Statistisches Bundesamt, Lohnkostentabelle Wirtschaft 2021, Kategorie M) entsteht den Unternehmen für die Vergütung von Sachwaltern voraussichtlich ein Gesamtaufwand von rechnerisch 249 750 Euro pro Jahr.“

Unabhängig von dem hier äußerst geringen Lohnkostensatz für freiberufliche Tätigkeiten soll auf Folgendes hingewiesen werden:

Die Abrechnung auf Basis eines (festgelegten) Stundensatzes birgt das Risiko, dass eine Vielzahl von Stunden zur Abrechnung gestellt wird, deren Erforderlichkeit von den Gerichten, bzw. vom Unternehmer im Rahmen der Schlussrechnung nur schwer zu überprüfen ist (§ 33 VDuG-E).

Im Insolvenzverfahren richtet sich die Vergütung des vom Gericht bestellten (vorläufigen) Insolvenzverwalters / Sachwalters nach der InsVV und wird nach dem Wert der Insolvenzmasse berechnet (vgl. §§ 1, 12 InsVV).

Auch der VDuG-Sachwalter ist im Umsetzungsverfahren nicht einzelnen Personen, sondern dem gemeinschaftlichen Interesse der Empfänger des zu verteilenden Gesamtbetrages verpflichtet. Die Vergütung des VDuG-Sachwalters sollte sich daher an der Vergütung der InsVV orientieren. Dies würde auch an frühere Vorbilder anknüpfen. Auch die InsVV schafft zwar keine abschließende Klarheit bei der konkreten Angemessenheit der Vergütung, ihr System mit Regelsätzen und Zuschlägen gibt aber Leitlinien zur Ermittlung der die Angemessenheit.

Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 9 Abs. 6 Satz 1 der Seerechtlichen Verteilungsordnung („Der Sachwalter kann aus der Haftungssumme eine angemessene Vergütung für seine Geschäftsführung und die Erstattung angemessener barer Auslagen verlangen.“) entsprach dieser § 43 der damaligen Vergleichsordnung.[70]

Die Vergütung des Vergleichsverwalters (§ 43 der Vergleichsordnung) wurde grundsätzlich nach dem Aktivvermögen des Schuldners und lediglich in den Ausnahmefällen des § 8 Abs. 3 der Vergütungsverordnung des Konkurs-/bzw. Vergleichsverwalters nach dem Gesamtbetrag der Vergleichsforderungen berechnet. Maßgeblich für die Berechnung der Vergütung waren dabei sog. Regelsätze.[71] Die Vergütung nach Regelsätzen bezugnehmend auf den Wert der Insolvenzmasse stellt, nachdem die Vergleichsordnung und die Konkursordnung 1999 von der Insolvenzordnung abgelöst wurden, noch heute den Grundsatz der Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters nach der InsVV dar.

Auch finden sich in der neueren Rechtsprechung Hinweise, wonach eine Festsetzung der Vergütungshöhe des Sachwalters im schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren in analoger Anwendung von § 2 InsVV erfolgte.[72]

 

c) Vorschuss

Der Sachwalter soll Anspruch auf einen Vorschuss auf seine Auslagen und seine Vergütung haben, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendig ist. Die Entwurfsbegründung sieht vor, dass ein Vorschuss vor „allem in umfangreichen Umsetzungsverfahren, die über einen längeren Zeitraum laufen (…)“ verlangt werden kann, bzw. in Fällen, in denen der Sachwalter die Hilfe Dritter in Anspruch genommen hat, diese ihre Hilfsleistung bereits voll erbracht haben und ihnen Werklohn zu zahlen ist, bevor das Umsetzungsverfahren beendet ist. [73]

Die Bezeichnung „längerer Zeitraum“ ist auslegungsbedürftig. Hier könnte sich eine Orientierung an § 9 Satz 2 InsVV empfehlen, wonach die Zustimmung zum Vorschuss erteilt werden soll, wenn das Insolvenzverfahren länger als sechs Monate dauert oder wenn besonders hohe Auslagen erforderlich werden.

Terminologisch ist darauf hinzuweisen, dass Zahlungen für bereits geleistete Tätigkeiten Abschlags- und keine Vorschusszahlungen sind.

 

d) Vergütungsantrag

§ 32 Abs. 2 VDuG-E sieht vor, dass das Gericht auf Antrag des Sachwalters die Höhe der Auslagen, der Vergütung und des Vorschusses festsetzt.

Es erschließt sich nicht, weshalb auch der „Vorschuss“ des Sachwalters vom Gericht festzusetzen ist. Dies dürfte nur in den Fällen sinnvoll sein, in denen der Vorschuss der endgültigen Vergütung angenähert ist oder sie perspektivisch zu übersteigen droht. An dieser Stelle sei nochmals darauf verwiesen, dass eine Abrechnung auf Basis von Stundenhonoraren die Planbarkeit der endgültigen Vergütung mangels Kenntnis der zu erwartenden Stundenanzahl für alle Beteiligten erschwert.

Die im Referentenentwurf[74] noch vorgesehene Möglichkeit der Rechtsbeschwerde des Sachwalters und des Unternehmers gegen den Beschluss, wurde bedauerlicherweise gestrichen und sollte wieder vorgesehen werden.

Die Erfahrungen in Beschwerdeverfahren der InsVV zeigen, dass sich nach Wegfall der Rechtsbeschwerde gemäß § 7 InsO a.F. die Vergütungsfestsetzungspraxis auf der Ebene der Landgerichte stark uneinheitlich entwickelt.

 

7. § 33 VDuG-E – Schlussrechnung

§ 33 VDuG-E sieht vor, dass der Sachwalter dem Gericht bei Beendigung seines Amtes Schlussrechnung zu legen hat. Die Rechnung einschließlich der Belege muss spätestens einen Monat nach Beendigung des Umsetzungsverfahrens elektronisch oder auf der Geschäftsstelle des Gerichts eingereicht werden (Nr. 1) und zur Einsicht des Unternehmers zur Verfügung stehen (Nr. 2). Das Gericht benachrichtigt den Unternehmer unverzüglich vom Eingang der Schlussrechnung. Der Unternehmer ist sodann berechtigt, Einwendungen gegen die Schlussrechnung zu erheben. Soweit binnen zwei Wochen nach der Benachrichtigung keine Einwendungen erhoben werden, gilt die Rechnung als anerkannt.

Die Entwurfsbegründung führt dazu aus:

Die Regelung ist an § 9 Absatz 7 SVertO angelehnt. Die Schlussrechnung enthält eine Aufstellung aller der Sachwalterin oder dem Sachwalter durch die Aufgabenwahrnehmung im Umsetzungsverfahren entstandenen Kosten sowie die beanspruchte Vergütung. Die Schlussrechnung gibt Aufschluss über die Verwendung des vorläufig festgesetzten Kostenbetrags, beispielsweise, weil Vorschüsse ausgezahlt worden sind, sowie noch ausstehende Forderungen der Sachwalterin oder des Sachwalters. (…) Erhebt die Unternehmerin oder der Unternehmer Einwendungen gegen die Schlussrechnung, so hat das Gericht Gelegenheit, sich mit dem Vorbringen auseinanderzusetzen, bevor es die Schlussrechnung und damit die geltend gemachten Kosten und die beanspruchte Vergütung billigt. Die vorgesehene Frist von zwei Wochen stellt einen zeitnahen Abschluss der Prüfung sicher. Erhebt die Unternehmerin oder der Unternehmer keine Einwendungen, gilt die Schlussrechnung als anerkannt. Die Unternehmerin oder der Unternehmer erklärt dadurch konkludent, dass die Kostenaufstellung der Schlussrechnung korrekt ist und die darin aufgeführten Kosten zu tragen sind. Diese Fiktion entlastet das Gericht von einer weiteren Prüfungspflicht.[75]

Die Frist für die Geltendmachung von Einwendungen des Unternehmers gegen die Schlussrechnung ist deutlich zu kurz bemessen. Insbesondere in Massenverfahren mit einer Vielzahl betroffener Verbraucher und entsprechenden Aktivitäten des Sachwalters sollte die Frist für den Unternehmer den Umständen angemessen sein und mindestens vier Wochen betragen.

 

8. § 35 VDuG-E – Prüfung des Schlussberichts und der Schlussrechnung

Schlussbericht und Schlussrechnung des Sachwalters werden vom Gericht geprüft (Abs. 1). Bei Beanstandungen fordert das Gericht den Sachwalter unter Fristsetzung dazu auf, der Beanstandung abzuhelfen (Abs. 2). Offen bleibt an dieser Stelle, ob das Gericht einen externen Prüfer beauftragen darf und wie die Kostentragung hierfür ggf. erfolgt. So ist in Insolvenzverfahren festzustellen, dass die Gerichte schon seit längerem – gerade nicht beschränkt auf besonders bedeutsame Verfahren – externe Schlussrechnungsprüfer zu Lasten der Insolvenzmassen beauftragen.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich eine Klarstellung für den Fall, dass die gesetzliche Fiktion des §  33 Satz 5 VDuG-E nicht greift, wonach eine inhaltliche Prüfung des Gerichts entfällt, wenn der Unternehmer innerhalb der festgelegten Frist keine Einwendungen gegen die Schlussrechnung erhoben hat.[76]

 

9. § 36 VDuG-E – Feststellung der Beendigung des Umsetzungsverfahrens

§ 36 Abs. 1 VDuG-E sieht vor, dass das Gericht die Beendigung des Umsetzungsverfahrens feststellt. Der gerichtliche Beschluss enthält neben der endgültigen Festsetzung der Kosten des Umsetzungsverfahrens die Festsetzung eines vom Unternehmer noch an den Sachwalter zu zahlenden Kostenbetrags, wenn die Kosten des Umsetzungsverfahrens den vorläufig festgesetzten Kostenbetrag übersteigen, sowie die Angabe, ob und in welcher Höhe ein Restbetrag verbleibt. Der Beschluss soll hinsichtlich seiner Vollstreckbarkeit einem Kostenfestsetzungsbeschluss gleichstehen.

Die im Referentenentwurf[77] noch vorgesehene Möglichkeit der Rechtsbeschwerde des Sachwalters und des Unternehmers gegen den Beschluss wurde bedauerlicherweise gestrichen und sollte wieder aufgenommen werden.

Die Regelung begegnet zudem erheblichen Bedenken in den Fällen, in denen der Unternehmer nach Bestellung und Aufnahme der Tätigkeit des Sachwalters insolvent wird.

Ausweislich § 38 Abs. 3 VDuG-E soll (lediglich) der auf den kollektiven Gesamtbetrag entfallende Teil der nach Absatz 2 an die Masse zurückgewährten Zahlungen eine Sondermasse zur Befriedigung derjenigen Verbraucher bilden, die im Rahmen des Umsetzungsverfahrens einen berechtigten Zahlungsanspruch gehabt hätten. Dies soll nicht für Zahlungen gelten, die der Insolvenzanfechtung unterliegen. Absatz 2 des § 38 VDuG-E regelt für den Fall der Einstellung des Umsetzungsverfahrens, dass alle nach § 24 erfolgten Zahlungen an die Insolvenzmasse zurückzugewähren sind. Die zurückzugewährenden Zahlungen gelten als auf den vorläufig festgesetzten Kostenbetrag (§ 18 Abs. 1 Nr. 3) und den kollektiven Gesamtbetrag (§ 18 Abs. 2) in dem Verhältnis geleistet, in dem beide Beträge zueinander stehen. „Von Bedeutung“, so die Entwurfsbegründung, „ist diese fiktive Tilgungsbestimmung für die in Absatz 3 Satz 1 ausgesprochene Rechtsfolge, wonach die auf den kollektiven Gesamtbetrag geleisteten und sodann an die Insolvenzmasse zurückerstatteten Zahlungen eine Sondermasse bilden sollen.[78]

Wenn der Sachwalter die Vergütung nicht insolvenzfest erhält, verliert die Übernahme des Amtes deutlich an Attraktivität. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Verurteilung des Unternehmers zur Zahlung eines kollektiven Gesamtbetrages durchaus zu einem Insolvenzgrund führen kann.

Daher würde sich eine Regelung wie in § 324 Abs. 1 Nr. 4 InsO anbieten, wonach u.a. die Kosten der Nachlasssicherung und einer Nachlasspflegschaft in einem Folge-Insolvenzverfahren über den Nachlass Masseverbindlichkeiten darstellen.

Vorzugswürdig wäre jedoch die von Bruns vorgeschlagene Regelung, im Insolvenzfall des Unternehmers einen Anspruch des Sachwalters auf Vergütung und Auslagen gegen die Justizkasse gesetzlich zu verankern.[79]

 

10. § 39 VDuG-E – Offene Verbraucheransprüche

„Hat der Sachwalter die Erfüllung eines vom Verbraucher geltend gemachten Anspruchs im Umsetzungsverfahren vollständig oder teilweise abgelehnt oder hat der Sachwalter einen Anspruch eines Verbrauchers bis zur Beendigung des Umsetzungsverfahrens nicht oder nur teilweise erfüllt, so kann der Verbraucher diesen Anspruch im Wege der Individualklage geltend machen.“

Ausweislich der Entwurfsbegründung dient die Regelung „(…) der Entlastung der Gerichte, an die Individualklagen adressiert werden. Eine Individualklage können Verbraucherinnen und Verbraucher auch erheben, wenn das Umsetzungsverfahren eingestellt worden ist. Die gerichtliche Zuständigkeit richtet sich nach den allgemeinen Regeln. Die Individualklage ist nicht Teil des Abhilfe- oder Umsetzungsverfahrens.“[80]

Die Regelung weicht von der insolvenzrechtlichen Regelung der §§ 180 ff. InsO deutlich ab und verweist betroffene Verbraucher auf einen vergleichsweise steinigen Weg. Ob dies aus Effizienzgründen sinnvoll ist, ist zumindest zweifelhaft.

 

11. § 44 VDuG E – Bekanntmachung von Angaben zu Verbandsklagen

Zu einer rechtshängigen Verbandsklage ist u.a. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers öffentlich bekannt zu machen (§ 44 Nr. 15 VDuG-E).

Ausweislich der Entwurfsbegründung sollen Verbraucher „auch über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers informiert werden (…). Denn nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens haben sie die Möglichkeit, ihre noch nicht erfüllten Ansprüche im Insolvenzverfahren anzumelden. Dies gilt insbesondere für solche Ansprüche, die im Umsetzungsverfahren voraussichtlich nicht mehr erfüllt werden.“[81]

Um Friktionen zu vermeiden, sollte ein Gleichlauf analog mit den Informationen nach der InsBekV erfolgen.

 

 

C. Fazit

 

I.

Die Regelungen des § 38 VDuG-E zur Insolvenz des Unternehmers finden in der umzusetzenden Richtlinie kein Vorbild und gehen über diese hinaus. Sie werfen, insbesondere im Hinblick auf die Bildung sog. Sondermassen, grundlegende insolvenzrechtliche Fragen auf.

Aufgrund der geplanten weitreichenden Eingriffe und der Anwendung der neuen Regelungen bereits ab 25.06.2023 sollte eine übereilte Regelung dringend vermieden werden.

Es empfiehlt sich eine eingehende Prüfung, ob die hier formulierten Regelungen nicht besser in der InsO[82] angesiedelt werden sollten.

  

II.

Die geplanten Regelungen zum Sachwalter (§§ 23 ff. VDuG-E) sollten im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens dringend nachgebessert werden: 

  • Die Entwurfsbegründung sieht zu Recht nur natürliche Personen für das Amt des Sachwalters vor und macht deutlich, dass insbesondere Insolvenzverwalter und Sachwalter (§ 274 InsO) aufgrund ihrer persönlichen Voraussetzungen und ihrer technischen Ausstattung für die Tätigkeit des Sachwalters nach VDuG-E geeignet sind. Hier wäre eine Klarstellung im Gesetzestext hilfreich, wonach nur natürliche Personen für das Amt des Sachwalters in Betracht kommen.
  • Die Unabhängigkeit des Sachwalters ist maßgebliche Bestellvoraussetzung und sollte analog zur Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters inhaltlich klarer gefasst werden. Ferner sollte der Sachwalter verpflichtet sein, entsprechende Fragen zur Unabhängigkeit zu beantworten.
  • Das Erfordernis der „einschlägigen“ Berufserfahrung des Sachwalters sollte sich zwingend (auch) auf die Abwicklung von Verfahren mit einer Vielzahl von Beteiligten beziehen.
  • Für Sachwalter sollte eine zentrale (nach bundeseinheitlichen Kriterien geführte) Vorauswahlliste geschaffen und durch eine einzige Stelle geführt werden.
  • Der Sachwalter sollte stets verpflichtet sein, eine spezifische Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung mit einer noch festzulegenden Mindestversicherungssumme abzuschließen und dem Gericht nachzuweisen.
  • Es sollte klargestellt werden, wer die Gelder in den vom Sachwalter zu errichtenden Umsetzungsfonds einzuzahlen hat.
  • Die Regelungen zur Kontoführung sollten Angaben dazu enthalten, welche Art von insolvenzfestem Konto vom Sachwalter vorzuhalten ist.
  • Es sollte klargestellt werden, welche Aufgaben der Sachwalter höchstpersönlich zu erfüllen hat und welche Aufgaben er seinen Mitarbeitern, bzw. Dritten (kostenpflichtig) übertragen kann.
  • Der Sachwalter sollte verpflichtet werden, ein digitales Informationssystem entsprechend §  5 Abs. 5 InsO vorzuhalten und hierüber die Verfahrensbeteiligten zu informieren.
  • Die Vergütung des Sachwalters sollte gesetzlich geregelt werden und sich an der Vergütung des Sachwalters und Insolvenzverwalters nach der InsVV orientieren.
  • Im Hinblick auf die zeitliche Bestimmung zu der Frage, wann der Sachwalter Kostenvorschüsse fordern kann, sollte auf 9 Satz 2 InsVV Bezug genommen werden.
  • Die Anforderungen an die Erforderlichkeit von Auslagen sollte weiter konkretisiert werden.
  • Der Sachwalter sollte seine Vergütung(s-Vorschüsse) und erstatteten Auslagen insolvenzfest erwerben.
  • Die Frist für die Geltendmachung von Einwendungen des Unternehmers gegen die Schlussrechnung ist deutlich zu kurz bemessen und sollte mindestens vier Wochen betragen.

 

 

Berlin, 15.05.2023

Kontakt:

Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)
Am Zirkus 3
10117 Berlin
Tel.: 030/ 20 45 55 25
E-Mail: info@vid.de / Web: www.vid.de

[1] Regierungsentwurf vom 29.03.2023; abrufbar unter: BMJ | Aktuelle Gesetzgebungsverfahren | Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2020/1828 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG (Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz – VRUG).

[2] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32020L1828.

[3] Entwurfsbegründung S. 65.

[4] Im Interesse der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

[5] Entwurfsbegründung S. 68.

[6] Der VID hatte zum Referentenentwurf kritisch Stellung genommen: VID-Stellungnahme-zum-RefE-des-VRUG.pdf.

[7] Entwurfsbegründung S. 109.

[8] Entwurfsbegründung S. 109.

[9] Entwurfsbegründung S. 109.

[10] Entwurfsbegründung S. 109.

[11] Entwurfsbegründung S. 109.

[12] Entwurfsbegründung S. 110.

[13] Vgl. Begründung des Referentenentwurfes, S. 99: „Wenn einem Antrag auf Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht nicht stattgegeben wird, wird die Sachwalterin oder der Sachwalter in der Regel davon ausgehen dürfen, dass die Anfechtungsansprüche bestehen.“

[14] Zu Recht weist Schmittmann (zum Referentenentwurf) darauf hin, dass der Sachwalter keinen Anlass hat, PKH zu beantragen, solange ein Rechtsstreit nicht anhängig ist, ZRI 2023, 277 ff. (283).

[15] Zur Problematik, ob anfechtbare Zahlungen schlechthin oder nur tatsächlich angefochtene Zahlungen ausgenommen sein sollen vgl. Stellungnahme Prof. Dr. Alexander Bruns anlässlich der Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 10.05.2023, S. 51, abrufbar unter Stellungnahme-Bruns-data.pdf (bundestag.de).

[16] Entwurfsbegründung S. 110.

[17] Vgl. Gesetzentwurf zur InsO, BT-Drs. 12/2443, S. 81.

[18] Vgl. Entwurfsbegründung, S. 77.

[19] Richtlinie ((EU) 2020/1828).

[20] In Erwägungsgrund 14 der umzusetzenden Richtlinie heißt es: „(…) Diese Richtlinie sollte jedoch die Interessen natürlicher Personen, die durch solche Verstöße Schaden erlitten haben oder denen dies droht, nur dann schützen, wenn diese Personen Verbraucher gemäß dieser Richtlinie sind. Verstöße, die natürliche Personen, die gemäß dieser Richtlinie als Unternehmer anzusehen sind, schädigen, sollten nicht unter diese Richtlinie fallen.“

[21] Entwurfsbegründung, S. 111.

[22] Vgl. Entwurfsbegründung, S. 111.

[23] Zu weiteren Einzelheiten bereits kritisch zum Referentenentwurf Schmittmann in ZRI 2023, 277 ff. (285 f.).

[24] Entwurfsbegründung S. 96.

[25] Siehe §§ 7 Abs. 2 Nr. 7, 9 Abs. 1 Satz 2, 18 Satz 3, 19 Abs. 3 Satz 2, 26 Abs. 2 Satz 4 SVertO.

[26] Vgl. auch Gesetzentwurf der Seerechtlichen Verteilungsordnung vom 27.05.1971, S. 15 (BT-Drs. VI/2226).

[27] Verbandsklagenrichtlinie vom 25.11.2020 ((EU) 2020/1828).

[28] Erwägungsgrund 50 der Verbandsklagenrichtlinie vom 25.11.2020 ((EU) 2020/1828).

[29] Entwurfsbegründung S. 96.

[30] Entwurfsbegründung S. 96.

[31] 1 BvR 3102/13, Rz. 42 und 50: „(…) Diese Beschränkung des Zugangs zum Beruf des Insolvenzverwalters dient dem Ziel der Sicherstellung einer effektiven gerichtlichen Aufsicht über den Insolvenzverwalter und damit einem hinreichenden legitimen Zweck. Es wird ein Beitrag zu einer funktionierenden Rechtspflege als einem besonders wichtigen Gemeinschaftsgut geleistet. (…)“ Die Bedeutung der Aufsicht des Insolvenzgerichts über den Insolvenzverwalter hat Vorwirkungen auch schon für das Bestellungsverfahren und macht bei der Auswahl eine besonders sorgfältige Prüfung der persönlichen und fachlichen Geeignetheit der Bewerber um das Insolvenzverwalteramt erforderlich. Dies rechtfertigt ebenfalls durchgreifende Bedenken gegen die Zulassung juristischer Personen, weil die unverzichtbaren Eignungskriterien überwiegend an natürliche Personen gebunden sind. Die Geeignetheit der konkreten Person des Verwalters ist deshalb so wichtig, weil seine Entscheidungen und deren Folgen nur begrenzt korrigiert und gegebenenfalls kompensiert werden können. Zudem drohen bei nicht ordnungsgemäßer Amtsführung durch den Insolvenzverwalter nicht selten Vermögensschäden in beträchtlicher Höhe, die bisweilen sogar zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners oder einzelner Gläubiger führen können. Nur durch große Sorgfalt bei der Auswahl des Verwalters mit Blick auf dessen persönliche Zuverlässigkeit und fachliche Eignung kann das Insolvenzgericht der Verantwortung genügen, die es zur Vermeidung etwaiger Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters trifft.“ abrufbar unter: Bundesverfassungsgericht – Entscheidungen – Ausschluss juristischer Personen vom Amt des Insolvenzverwalters ist verfassungsgemäß.

[32] Entwurfsbegründung S. 96.

[33] Siehe auch Entwurfsbegründung zu § 27 Nr. 3 VDuG-E, S. 89, wonach bei Umsetzungsverfahren größeren Umfangs die Einrichtung eines Online-Portals, über das Verbraucher die erforderlichen Nachweise elektronisch übermitteln können, angesprochen ist.

[34] Vgl. §§ 1 und 2 VDuG-E.

[35] Vgl. Entwurfsbegründung S. 78 zu § 2 VRUG-E.

[36] Vgl. Entwurfsbegründung S. 92 zu § 18 Abs. 1 Nr. 1 VDuG-E; zum Personenkreis der betroffenen Verbraucher des Umsetzungsverfahrens vgl. § 23 VDuG-E.

[37] Nach der Rechtsprechung des BGH, Beschluss vom 26.04.2012 (IX ZB 31/11) und Urteil vom 24.01.1991 (IX ZR 250/89), hat der Insolvenzverwalter von sich aus dem Gericht rechtzeitig einen Sachverhalt unmissverständlich anzuzeigen, der die Besorgnis ernsthaft rechtfertigt, dass er als befangen an der Amtsführung verhindert ist.

[38] Abrufbar bspw. unter Justiz Rheinland-Pfalz Fragebogen_zur_Unabhaengigkeit_des_Insolvenzverwalters.pdf (rlp.de), bzw. Fragebogen Unabhängigkeit – VID .

[39] Entwurfsbegründung S. 95.

[40] Vgl. Ziff. 3 und 4 des Beschlusses TOP I. 6 Bericht der Arbeitsgruppe „Vorauswahlliste Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter“ der Justizministerkonferenz vom 11. und 12. November 2021, abrufbar unter TOP-I_-6—Bericht-AG-Vorauswahlliste-Insolvenzverwalter.pdf (nrw.de).

[41] Vgl. Ziff. 2 des Beschlusses TOP I. 6 Bericht der Arbeitsgruppe „Vorauswahlliste Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter“ der Justizministerkonferenz vom 11. und 12. November 2021.

[42] Sinz in Uhlenbruck, InsO-KO, 15. Aufl. 2019, § 60, Rz. 132.

[43] Vgl. Ziff. 4 des Beschlusses TOP I. 6 Bericht der Arbeitsgruppe „Vorauswahlliste Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter“ der Justizministerkonferenz vom 11. und 12. November 2021.

[44] Bericht der Arbeitsgruppe „Vorauswahlliste Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter“, dort S. 9 unter Ziff. 8, abrufbar unter Verwalterauswahl – BAKinso – Bundesarbeitskreis Insolvenzgerichte e.V (bak-inso.de).

[45] GOI abrufbar unter: 1 (vid.de).

[46] Entwurfsbegründung S. 96 f.

[47] So sind für die Abhilfeklage Ansprüche von mindestens 50 Verbrauchern betroffen (vgl. § 4 Abs. 1 Ziff. 1 VDuG-E).

[48] Im Bereich der Insolvenzverwaltung ist es schon heute üblich, bei besonderen Risiken eine Zusatzversicherung zur Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen.

[49] Entwurfsbegründung S. 97.

[50] Entwurfsbegründung S. 96.

[51] Zur Befangenheit des Richters bei nahen persönlichen oder geschäftlichen Beziehungen zu einzelnen Beteiligten siehe auch Zöller, ZPO-KO, 32. Aufl. 2018, § 42, Rz. 12 ff.

[52] Vgl. § 23 Abs. 6 Satz 2 VDuG des Referentenentwurfs.

[53] Zur unklaren rechtlichen Konstruktion des § 25 Abs. 3 Satz 1 VDuG-E, wonach der Sachwalter berechtigte Ansprüche von Verbrauchern auf Zahlung unmittelbar durch Zahlung aus dem Umsetzungsfonds erfüllt vgl. Bruns, a.a.O., S. 43.

[54] Bruns, a.a.O., S. 42.

[55] Entwurfsbegründung S. 97.

[56] Entwurfsbegründung S. 98.

[57] Entwurfsbegründung S. 98.

[58] Ausführlich zur praktischen Ausgestaltung des Sonderkontos Saager/d’Avoine/Berg, ZIP 2019, 2041 ff.

[59] Zur Problematik der im Entwurf vorgesehenen Entscheidungskompetenz des Sachwalters im Hinblick auf §§ 27 Nr. 11, 28 Abs. 3 VDuG-E („(…) Die Entscheidung des Sachwalters ist unanfechtbar.“) vgl. Bruns, a.a.O., S. 44.

[60] Entwurfsbegründung S. 94 f. zu § 20 Abs. 1 VDuG-E (Kosten des Umsetzungsverfahrens).

[61] Entwurfsbegründung S. 99.

[62] Vgl. Ziff. II.2. der GOI, abrufbar unter 1 (vid.de).

[63] Entwurfsbegründung, S. 103 f.

[64] Entwurfsbegründung S. 104.

[65] Entwurfsbegründung S. 94 zu § 20 Abs. 1 VDuG-E (Kosten des Umsetzungsverfahrens).

[66] Entwurfsbegründung S. 104.

[67] Entwurfsbegründung S. 104.

[68] Kritisch auch Schmittmann in ZRI 2023, 277 ff. (281).

[69] Der Referentenentwurf enthielt dazu (noch) keine Ausführungen.

[70] Seerechtliche Verteilungsordnung, Gesetzesbegründung, BT-Drs. VI/2226 vom 27.05.1971, S. 19.

[71] Vergleichsordnung, 11. Auflage, Böhle-Stamschräder/Kilger, 1986, § 43, Ziffer 1 und 1b).

[72] Rheinschiffahrtsgericht Mannheim, Beschluss vom 27.047.2018, AZ 30 SRV 1/09 BSch, juris.

[73] Entwurfsbegründung S. 105.

[74] Vgl. § 32 Abs. 2 Satz 2 VDuG-E des Referentenentwurfs.

[75] Entwurfsbegründung S. 105.

[76] Vgl. dazu Entwurfsbegründung, S. 107.

[77] Vgl. § 36 Abs. 2 Satz 2 VDuG-E des Referentenentwurfs.

[78] Entwurfsbegründung S. 110.

[79] Bruns, a.a.O., S. 47, wonach § 32 VDuG-E um einen Absatz 4 wie folgt ergänzt wird: „Soweit die Ansprüche des Sachwalters aufgrund der Insolvenz des Unternehmers nicht durchgesetzt werden können, steht ihm für seine Vergütung und seine Auslagen ein Anspruch gegen die Staatskasse zu.“

[80] Entwurfsbegründung S. 111.

[81] Entwurfsbegründung S. 114.

[82] Zum Verweis auf die Vorschrift des § 20 Abs. 3 der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung vgl. § 91 Abs. 2 InsO.

 

RefE des Zukunftsfinanzierungsgesetzes (ZuFinG)

A. Einleitung

Der vorliegende Referentenentwurf[1] (nachfolgend Entwurf) dient der Finanzierung zukunftssichernder Investitionen. So sollen zahlreiche Anreize für Investitionen in die deutsche Wirtschaft geschaffen werden, um langfristig die Leistungsfähigkeit des Kapital- und Finanzmarkts zu stärken.[2]

Das Artikelgesetz ändert 29 verschiedene Gesetze bzw. Verordnungen, mitunter auch solche die insolvenzrechtliche Bezüge aufweisen. So sieht der Entwurf in Art. 19 des ZuFinG, der die Änderungen des KWG betrifft, die Einführung besonderer Pflichten bei der Verwahrung von Kryptowerten vor.[3]

Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf die insolvenzrechtlichen Bezüge der geplanten Änderungen im eWpG und im KWG.

 

B. Im Einzelnen

I. Änderungen des eWpG

Vorab ist anzumerken, dass an dieser Stelle grundsätzlich keine sehr hohe Relevanz für die alltägliche Insolvenzverwalterpraxis besteht.

Der Entwurf sieht vor, dass Namensaktien künftig in beiden Formen elektronischer Wertpapiere nach dem eWpG begeben werden können, d.h. als Zentralregisterwertpapiere und als Kryptowertpapiere. Nicht erfasst sind hingegen Inhaberaktien, also Aktien, welche allein den jeweiligen Inhaber und nicht eine namentlich genannte Person ausweisen. Die Änderungen erfolgen punktuell im eWpG, das bereits von Beginn an so formuliert wurde, dass eine spätere Einführung elektronischer Aktien problemlos erfolgen kann.

Die Entwurfsbegründung führt dazu aus:

„Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Namensaktien künftig in beiden Formen elektronischer Wertpapiere nach dem eWpG begeben werden können, d.h. als Zentralregisterwertpapiere und als Kryptowertpapiere. Die Begebung von Inhaberaktien auch als Kryptowertpapiere würde hingegen eine Vielzahl gesellschafts- als auch geldwäscherechtlicher Fragestellungen aufwerfen, so dass der Gesetzentwurf zu Inhaberaktien eine Beschränkung der elektronischen Begebung auf Zentralregisterwertpapiere vorsieht. Für die Einführung von elektronischen Aktien sind punktuelle Änderungen des eWpG und des Aktiengesetzes ausreichend. Das eWpG war bereits von Beginn an so formuliert worden, dass eine spätere Einführung von elektronischen Aktien problemlos erfolgen kann. Änderungen im Aufsichtsrecht sind im Zusammenhang mit der Einführung elektronischer Aktien nicht erforderlich. Insbesondere ändert sich die Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht über registerführende Stellen nicht dadurch, dass in einem Kryptowertpapierregister nicht mehr ausschließlich elektronische Inhaberschuldverschreibungen eingetragen werden, sondern auch (oder nur) elektronische Namensaktien.“[4]

sowie

„Elektronische Inhaberaktien sollen nur als Zentralregisteraktien zulässig sein. Dagegen sollen elektronische Namensaktien sowohl als Zentralregisteraktien als auch als Kryptoaktien ausgegeben werden dürfen. Hiermit wird der Entwicklung der vergangenen Jahre Rechnung getragen, dass Namensaktien international zum vorherrschenden Modell der Anteilsbegebung geworden sind. Eine Öffnung für mittels der Blockchain-Technologie oder vergleichbarer Technologien begebene Inhaberaktien würde komplexe Probleme mit sich bringen, die nicht so schnell zu lösen sind. Zum einen würde die Geldwäscheüberwachung bei Krypto-Inhaberaktien erheblich erschwert sein. Bei verbrieften Inhaberaktien kann der international teilweise erhobenen Kritik, dass bei den in Deutschland verbreiteten Inhaberaktien der wirtschaftlich Berechtigte schwer festzustellen sei, entgegengehalten werden, dass in Deutschland Inhaberaktien lückenlos auf Depotkonten verbucht werden müssen, die von beaufsichtigten Intermediären geführt werden. Bei Kryptoaktien, die in ein mittels der Blockchain-Technologie oder vergleichbarer Technologien geführtes Kryptowertpapierregister eingetragen sind, sind aber nun Intermediäre für das Halten und Verfügen gerade nicht mehr erforderlich. Es könnte kaum kontrolliert werden, an wen ein sog. „private key“ weitergegeben wird, mit dem Ein- und Umtragungen im Kryptowertpapierregister veranlasst werden können. Zum anderen stellen sich komplexe gesellschaftsrechtliche Fragen, die bislang allenfalls theoretisch erörtert, aber in der Praxis noch nicht erprobt wurden. Es müssten die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, ohne dass bislang Erfahrungswerte für eine derartige Nutzung der Blockchain-Technologie vorliegen.“[5]

Die Vermeidung von Geldwäsche ist ein relevanter Aspekt bei der Einführung elektronischer Wertpapiere. Zwar ist vorgesehen, dass (elektronische) Namensaktien künftig in beiden Formen elektronischer Wertpapiere nach dem eWpG begeben werden können, d.h. als Zentralregisterwertpapiere und als Kryptowertpapiere. Jedoch werden keine elektronischen Inhaberaktien zugelassen. Somit sollen elektronische Inhaberaktien nur als Zentralregisteraktien zulässig sein.

Dies ist aus insolvenzrechtlicher Sicht begrüßenswert. Der Insolvenzverwalter hat schuldnerisches Vermögen zu sichern und zu Gunsten der Gläubiger zur Masse zu ziehen, bzw. zu verwerten. In der Praxis ist gerade die Aufklärung von Sachverhalten rund um digitale Assets schwierig. Nicht selten stellt sich die Frage der Identifizierung des Inhabers eines Rechts und somit die Zuordnung zum schuldnerischen Vermögen. Inhaberaktien, deren Berechtigter grundsätzlich nicht registriert werden muss, sondern der seine Berechtigung an die Inhaberschaft knüpft, erschweren die Sicherung und Verwertung durch den Insolvenzverwalter.

Daher ist es gut und richtig, vorerst keine elektronischen Inhaberaktien zuzulassen.

 

II. Änderungen des KWG

1. § 26b KWG-E (Vermögenstrennung)

Durch §  26b  Abs.  1  KWG-E soll der Kryptoverwahrer zur Vermögenstrennung von Kryptowerten seiner Kunden und seinen eigenen sowie deren Bestimmbarkeit verpflichtet werden:

„(1) Ein Institut, das das Kryptoverwahrgeschäft betreibt, hat sicherzustellen, dass die Kryptowerte und privaten kryptographischen Schlüssel getrennt von den Kryptowerten und privaten kryptographischen Schlüsseln des Instituts verwahrt werden. Werden Kryptowerte mehrerer Kunden gebündelt verwahrt (gemeinschaftliche Verwahrung), ist sicherzustellen, dass sich die den einzelnen Kunden zustehenden Anteile am gemeinschaftlich verwahrten Gesamtbestand jederzeit bestimmen lassen.

(2) Das Institut hat sicherzustellen, dass über die verwahrten Kryptowerte und privaten kryptographischen Schlüssel ohne ausdrückliche Einwilligung des Kunden nicht für eigene Rechnung des Instituts oder für Rechnung einer anderen Person verfügt werden kann.“[6]

Mit der Regelung wird das Ziel verfolgt, die Grundsätze der fremdnützigen Treuhand für in Deutschland ansässige Institute, die das Kryptoverwahrgeschäft betreiben, gesetzlich zu etablieren. Zugleich definiert §  26b  Abs.  1  S.  2  KWG-E die gebündelte Verwahrung von Kryptowerten mehrerer Kunden als „gemeinschaftliche Verwahrung“.

Gemeint ist die Verwahrung von Kryptowerten auf einer omnibus wallet, welche weiterhin zulässig sein wird, soweit dort eine Trennung von Werten des Kryptoverwahrers stattfindet (§  26b  Abs.  1  S.  1  KWG-E).[7] Tatsächlich stünde §  26b  Abs.  1  KWG-E im Einklang mit der Vorschrift des Art. 67 Abs. 7 der MiCA-VO[8], welche in Kürze in Kraft treten wird.[9]

§ 26b Abs. 2 KWG-E gibt dem Kryptoverwahrer die Möglichkeit, über Kryptowerte seiner Kunden auch für eigene Rechnung oder für Rechnung einer anderen Person zu verfügen. Hierfür ist die „ausdrückliche Einwilligung“ des Kunden erforderlich. Diese Regelung erweitert das Angebotsspektrum der Institute erheblich und wird im Ergebnis interessengerechtere Lösungen ermöglichen. Allerdings ist nicht näher erklärt, welche Anforderungen an die „ausdrückliche Einwilligung“ zu stellen sind. Die Begründung verhält sich hierzu nicht weiter.[10]

Das Spannungsfeld ist groß, da vom Bestehen oder Nichtbestehen der Einwilligung des Kunden letztlich auch seine Aussonderungsrechte abhängig sein werden (→ hierzu unter b)). Im Insolvenzfall ist der Insolvenzverwalter ggf. gehalten, die Rechtmäßigkeit einer solchen Einwilligung zu überprüfen. Dies kann umso aufwendiger sein, je unschärfer die gesetzlichen Anforderungen sind.

Nach hiesiger Auffassung ist daher die Verpflichtung der Kryptoverwahrer zur Vermögenstrennung von Kryptowerten seiner Kunden und seiner eigenen nach § 26b Abs. 1 KWG-E positiv. Ergänzend würde eine Anforderung in § 26b Abs. 2 KWG-E zur ausdrücklichen Einwilligung „schriftlich oder elektronisch“ Rechtssicherheit schaffen. Davon würden Kryptoverwahrer und deren Kunden gleichermaßen profitieren.

 

2. §  46i  Abs.  1 und Abs.  2  KWG-E (Zuordnung verwahrter Kryptowerte)

Weiterhin wird die Einführung eines § 46i Abs. 1 KWG-E vorgeschlagen.[11] Der Entwurf bemüht das „Vermögenstrennungsgebot“ für Kryptoverwahrinstitute, welches rechtfertige, die verwahrten Werte und Schlüssel dem Vermögen des Kunden auch haftungsrechtlich zuzuordnen.

Hiernach gelten im Rahmen eines Kryptoverwahrgeschäfts für einen Kunden verwahrte Kryptowerte als dem Kunden „gehörig“:

„(1) Der im Rahmen eines Kryptoverwahrgeschäfts für einen Kunden verwahrte Kryptowert gilt als dem Kunden gehörig. Das gilt nicht, wenn der Kunde die Einwilligung zu Verfügungen über den Wert für Rechnung des Instituts oder Dritter erteilt hat.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für den dem Kunden zustehenden Anteil an Kryptowerten in gemeinschaftlicher Verwahrung sowie für isoliert verwahrte private kryptographische Schlüssel.

(…)“

Der Entwurf beabsichtigt damit die Einführung einer gesetzlichen Fiktion und vermeidet zugleich mit der bewusst allgemein gehaltenen Formulierung eine nähere Auseinandersetzung mit der Rechtsnatur und dem genauen Anspruchscharakter.

Die gleiche Fiktion soll nach dem §  46i  Abs.  2  Alt.  1  KWG-E auch für solche Anteile von Kryptowerten gelten, die sich in gemeinschaftlicher Verwahrung befinden. Insoweit wird die Fiktion unmittelbar mit §  26b  Abs.  1  S.  2 KWG-E und den dort geregelten Pflichten verknüpft.

Durch die Zugehörigkeitsfiktion des §  46i  KWG-E wäre bei einem vollstreckungsrechtlichen Zugriff auf die verwahrten Kryptowerte eine Drittwiderspruchsklage der Kunden gemäß §  771  ZPO möglich. Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Verwahrers steht dann den Kunden insoweit auch ein Aussonderungsrecht gemäß §  47  InsO zu.[12]

Diese Regelung ist grundsätzlich begrüßenswert, denn sie schafft Klarheit sowohl für Kryptoverwahrer und deren Kunden, als auch für den Insolvenzverwalter. Diese Regelungslücke wurde bereits in der Literatur aufgezeigt.[13]

Ein Unterschied zu §  26b  Abs.  2  KWG-E ist jedoch auffällig, obgleich sich die Entwurfstexte sehr ähneln. Anknüpfungspunkt ist jeweils die Einwilligung des Kunden. Hier soll nach dem Wortlaut des Entwurfs eine bloße Einwilligung ausreichen. In §  26b  Abs.  2  KWG-E hingegen soll eine ausdrückliche Einwilligung erforderlich sein. Die ungleiche Formulierung lässt Raum für Spekulation. Nach hiesiger Auffassung würde auch hier eine Anforderung „schriftlich oder elektronisch“ Rechtssicherheit bringen. Im Ergebnis wird die Zugehörigkeitsfiktion des § 46i KWG-E indes klar begrüßt.

 

3. §  46i  Abs.  3  KWG-E (Kosten der Aussonderung)

Zudem regelt §  46i  Abs.  3  KWG-E die Kosten der Aussonderung. Diese soll der Kunde tragen, sofern die Aussonderung nicht im Wege der Übertragung des Werts oder des Schlüssels auf ein anderes Institut erfolgen soll, das das Kryptoverwahrgeschäft betreibt:

„Verlangt der Kunde im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Instituts die Aussonderung und soll die Aussonderung nicht durch Übertragung auf ein anderes Institut erfolgen, das das Kryptoverwahrgeschäft betreibt, trägt der Kunde die Kosten der Aussonderung.“

Eine Regelung entsprechend des Absatzes  3 findet sich – allerdings in deutlich klarerer Form – auch im schweizerischen Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) in Art. 242a Abs. 4 SchKG:

„Die Kosten für die Herausgabe sind von demjenigen zu übernehmen, der diese verlangt. Die Konkursverwaltung kann einen entsprechenden Vorschuss verlangen.“ [14]

Hiernach sind sämtliche Kosten für die Herausgabe von dem fordernden Gläubiger zu übernehmen. Der vorgeschlagene § 46i Abs. 3 KWG-E ist also im Vergleich mit dem schweizerischen SchKG attraktiver für den Aussonderungsgläubiger.

§ 46i Abs. 3 KWG-E belastet Insolvenzverwalter und die Insolvenzmasse und damit die anderen Gläubiger stärker, als es in anderen Rechtsordnungen vorgesehen ist. Angesichts des in der Praxis regelmäßig beachtlichen und nicht selten hohen administrativen Aufwands in den Insolvenzverwalterbüros ist es geboten, die Kosten insgesamt auf denjenigen zu verlagern, der das Geschäft ursprünglich initiiert und damit den späteren Aussonderungsaufwand auch verursacht hat. Das ist der die Aussonderung verlangende Kunde, bzw. Tokenuser. Da gerade Geschäfte mit digitalen Assets meist international sind, ist es gerechtfertigt, auch international angepasst, Kosten zu verteilen. Als Beispiel dient das schweizerische Gesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (s.o.).

Ergänzend sei erwähnt, dass es hier nur um Kosten geht, nicht um Honorare. Die Kosten sind am effektiven Aufwand auszurichten und mögen im Einzelfall im zweistelligen Euro-Bereich liegen. Dazu wird sich rasch Rechtsprechung entwickeln, sollte das Gesetz hier keine Beträge verankern.

Nach dem aktuellen – kritisierten – Entwurf setzt eine Kostentragung durch die Insolvenzmasse voraus, dass der Kunde die Übertragung seiner Kryptowerte auf ein anderes Institut verlangt, das ebenfalls das Kryptoverwahrgeschäft betreibt. Es stellt sich mithin die Frage, warum er zwingend ein anderes Institut involvieren muss und warum der Entwurf eine – kostenfreie – Übertragung auf eine eigene Wallet des Kunden oder eines von ihm benannten Dritten nicht vorsieht. In Fällen, in denen ein Kunde eine eigene Wallet nutzt, sind durch die Regelung Rückfragen der Kunden vorprogrammiert, die sich zuallererst an den Insolvenzverwalter wenden und dort Erklärungs- und Mehraufwand verursachen.

Hintergrund des §  46i  Abs.  3  KWG-E ist eine partielle Kostenschonung der Insolvenzmasse. In der Begründung des Entwurfs heißt es hierzu ausdrücklich: „Die Insolvenzmasse soll nicht durch den Aufwand und die Kosten belastet werden, die insbesondere mit der Aufteilung gemeinschaftlich verwahrter Werte verbunden sein können.“[15] Diese Aufteilung findet jedoch auch dann statt, wenn ein Kunde seinen – gemeinschaftlich verwahrten – Wert auf ein anderes Institut übertragen lässt. Der Wortlaut des Entwurfs geht insoweit an der Begründung vorbei. Die Ungleichbehandlung ist offensichtlich.

§ 46i Abs. 3 KWG-E hat zugleich eine rechtspolitische Dimension. Denn im Fall der Insolvenzeröffnung über das Vermögen eines Kryptoverwahrers reagierte der Kryptomarkt in der Vergangenheit hochsensibel. Kursfälle und Folgeinsolvenzen können auftreten. Die geplanten Neuregelungen dürften daran nichts ändern. §  46i  Abs.  3  KWG-E dürfte nur einen marginalen Anreiz schaffen, sich als Kunde eines insolventen Kryptoverwahrers ein neues Kundenkonto bei einem anderen Kryptoverwahrer einrichten zu lassen. Wahrscheinlich werden die Kunden den Insolvenzverwalter auffordern, ihre Werte auch ohne Involvierung eines weiteren Instituts auszusondern.

Es besteht kein Bedürfnis, für das Aussonderungsbegehren der Kunden die Einschaltung eines weiteren Kryptoverwahrers zu incentivieren. Soweit Kunden eine eigene Walletadresse verwalten, wäre in Anbetracht des vergleichbaren Aufwands für den Insolvenzverwalter folgende Formulierung interessengerechter:

(3) Verlangt der Kunde im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Instituts die Aussonderung und soll die Aussonderung nicht durch Übertragung der Kryptowerte auf den Kunden, einen von ihm benannten Dritten oder auf ein anderes Institut erfolgen, das das Kryptoverwahrgeschäft betreibt, trägt der Kunde die Kosten der Aussonderung.“

Diese Formulierung würde deutlich machen, dass die Übertragung der verwahrten Kryptowerte auch unmittelbar auf den Kunden, besser auf eine Walletadresse /Einzahladresse des Kunden oder eines von ihm benannten Dritten erfolgen kann.

Vorzugswürdig ist und bleibt jedoch eine vollständige Kostentragung des die Aussonderung fordernden Gläubigers:

(3) Verlangt der Kunde im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Instituts die Aussonderung und soll die Aussonderung nicht durch Übertragung auf ein anderes Institut erfolgen, das das Kryptoverwahrgeschäft betreibt, trägt der Kunde die Kosten der Aussonderung.“

 

C. Fazit

Der Entwurf stellt einen wichtigen Beitrag dar, um künftig die Kundenrechte – vor allem in der Insolvenz des Verwahrers – zu schützen. Er greift den Regelungen der MiCA-VO [16] vor und würde bei Umsetzung die dort gefassten Regeln zur Vermögenstrennung und zur Bestimmbarkeit, welche auf europäischer Ebene ohnehin zu beachten wären, in das deutsche Recht integrieren.

Wie dem Aussonderungsrecht auch dann Geltung verschafft werden kann, wenn der Kryptoverwahrer gegen seine Pflichten zur Vermögenstrennung und Bestimmbarkeit (§ 26b KWG-E) verstoßen hat, ist in der Praxis fraglich. In diesem Fall ist es zumindest nicht ausgeschlossen, dass der Aussonderungsgläubiger (Kunde) trotz der Bestimmungen des § 46i KWG-E – aufgrund faktischer Unmöglichkeit – keine Aussonderung seiner Kryptowerte erreicht. Dann stellen sich komplexe Fragen einer möglichen Ersatzaussonderung gemäß § 48 InsO. Es wird Aufgabe der Finanzaufsicht sein, die Einhaltung der besonderen Pflichten des §  26b  KWG-E zu gewährleisten.

 

Berlin, 10.05.2023

Kontakt:

Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)
Am Zirkus 3
10117 Berlin
Tel.: 030/ 20 45 55 25
E-Mail: info@vid.de / Web: www.vid.de

 

[1] Entwurf vom 12.04.2023, abrufbar unter https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/Zukunftsfinanzierungsgesetz.html.

[2] Entwurf, S. 1 unter „A. Problem und Ziel“.

[3] Entwurf, S. 33, Art. 19 Nr. 6.

[4] Vgl. Entwurfsbegründung, S. 55.

[5] Vgl. Entwurfsbegründung, S. 92.

[6] Vgl. Entwurf, S. 33.

[7] Vgl. Entwurfsbegründung, S. 119 zu Art. 19 Nr. 6.

[8] Abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A52020PC0593 (Abruf am 10.05.2023).

[9] Die MiCA-VO tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft, Art. 126 Abs. 1 MiCA-VO. Geltung erlangt die VO nach weiteren 18 Monaten, Art. 126 Abs. 2 MiCA-VO. Ausgenommen sind Bestimmungen über E-Geld-Token und wertreferenzierte Token, die bereits ab dem Tag des Inkrafttretens der Verordnung gelten sollen.

[10] Vgl. Entwurfsbegründung, S. 119 zu Art. 19 Nr. 6.

[11] Entwurf, S. 34, Art. 19 Nr. 10.

[12] Vgl. Entwurfsbegründung, S. 119 zu Art. 19 Nr. 10.

[13] Ausführlich hierzu: d’Avoine/Hamacher, Die Insolvenz des Kryptoverwahrers, ZIP 2022, 2214 ff.

[14] Abrufbar unter: https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/11/529_488_529/de (Abruf am 10.05.2023).

[15]  Vgl. Entwurfsbegründung, S. 120 a.E. zu Art. 19 Nr. 10.

[16] Siehe oben unter B.II.1.

 

RefE des VRUG

A. Einleitung

Der vorliegende Entwurf[1] dient der Umsetzung der Verbandsklagenrichtlinie vom 25.11.2020 ((EU) 2020/1828). Durch die Richtlinie soll zum Schutz von Verbrauchern[2] und zur Stärkung des Binnenmarktes die Durchsetzung des EU-Verbraucherrechts verbessert und der Anwendungsbereich im Vergleich zur abgelösten Richtlinie 2009/22/EG erweitert werden. Durch die Richtlinie werden die bereits bestehenden europäischen Regelungen über Unterlassungsklagen zur Durchsetzung europäischen Verbraucherrechts nicht nur deutlich erweitert und harmonisiert, sondern die Mitgliedsstaaten zudem verpflichtet, mit der Abhilfeklage eine weitere Verbandsklageart vorzusehen.[3] Der Entwurf sieht dazu vor, die Regelungen zur Einführung der Abhilfeklage zusammen mit den bisher in der ZPO enthaltenen Regelungen über die Musterfeststellungsklage im Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz (VDuG) als neuem Stammgesetz zu bündeln.[4]

Mit der Abhilfeklage können klageberechtigte Stellen künftig Leistungsansprüche[5] von Verbrauchern gegen Unternehmer geltend machen, wobei der Abhilfeantrag auch auf Leistung zugunsten nicht namentlich benannter Verbraucher gerichtet sein kann.

Dazu ist vorgesehen, dass bei erfolgreicher Klage ein Grundurteil ergeht, das die Haftung des verklagten Unternehmers „dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, Berechtigungsnachweise und für den Fall von Zahlungsansprüchen zugleich Parameter für die konkrete Berechnung der Verbraucheransprüche festlegen kann.“[6] Gelingt es dem verurteilten Unternehmer dann in der anschließenden Vergleichsphase nicht, die Erfüllung der Ansprüche selbst zu organisieren, bzw. eine gütliche Einigung über die Abwicklung des Rechtsstreits zu erreichen, ergeht ein Abhilfeendurteil, in dem Unternehmer bei Zahlungsansprüchen zur Zahlung eines kollektiven Gesamtbetrages verurteilt werden. Der kollektive Gesamtbetrag ist vom Unternehmer zu Händen eines vom Gericht noch zu bestellenden Sachwalters zu zahlen. Dieser verteilt den Betrag anschließend im sog. Umsetzungsverfahren an die berechtigten Verbraucher.[7]

 

B. Im Einzelnen

Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf die insolvenzrechtlichen Bezüge des geplanten Umsetzungsverfahrens im Gesetz zur gebündelten Durchsetzung von Verbraucherrechten (VDuG-E).

 

1. § 23 VDuG-E – Bestellung des Sachwalters

a) § 23 Abs. 1 -3 VDuG-E

§ 23 Abs. 1 VDuG-E regelt, dass das Gericht einen Sachwalter bestellt, vor dessen Bestellung die Parteien des Abhilfeverfahrens zu seiner Person gehört werden sollen. Zum Sachwalter ist eine geeignete und von den Parteien unabhängige Person zu bestellen, wobei die Unabhängigkeit nicht schon dadurch ausgeschlossen wird, dass die Person von einer Partei vorgeschlagen worden ist (Abs. 2 Satz 1 und 2 VDuG-E). Das Gericht kann von der als Sachwalter vorgesehenen Person den Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung verlangen, deren Deckungssumme dem Umfang des Umsetzungsverfahrens angemessen ist (Abs. 2 Satz 3 VDuG-E). Über seine Bestellung erhält der Sachwalter vom Gericht eine Urkunde, die er bei Beendigung seines Amtes dem Gericht zurückzugeben hat (Abs. 3 VDuG-E).

Obwohl die Entwurfsbegründung darauf verweist, dass die Regelung des § 23 Abs. 2 VDuG Anlehnung an § 9 Abs. 1 der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung (SVertO) nimmt[8], zeigen die Formulierungen im Hinblick auf die Geeignetheit und Unabhängigkeit des Sachwalters, zum Vorschlagsrecht, zur Bestellurkunde und das Amt des Sachwalters deutliche Bezüge zu § 56 InsO (Bestellung des Insolvenzverwalters).

Dies ist nicht verwunderlich, weil die SVertO häufig auf insolvenzrechtliche Regelungen Bezug nimmt.[9] Bereits das seerechtliche Verteilungsverfahren nach der SeeVertO war ein dem Konkurs- und dem Vergleichsverfahren nachgebildetes Verfahren.[10] Das deutsche Insolvenzrecht hat sich seit dem Inkrafttreten der SeeVertO deutlich fortentwickelt. Diese Fortentwicklung sollte der Entwurf des VDuG zwingend berücksichtigen.

Die Ausgestaltung der Bestimmungen zum Sachwalter zeigen, dass in bestimmten Formen kollektiver Verfahren regelmäßig und zu Recht auf das Berufsbild des Insolvenzverwalters und Sachwalters nach der InsO zurückgegriffen wird.

 

aa) natürliche Person

Die Richtlinie[11] führt in den Erwägungsgründen aus, dass von Verbrauchern gefordert werden kann, „zur Erlangung individueller Abhilfe bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, wie beispielsweise sich bei der für die Durchsetzung der Abhilfeentscheidung zuständigen Einrichtung zu melden“[12].

Die Entwurfsbegründung sieht vor, dass die „für die Durchsetzung der Abhilfegrundentscheidungen im Umsetzungsverfahren zuständige Stelle (…) die vom Gericht zu bestellende Sachwalterin oder der vom Gericht zu bestellende Sachwalter[13] ist.

Zu Recht sollen ausweislich der Entwurfsbegründung[14] nur natürliche Personen als Sachwalter in Betracht kommen.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 2016 die Entscheidung des Gesetzgebers bestätigt, dass nach § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO nur natürliche Personen zum Insolvenzverwalter bestellt werden können:

„(…) Diese Beschränkung des Zugangs zum Beruf des Insolvenzverwalters dient dem Ziel der Sicherstellung einer effektiven gerichtlichen Aufsicht über den Insolvenzverwalter und damit einem hinreichenden legitimen Zweck. Es wird ein Beitrag zu einer funktionierenden Rechtspflege als einem besonders wichtigen Gemeinschaftsgut geleistet. (…)“[15]

„Die Bedeutung der Aufsicht des Insolvenzgerichts über den Insolvenzverwalter hat Vorwirkungen auch schon für das Bestellungsverfahren und macht bei der Auswahl eine besonders sorgfältige Prüfung der persönlichen und fachlichen Geeignetheit der Bewerber um das Insolvenzverwalteramt erforderlich. Dies rechtfertigt ebenfalls durchgreifende Bedenken gegen die Zulassung juristischer Personen, weil die unverzichtbaren Eignungskriterien überwiegend an natürliche Personen gebunden sind. Die Geeignetheit der konkreten Person des Verwalters ist deshalb so wichtig, weil seine Entscheidungen und deren Folgen nur begrenzt korrigiert und gegebenenfalls kompensiert werden können. Zudem drohen bei nicht ordnungsgemäßer Amtsführung durch den Insolvenzverwalter nicht selten Vermögensschäden in beträchtlicher Höhe, die bisweilen sogar zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners oder einzelner Gläubiger führen können. Nur durch große Sorgfalt bei der Auswahl des Verwalters mit Blick auf dessen persönliche Zuverlässigkeit und fachliche Eignung kann das Insolvenzgericht der Verantwortung genügen, die es zur Vermeidung etwaiger Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters trifft.“[16]

 

bb) Eignung, Unabhängigkeit, Zulassung
(1) Eignung

Zu den Anforderungen an den zu bestellenden Sachwalter führt die Entwurfsbegründung aus:

„(…) Die Eignung ist vom Gericht unter Berücksichtigung des Umfangs, der Komplexität und der zu erwartenden Schwierigkeit des Umsetzungsverfahrens zu beurteilen. Als Sachwalter kommen beispielsweise Rechtsanwälte, Steuerberater, Betriebswirte, Insolvenzverwalter oder Wirtschaftsprüfer in Betracht. Wenn Umfang oder Komplexität des Umsetzungsverfahrens es erfordern, kommen Berufsträger in Betracht, die nicht nur über eine qualifizierende Ausbildung und einschlägige Berufserfahrung verfügen, sondern auch über entsprechend ausgestattete Büros mit besonders geschulter Mitarbeiterschaft. Insbesondere große Umsetzungsverfahren, bei denen eine Vielzahl von Einzelansprüchen zu prüfen ist, werden sich nur mit einem größeren Mitarbeiterstab und der nötigen technischen Ausstattung sachgerecht und in angemessener Zeit bewältigen lassen. In einfach gelagerten Umsetzungsverfahren kann hingegen eine Sachwalterin oder ein Sachwalter gewählt werden, die oder der eine überschaubare Zahl von Verbraucheransprüchen nicht nur schnell, sondern mit geringem finanziellen Aufwand abwickeln kann. (…).“[17]

Zu Recht verweist die Entwurfsbegründung darauf, dass als Sachwalter bei umfangreichen und komplexen Umsetzungsverfahren nur Berufsträger in Betracht kommen, die über eine qualifizierende Ausbildung und einschlägige Berufserfahrung verfügen.

Unklar bleibt jedoch, ob sich das Erfordernis der „einschlägigen“ Berufserfahrung auf den jeweiligen Beruf der in der Begründung angegeben Berufsgruppen bezieht oder nicht vielmehr auf die Abwicklung von Verfahren mit einer Vielzahl von Beteiligten.

Einschlägige Erfahrungen mit der Abwicklung von Verfahren mit einer Vielzahl von Beteiligten dürften von den in der Entwurfsbegründung genannten Berufsgruppen regelmäßig nur Insolvenzverwalter aufweisen können.

Der Entwurf spricht im Zusammenhang mit der (persönlichen) Eignung auch das Erfordernis entsprechend ausgestatteter Büros mit besonders geschulter Mitarbeiterschaft an.

Eine angemessene Personal- und Technikausstattung für die Abwicklung von Massenverfahren dürfte ebenso (nur) bei Insolvenzverwaltern nach § 56 InsO und Sachwaltern nach § 274 InsO vorliegen. So sieht die Insolvenzordnung bereits heute die Vorhaltung elektronischer Gläubigerinformationssysteme vor (§ 5 Abs. 5 InsO), mittels derer den Gläubigern (und dem Gericht) maßgebliche Informationen zum Verfahren auf elektronischem Weg zur Verfügung gestellt werden. Diese Gläubigerinformationssysteme haben sich in den vergangenen Jahren vielfach auch in Verfahren mit weit mehr als 100.000 Beteiligten, in Einzelfällen sogar bei mehr als 1.000.000 Beteiligten, bewährt. Die Mitglieder des VID sind ferner den „Grundsätzen ordnungsgemäßer Insolvenz- und Eigenverwaltung“ (GOI) verpflichtet, die unter Ziff. III.9 die Vorhaltung eines elektronischen Gläubigerinformationssystems (GIS) unabhängig von den in § 5 Abs. 5 InsO genannten Größenklassen von Verfahren vorsehen.[18] Eine entsprechende Verpflichtung sollte auch im VDuG-E gesetzlich verankert werden, um die Transparenz des Umsetzungsverfahrens zu erhöhen und für größtmögliche Barrierefreiheit auf Seiten der Beteiligten zu sorgen.

 

(2) Unabhängigkeit

Bestellvoraussetzung für den Sachwalter ist dessen Unabhängigkeit von den Parteien des Abhilfeverfahrens (§ 23 Abs. 2 Satz 1 und 2 VDuG-E). Parteien des Abhilfeverfahrens sind die klageberechtigte Stelle und der beklagte Unternehmer.[19] Die betroffenen Verbraucher selbst sind nicht Klagepartei.[20] Das Umsetzungsverfahren dient sodann der Erfüllung der berechtigten Ansprüche (namentlich noch nicht benannter) betroffener Verbraucher, die sich dem Abhilfeverfahren angeschlossen haben.[21]

Der vorgesehene Zuschnitt der Unabhängigkeit des Sachwalters von den Parteien des Abhilfeverfahrens ohne die Einbeziehung der betroffenen Verbraucher ist unzureichend. Beispielhaft sei darauf verwiesen, dass nach dem Entwurf keine Inhabilität anzunehmen wäre, wenn der Sachwalter in einem (früheren) Mandatsverhältnis zu (einer Vielzahl) betroffener Verbraucher steht, obwohl dies seine Entscheidungen im Verfahren unmittelbar beeinflussen könnte.

Im Insolvenzrecht wird der Begriff der Unabhängigkeit daher zu Recht weiter gefasst. Danach ist der Insolvenzverwalter eine von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige (natürliche) Person (§ 56 Abs. 1 InsO). Mögliche Interessenkollisionen[22] werden dabei bereits im Vorfeld vom Gericht beim Insolvenzverwalter erfragt. Dazu wird regelmäßig der vom Bundesarbeitskreis Insolvenz- und Restrukturierungsgerichte (BAKinso) und dem VID entwickelte Fragebogen zur Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters genutzt.[23] Hier wird insbesondere auch auf § 138 InsO verwiesen, der den Kreis der nahestehenden Personen definiert und auch in diesem Zusammenhang zur weiteren Schärfung der Unabhängigkeit des Sachwalters herangezogen werden sollte. Sobald dem Sachwalter nahestehende Personen als Parteien des Abhilfeverfahrens oder als Verbraucher betroffen sind, sollte die Inhabilität gesetzlich vermutet werden. Die uneingeschränkte Unabhängigkeit des Sachwalters stärkt letztendlich vor allem auch das Vertrauen aller am Umsetzungsverfahren Beteiligten.

 

(3) Zulassung

Die gerichtlichen Aufgaben und Entscheidungen des Umsetzungsverfahrens sollen grundsätzlich von dem Oberlandesgericht wahrgenommen und getroffen werden, das über die Abhilfeklage entschieden hat (§ 22 VDuG).[24]

Der Entwurf enthält jedoch keine Ausführungen dazu, aus welchem „Pool“ die zuständigen Oberlandesgerichte den künftigen Sachwalter auszuwählen haben, insbesondere, ob hierzu eine bundesweite Übersicht/Liste der zur Sachwalterbestellung grundsätzlich geeigneten und zur Tätigkeit bereiten Personen vorgesehen ist. In die Bestellung von Amtsträgern in Insolvenzverfahren sind Oberlandesgerichte nicht eingebunden, so dass in aller Regel keine Erkenntnisse über den Kreis geeigneter Personen und persönliche Eignungsmerkmale vorliegen dürften.

Die Justizministerkonferenz (JuMiKo) hat sich in Bezug auf die Vorausauswahl von Insolvenzverwaltern bereits im Beschluss vom 11.11.2021 dafür ausgesprochen, dass eine zentrale (nach bundeseinheitlichen Kriterien geführte) Vorauswahlliste geschaffen und durch eine behördliche Stelle geführt werden sollte.“ Das BMJ(V) wurde zudem gebeten „einen Gesetzentwurf zur Schaffung einer zentralen, durch eine behördliche Stelle geführten Vorauswahlliste für Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter vorzulegen, und dabei auch die von der Arbeitsgruppe weiter erzielten Ergebnisse zu berücksichtigen.[25] Der Entwurf wird zeitnah erwartet.

Zum Hintergrund wurde im Beschluss der JuMiKo ausgeführt:

„(…) teilen die Einschätzung, dass die derzeitige Rechtslage, nach der es grundsätzlich der einzelnen Insolvenzrichterin oder dem einzelnen Insolvenzrichter obliegt, eine eigene Vorauswahlliste für Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter zu erstellen und zu pflegen, zu einem unbefriedigenden, durch Uneinheitlichkeit geprägten Zustand geführt hat. Die Justizministerinnen und Justizminister sehen insofern gesetzgeberischen Handlungsbedarf.“[26]

Es würde sich anbieten, das hier geplante bundesweite Verzeichnis um eine Kategorie für solche Berufsträger zu erweitern, die bereit sind auch oder ausschließlich als Sachwalter in Umsetzungsverfahren nach dem VDuG tätig zu werden. Zweitrangig ist dabei die Frage, ob das Verzeichnis durch eine behördliche oder eine andere Stelle geführt wird; entscheidend ist, dass es sich um eine einzige Stelle handelt, damit eine einheitliche Führung gewährleistet ist und die Gerichte sich für die Auswahl nur an eine Informationsquelle halten können.

 

cc) Berufshaftpflichtversicherung

„Das Gericht kann von der als Sachwalter vorgesehenen Person den Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung verlangen, deren Deckungssumme dem Umfang des Umsetzungsverfahrens angemessen ist.“ (§ 23 Abs. 2 Satz 3 VDuG-E).

Fraglich ist, ob eine reguläre Berufshaftpflichtversicherung der in der Entwurfsbegründung aufgezählten Berufsträger („Rechtsanwälte, Steuerberater, Betriebswirte, Insolvenzverwalter oder Wirtschaftsprüfer“) etwaige entstehende Haftungsschäden im Rahmen eines Umsetzungsverfahrens nach VDuG überhaupt absichert. So reicht etwa bei einem Insolvenzverwalter, der zugleich als Rechtsanwalt zugelassen ist, der Versicherungsschutz aus der anwaltlichen Pflichtversicherung für die Tätigkeit als Insolvenzverwalter i.d.R. nicht aus, da diverse Risiken der Tätigkeit als Insolvenzverwalter nicht abgedeckt sind.[27]

Der oben unter Ziff. B. 1. a) bb) (3) angesprochene Beschluss der JuMiKo vom 11.11.2021 verwies auf die Berücksichtigung der von einer zuvor eingesetzten Arbeitsgruppe dazu erzielten Ergebnisse.[28]

Die Arbeitsgruppe hatte zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Insolvenzverwaltern ausgeführt, dass “Die Bewerberin oder der Bewerber (…) über eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung verfügen [muß], welche die spezifischen Haftungsrisiken aus Insolvenzverwaltungen deckt. Die einheitliche Grunddeckungssumme der Versicherung muss sich am Durchschnitt der zu erwartenden Schäden in den Verfahren orientieren, für welche die Vorauswahlliste aufgestellt wird.[29]

In den bereits erwähnten GOI des VID wird bereits heute der stets vorzuhaltende Mindestversicherungsschutz auf 2 Mio. € pro Versicherungsfall und 4 Mio. € Jahreshöchstleistung (zweifache Versicherungssumme für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres) festgeschrieben. Darüber hinaus wird der Verwalter angehalten, den Versicherungsschutz ständig zu überprüfen und bei besonderen Haftungsrisiken unverzüglich eine angemessene zusätzliche Versicherung für das einzelne Verfahren abzuschließen.[30]

Der Nachweis der Haftpflichtversicherung ist im Entwurf im Übrigen lediglich als „Kann“-Bestimmung formuliert. Die Entwurfsbegründung führt dazu aus: „(…) Um die Interessen der verurteilten Unternehmerin oder des verurteilten Unternehmers, aber auch die Interessen berechtigter Verbraucherinnen und Verbraucher zu wahren, kann es erforderlich sein, dass die Sachwalterin oder der Sachwalter eine angemessene Berufshaftpflichtversicherung verfügt, die einspringt, sollten im Laufe des Umsetzungsverfahrens Regressansprüche gegen die Sachwalterin oder den Sachwalter entstehen. Das Gericht kann von der Sachwalterin oder dem Sachwalter einen entsprechenden Nachweis verlangen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn ein großer Betrag zu verwalten und ein komplexes Umsetzungsverfahren durchzuführen ist.“[31]

An dieser Stelle bleibt zum einen unklar, ab welcher Summe („großer Betrag“) der Versicherungsnachweis zu führen ist, zum anderen sollte – schon um den Zweck der gesetzlichen Regelung im Regressfall[32] nicht zu gefährden – die Vorlage eines Versicherungsnachweises stets verpflichtend sein.[33]

 

dd) Amtsträger

Der Entwurf sieht vor, dass der Sachwalter seine Bestellungsurkunde „bei Beendigung seines Amtes dem Gericht zurückzugeben hat“ (Abs. 3 Satz 2 VRUG-E), ordnet den Sachwalter mithin als Amtsträger ein. Die Entwurfsbegründung enthält dazu keine weiteren Ausführungen. Die Bestallungsurkunde dient lediglich dazu „sich im Umsetzungsverfahren gegenüber Dritten ausweisen zu können“.[34]

Von den in der Entwurfsbegründung beispielhaft genannten Berufen[35], die als Sachwalter in Betracht kommen, dürften neben anwaltlichen Berufsbetreuern und -pflegern lediglich Insolvenzverwalter regelmäßig als gerichtlich bestellte und vom Gericht überwachte Amtsträger tätig sein, wobei die Neutralitätspflicht und die regelmäßige Verwaltung großer Vermögen nirgends so ausgeprägt sein dürfte wie bei Amtsträgern in Insolvenzverfahren.

 

b) § 23 Abs. 4 VDuG-E

Der Entwurf sieht in § 23 Abs. 4 VDuG-E vor, dass ein Sachwalter von den Parteien aus denselben Gründen, die nach § 42 ZPO zur Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit berechtigen, abgelehnt werden kann. Auch ist eine Ablehnung wegen Ungeeignetheit möglich.

Unabhängig von den Gründen die zur Ablehnung eines Richters gemäß § 42 ZPO berechtigen, dürfte für eine Ablehnung des Sachwalters wegen fehlender Unabhängigkeit i.S.d. § 23 Abs. 2 VDuG-E zwingend die Kenntnis der Parteien hiervon notwendig sein. Es empfiehlt sich daher, den im Insolvenzrecht üblichen Fragebogen zur Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters, der bspw. auch die Frage nach etwaig nahestehenden Personen[36] umfasst, auch im geplanten Umsetzungsverfahren zu etablieren. Etwaige unvollständige oder falsche Angaben des Sachwalters wären damit auch schriftlich festgehalten.

 

2. § 25 VDuG-E – Umsetzungsfonds

Der Umsetzungsfonds, den der Sachwalter verwaltet und über den er verfügt, ist vom Vermögen des Sachwalters getrennt zu führen (§ 25 Abs. 2 VDuG). Die Gelder, so die Entwurfsbegründung, können etwa auf ein eigens dafür eingerichtetes Konto eingezahlt werden und der Sachwalter hat unmittelbare Verfügungsbefugnis, kann also das Konto selbst führen und auf die Gelder unmittelbar selbst zugreifen.[37]

Die Regelung ist unzureichend, da unklar ist, welche Art von Konto vom Sachwalter vorzuhalten ist. So befasste sich der Bundesgerichtshof 2019 (IX ZR 47/18) mit den Pflichten des Kreditinstituts bei der Kontoführung in der Insolvenz. Ein wesentlicher Aspekt der Entscheidung betraf dabei die Art des vom Insolvenzverwalter bei der Bank geführten Kontos. Der BGH erklärte die Führung von Anderkonten (Vollrechts-Treuhandkonten) als Insolvenzkonten für unzulässig und stellte auf die Führung von Insolvenz-Sonderkonten ab.[38] Hierbei ist zum einen die Insolvenzsicherheit der auf den Sonderkonten geführten Vermögen von tragender Bedeutung; zum anderen ist bei einem amtsbezogenen Sonderkonto – anders als beim personenbezogenen Anderkonto – der unproblematische Zugriff durch einen etwaigen Amtsnachfolger gewährleistet.

 

3. § 27 VDuG-E – Aufgaben des Sachwalters

Im Hinblick auf die nachfolgend unter § 27 VDuG-E genannten Aufgaben und Befugnisse des Sachwalters finden sich deutliche Parallelen zur Tätigkeit des Insolvenzverwalters und Sachwalters nach der InsO:

„ (…)

  1. er weist dem Gericht den Erhalt folgender Beträge nach:
  1. a) den Erhalt des vorläufig festgesetzten Kostenbetrags und
  2. b) gegebenenfalls den Erhalt des kollektiven Gesamtbetrags sowie gegebenenfalls dessen Erhöhung,
  1. er kann vom Bundesamt für Justiz einen Auszug aus dem Verbandsklageregister verlangen, der die am Umsetzungsverfahren teilnehmenden Verbraucher sowie sämtliche Angaben ausweist, die im Verbandsklageregister zu den geltend gemachten Ansprüchen vermerkt sind,
  1. er prüft die Anspruchsberechtigung der am Umsetzungsverfahren teilnehmenden Verbraucher nach Maßgabe des Abhilfegrundurteils,
  1. er setzt den am Umsetzungsverfahren teilnehmenden Verbrauchern, sofern er dies für erforderlich hält, eine Frist zur Vorlage der Berechtigungsnachweise,
  1. er kann im Einzelfall ergänzende Erklärungen der Verbraucher oder des Unternehmers verlangen und zu diesem Zwecke Fristen setzen,
  1. er kann nicht fristgerecht eingegangene Berechtigungsnachweise und Erklärungen zurückweisen, wenn er den betroffenen Verbraucher zuvor auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat,
  1. er stellt die Gesamthöhe der berechtigten Ansprüche aller Verbraucher auf Zahlung in einem Auszahlungsplan zusammen,
  1. er informiert die Parteien, sofern der kollektive Gesamtbetrag nicht zur Erfüllung der berechtigten Zahlungsansprüche aller angemeldeten Verbraucher ausreicht,
  1. er erfüllt berechtigte Ansprüche von Verbrauchern auf Zahlung oder setzt dem Unternehmer eine angemessene Frist zur Erfüllung berechtigter Ansprüche von Verbrauchern, die nicht auf Zahlung gerichtet sind, und sorgt für den Fall, dass nach dem Auszahlungsplan der kollektive Gesamtbetrag nicht zur Erfüllung der berechtigten Ansprüche aller Verbraucher ausreicht, für eine gleichmäßige Verteilung und
  1. er kann die Erfüllung geltend gemachter Ansprüche von Verbrauchern ganz oder teilweise ablehnen.“

Unklar ist jedoch, welche der genannten Aufgaben vom Sachwalter, insbesondere in Massenverfahren, höchstpersönlich auszuführen sind und welche er seinen Mitarbeitern, bzw. kostenpflichtig beauftragten Dritten übertragen kann. So kann der Sachwalter ausweislich der Entwurfsbegründung Dritte zur Unterstützung bei der Wahrnehmung der Aufgaben im Umsetzungsverfahren heranziehen, um eine zügige und reibungslose Durchführung des Umsetzungsverfahrens zu gewährleisten.[39]

Die Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenz- und Eigenverwaltung (GOI) des VID sehen bereits heute vor, welche Aufgaben der Insolvenzverwalter zwingend persönlich wahrzunehmen hat, so u.a. grundlegende verfahrensleitende Entscheidungen zu treffen. [40]

 

4. § 30 VDuG-E – Gerichtliche Aufsicht; Zwangsmittel gegen den Sachwalter

§ 30 Abs. 3 VDuG-E sieht u.a. vor, dass das Gericht den Sachwalter aus wichtigem Grund entlassen kann. So etwa, wenn sich erweist, dass die bestellte Person eine ordnungsgemäße Abwicklung des Umsetzungsverfahrens nicht gewährleistet oder für die Aufgabe ungeeignet ist.[41]

An dieser Stelle sollte deutlicher werden, dass auch eine Entlassung wegen fehlender Unabhängigkeit des Sachwalters möglich ist. § 59 Abs. 1 Satz 2 InsO macht deutlich, dass der fehlenden Unabhängigkeit im Rahmen der Entlassungsgründe eine besondere Bedeutung zukommt.

 

5. § 31 VDuG-E – Haftung des Sachwalters

Ausweislich des Entwurfs hat der Sachwalter für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Sachwalters einzustehen (§ 31 Satz 2 VDuG-E).

Verletzt er schuldhaft ihm nach dem VDuG obliegende Pflichten, so ist er zum Schadensersatz verpflichtet, und zwar dem Unternehmer, wenn die verletzte Pflicht den Schutz des Unternehmers bezweckt, und dem Verbraucher, wenn die verletzte Pflicht den Schutz des Verbrauchers bezweckt (§ 31 Satz 1 Nr. 1 und 2 VDuG-E).

Der Entwurfsbegründung ist zu entnehmen, dass sich die Regelung an § 60 Abs. 1 InsO anlehnt und den Unternehmer insbesondere davor schützen soll, dass der Sachwalter Auszahlungen an Verbraucher ohne ordnungsgemäße Prüfung der Berechtigung vornimmt; aber auch Verbraucher werden vor Pflichtverletzungen des Sachwalters geschützt.[42]

Die Haftung für Pflichtverletzungen ist für die geschützten Personenkreise jedoch nur dann sichergestellt, wenn der Abschluss einer spezifischen Haftpflichtversicherung des Sachwalters in ausreichender Höhe zwingend vorgeschrieben ist (siehe oben unter Ziff. B. 1. a) cc)).

 

6. § 32 VDuG-E – Ansprüche des Sachwalters (Vergütung)

§ 32 Abs. 1 VDuG-E sieht vor, dass der Sachwalter Anspruch hat auf die Erstattung der Auslagen, die er zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben begründet (Nr. 1), auf eine angemessene Vergütung für seine Geschäftsführung (Nr. 2) und auf einen Vorschuss auf seine Auslagen und seine Vergütung, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendig ist (Nr.3).

 

a) Auslagen

„Zu den Auslagen“, so die Entwurfsbegründung, „gehören insbesondere auch Verbindlichkeiten, die die Sachwalterin oder der Sachwalter im Rahmen ihrer oder seiner Befugnisse begründet. Verbindlichkeiten können beispielsweise in der Form entstehen, dass die Sachwalterin oder der Sachwalter eine Dritte oder einen Dritten zur Unterstützung bei der Wahrnehmung der Aufgaben im Umsetzungsverfahren heranzieht, um eine zügige und reibungslose Durchführung des Umsetzungsverfahrens zu gewährleisten. Dies können Aufgaben sein, die die Sachwalterin oder der Sachwalter nicht selbst erledigen kann, etwa die Einrichtung und das Betreiben eines Online-Portals, auf dem Verbraucherinnen und Verbraucher bestimmte Berechtigungsnachweise hochladen können. Bei umfangreichen Umsetzungsverfahren mag es auch erforderlich sein, dass die Sachwalterin oder der Sachwalter in größerem Umfang Dritte zur Aufgabenerfüllung heranzieht, um eine zügige Abwicklung gewährleisten zu können.“[43]

„Erstattungsfähig sind dabei nur Auslagen, die der Sachwalterin oder dem Sachwalter zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer oder seiner Aufgaben entstehen. Auslagen, die nicht diesem Zweck dienen, sind nicht erstattungsfähig. Dies gilt insbesondere für Verbindlichkeiten gegenüber Dritten, die die Sachwalterin oder der Sachwalter begründet. Die Sachwalterin oder der Sachwalter ist gehalten, stets die Erforderlichkeit der Ausgaben zu bedenken und damit zugleich auch die Interessen der verurteilten Unternehmerin oder des verurteilten Unternehmers an einer kostenangemessenen Abwicklung ausreichend zu berücksichtigen. Die Einschränkung schützt die Unternehmerin oder den Unternehmer davor, mit Kosten belastet zu werden, die zur Durchführung des Umsetzungsverfahren nicht erforderlich sind. Ist die Sachwalterin oder dem Sachwalter unsicher, ob eine konkret geplante Auslage erstattungsfähig wäre, steht es ihr oder ihm frei, das Gericht um Prüfung zu ersuchen. Dies bietet sich insbesondere an, bevor sie oder er eine hohe Verbindlichkeit eingeht.“[44]

Positiv ist zu bewerten, dass die Kosten für die Einrichtung und den Betrieb von Online-Portalen als Auslagen erstattungsfähig sind. Unklar bleibt indes, wann eine „hohe“ Verbindlichkeit vorliegt und welcher Begründungsaufwand die „Erforderlichkeit“ der jeweiligen Auslage notwendig ist.

 

b) Vergütung

Der Entwurf spricht von einer „angemessenen Vergütung“ für die Geschäftsführung des Sachwalters.

Die Begründung führt dazu aus: Die Regelung entspricht § 9 Absatz 6 SVertO. Die Höhe der Vergütung ist nicht genau beziffert. Die Angemessenheit ist vom Gericht anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls zu bemessen. Die Höhe kann beispielsweise nach der Qualifikation der Sachwalterin oder des Sachwalters, der Komplexität des Umsetzungsverfahrens und dem Haftungsrisiko der Sachwalterin oder des Sachwalters variieren. Grundsätze zur Angemessenheit der Vergütung wird die Rechtsprechung herausbilden. Sind die geleisteten Stunden für die Abwicklung des Umsetzungsverfahrens relevant, kann das Gericht einen angemessenen Stundensatz festlegen. In Umsetzungsverfahren, deren Aufwand in erster Linie aus der Bereitstellung von Online-Portalen und automatisierten Prüfverfahren besteht, kann aber eine Abrechnung nach Stundensätzen möglicherweise unangemessen erscheinen. Die für die Prüfung der einzureichenden Nachweise persönlich aufgewendete Zeit mag hier deutlich geringer sein. Dennoch bedarf es in solchen Fällen möglicherweise einer besonderen Qualifikation, um ein entsprechendes automatisiertes Prüfsystem überhaupt erst zu ermöglichen, oder die Verantwortlichkeit und das Haftungsrisiko der Sachwalterin oder des Sachwalters sind schon aufgrund der Höhe des zu verteilenden kollektiven Gesamtbetrags besonders hoch.“[45]

Der Hinweis der Entwurfsbegründung, wonach die Rechtsprechung Grundsätze zur Angemessenheit der Vergütung herausbilden wird, begegnet erheblichen Bedenken. So ist nicht ansatzweise erkennbar, welche Vergütung der VDuG-Sachwalter für seine Tätigkeit erhält und ohne Vorgaben ist eine – anzustrebende – einheitliche Vergütungspraxis unterschiedlicher Gerichte schwer vorstellbar.

In Anbetracht der vorzuhaltenden technischen und personellen Ressourcen für das Umsetzungsverfahren ist dies für an der Sachwaltung interessierte Personen aus unternehmerischen Gründen kaum tragbar.

Die Entwurfsbegründung ist insoweit auch widersprüchlich, als dass sie zum einen auf die Regelung des § 9 Absatz 6 SVertO verweist, zum anderen auch die Möglichkeit von Stundensätzen vorsieht.

Die Abrechnung auf Basis eines (festgelegten) Stundensatzes birgt das Risiko, dass eine Vielzahl von Stunden zur Abrechnung gestellt wird, deren Erforderlichkeit von den Gerichten sowie vom Unternehmer im Rahmen der Schlussrechnung nur schwer zu überprüfen ist (§ 33 Satz 3 VDuG-E).

Im Insolvenzverfahren richtet sich die Vergütung des vom Gericht bestellten (vorläufigen) Insolvenzverwalters / Sachwalters nach der InsVV und wird nach dem Wert der Insolvenzmasse berechnet (vgl. §§ 1, 12 InsVV).

Auch der VDuG-Sachwalter ist im Umsetzungsverfahren nicht einzelnen Personen, sondern dem gemeinschaftlichen Interesse der Empfänger des zu verteilenden Gesamtbetrages verpflichtet. Die Vergütung des VDuG-Sachwalters sollte sich daher an der Vergütung der InsVV orientieren. Dies würde auch an frühere Vorbilder anknüpfen.

Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 9 Abs. 6 Satz 1 der Seerechtlichen Verteilungsordnung („Der Sachwalter kann aus der Haftungssumme eine angemessene Vergütung für seine Geschäftsführung und die Erstattung angemessener barer Auslagen verlangen.“) entsprach dieser § 43 der damaligen Vergleichsordnung.[46]

Die Vergütung des Vergleichsverwalters (§ 43 der Vergleichsordnung) wurde grundsätzlich nach dem Aktivvermögen des Schuldners und lediglich in den Ausnahmefällen des § 8 Abs. 3 der Vergütungsverordnung des Konkurs-/bzw. Vergleichsverwalters nach dem Gesamtbetrag der Vergleichsforderungen berechnet. Maßgeblich für die Berechnung der Vergütung waren dabei sog. Regelsätze.[47] Die Vergütung nach Regelsätzen bezugnehmend auf den Wert der Insolvenzmasse stellt, nachdem die Vergleichsordnung und die Konkursordnung 1999 von der Insolvenzordnung abgelöst wurden, noch heute den Grundsatz der Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters nach der InsVV dar.

Auch finden sich in der neueren Rechtsprechung Hinweise, wonach eine Festsetzung der Vergütungshöhe des Sachwalters im schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren in analoger Anwendung von § 2 InsVV erfolgte.[48]

 

c) Vorschuss

Der Sachwalter soll Anspruch auf einen Vorschuss auf seine Auslagen und seine Vergütung haben, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendig ist. Die Entwurfsbegründung sieht vor, dass ein Vorschuss „Vor allem in umfangreichen Umsetzungsverfahren, die über einen längeren Zeitraum laufen (…)“[49] verlangt werden kann.

Die Bezeichnung „längerer Zeitraum“ ist auslegungsbedürftig. Hier könnte sich eine Orientierung an § 9 Satz 2 InsVV empfehlen, wonach die Zustimmung zum Vorschuss erteilt werden soll, wenn das Insolvenzverfahren länger als sechs Monate dauert oder wenn besonders hohe Auslagen erforderlich werden.“

 

d) Vergütungsantrag

§ 32 Abs. 2 VDuG-E sieht vor, dass das Gericht auf Antrag des Sachwalters die Höhe der Auslagen, der Vergütung und des Vorschusses festsetzt. „Gegen den Beschluss steht dem Sachwalter und dem Unternehmer die Rechtsbeschwerde zu. § 567 Absatz 2 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.“

Es erschließt sich nicht, weshalb auch der Vorschuss des Sachwalters vom Gericht festzusetzen ist. Dies dürfte nur in den Fällen sinnvoll sein, in denen der Vorschuss der endgültigen Vergütung angenähert ist oder diese übersteigt. An dieser Stelle sei nochmals darauf verwiesen, dass eine Abrechnung auf Basis von Stundenhonoraren die Planbarkeit der endgültigen Vergütung, mangels Kenntnis der zu erwartenden Stundenanzahl, für alle Beteiligten erschwert.

 

7. § 33 VDuG-E – Schlussrechnung

§ 33 VDuG-E sieht vor, dass der Sachwalter dem Gericht bei Beendigung seines Amtes Schlussrechnung zu legen hat. Die Rechnung einschließlich der Belege muss spätestens einen Monat nach Beendigung des Umsetzungsverfahrens elektronisch oder auf der Geschäftsstelle des Gerichts eingereicht werden (Nr. 1) und zur Einsicht des Unternehmers zur Verfügung stehen (Nr. 2). Das Gericht benachrichtigt den Unternehmer unverzüglich vom Eingang der Schlussrechnung. Der Unternehmer ist sodann berechtigt, Einwendungen gegen die Schlussrechnung zu erheben. Soweit binnen zwei Wochen nach der Benachrichtigung keine Einwendungen erhoben werden, gilt die Rechnung als anerkannt.

Die Entwurfsbegründung führt dazu aus:

„Die Regelung ist an § 9 Absatz 7 SVertO angelehnt. Die Schlussrechnung enthält eine Aufstellung aller der Sachwalterin oder dem Sachwalter durch die Aufgabenwahrnehmung im Umsetzungsverfahren entstandenen Kosten sowie die beanspruchte Vergütung. Die Schlussrechnung gibt Aufschluss über die Verwendung des vorläufig festgesetzten Kostenbetrags, beispielsweise, weil Vorschüsse ausgezahlt worden sind, sowie noch ausstehende Forderungen der Sachwalterin oder des Sachwalters.  (…) Erhebt die Unternehmerin oder der Unternehmer Einwendungen gegen die Schlussrechnung, so hat das Gericht Gelegenheit, sich mit dem Vorbringen auseinanderzusetzen, bevor es die Schlussrechnung und damit die geltend gemachten Kosten und die beanspruchte Vergütung billigt. Die vorgesehene Frist von zwei Wochen stellt einen zeitnahen Abschluss der Prüfung sicher. Erhebt die Unternehmerin oder der Unternehmer keine Einwendungen, gilt die Schlussrechnung als anerkannt. Die Unternehmerin oder der Unternehmer erklärt dadurch konkludent, dass die Kostenaufstellung der Schlussrechnung korrekt ist und die darin aufgeführten Kosten zu tragen sind. Diese Fiktion entlastet das Gericht von einer weiteren Prüfungspflicht.“[50]

Die Frist für die Geltendmachung von Einwendungen des Unternehmers gegen die Schlussrechnung ist deutlich zu kurz bemessen. Insbesondere in Massenverfahren mit einer Vielzahl betroffener Verbraucher und entsprechenden Aktivitäten des Sachwalters sollte die Frist für den Unternehmer den Umständen angemessen sein und mindestens vier Wochen betragen.

 

8. § 36 VDuG-E – Feststellung der Beendigung des Umsetzungsverfahrens

§ 36 Abs. 1 VDuG-E sieht vor, dass das Gericht die Beendigung des Umsetzungsverfahrens feststellt. Der gerichtliche Beschluss enthält neben der endgültigen Festsetzung der Kosten des Umsetzungsverfahrens die Festsetzung eines vom Unternehmer noch an den Sachwalter zu zahlenden Kostenbetrags, wenn die Kosten des Umsetzungsverfahrens den vorläufig festgesetzten Kostenbetrag übersteigen, sowie die Angabe, ob und in welcher Höhe ein Restbetrag verbleibt. Der Beschluss soll hinsichtlich seiner Vollstreckbarkeit einem Kostenfestsetzungsbeschluss gleichstehen. Der Sachwalter kann den vorgenannten Kostenzahlungsanspruch unmittelbar gegen den Unternehmer durchsetzen und aus dem Beschluss vollstrecken.

Die Regelung begegnet Bedenken in den Fällen, in denen der Unternehmer nach Bestellung und Aufnahme der Tätigkeit des Sachwalters insolvent wird. Auch die Entwurfsbegründung des § 38 VDuG-E zur Insolvenz des Unternehmers (siehe nachfolgend) führt aus: „Zahlungen der Unternehmerin oder des Unternehmers auf den vorläufig festgesetzten Kostenbetrag werden hingegen nicht Teil der Sondermasse. Sie dienen als Teil der Insolvenzmasse zur Deckung des Mehraufwands, der mit der Verteilung der Sondermasse verbunden ist. [51]

Sollte der Sachwalter die Vergütung nicht insolvenzfest erwerben, steht zu befürchten, dass eine Übernahme des Amts deutlich an Attraktivität verliert. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Verurteilung des Unternehmers zur Zahlung eines kollektiven Gesamtbetrages durchaus zu einem Insolvenzgrund führen kann. Daher würde sich eine Regelung wie in § 324 Abs. 1 Nr. 4 InsO anbieten, wonach u.a. die Kosten der Nachlasssicherung und einer Nachlasspflegschaft in einem Folge-Insolvenzverfahren über den Nachlass Masseverbindlichkeiten darstellen.

 

9. § 38 VDuG-E – Insolvenzverfahren über das Vermögen des Unternehmers; Restrukturierung

§ 38 VDuG-E sieht Regelungen für den Fall des Insolvenzverfahrens, bzw. des Restrukturierungsverfahrens über das Vermögen des Unternehmers vor:

„(1) Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers hindert die Durchführung des Umsetzungsverfahrens nicht. Auf Antrag des Sachwalters wird das Umsetzungsverfahren zwecks Klärung möglicher Insolvenzanfechtungsansprüche auf Rückzahlung der nach § 24 gezahlten Beträge ausgesetzt oder, sofern nach Einschätzung des Sachwalters ein Anfechtungsanspruch besteht und dieser nicht offensichtlich unbegründet ist, eingestellt.

(2) Wird das Verfahren nach Absatz 1 Satz 2 eingestellt, so sind alle nach § 24 erfolgten Zahlungen an die Insolvenzmasse zurückzugewähren. Der auf den kollektiven Gesamtbetrag entfallende Teil dieser Zahlungen bildet eine Sondermasse zur Befriedigung derjenigen Verbraucher, die im Rahmen des Umsetzungsverfahrens einen berechtigten Zahlungsanspruch gehabt hätten. Die Zahlungen des Unternehmers an den Sachwalter gelten als auf den vorläufig festgesetzten Kostenbetrag (§ 18 Absatz 1 Nummer 4) und den kollektiven Gesamtbetrag (§ 18 Absatz 1 Nummer 1) in dem Verhältnis geleistet, in dem beide Beträge zueinander stehen.

(3) Absatz 2 gilt entsprechend, wenn der Unternehmer zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die ihm nach § 24 obliegenden Zahlungen noch nicht vollständig geleistet hat.

(4) § 11 Absatz 3 gilt auch im Verhältnis zu allen Insolvenzgläubigern.

(5) Werden die in einem Abhilfegrundurteil ausgeurteilten Ansprüche in einen Restrukturierungsplan nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz einbezogen, so ist für die betroffenen Anspruchsinhaber im Restrukturierungsplan eine eigenständige Gruppe zu bilden. Die Abwicklung der durch den Plan gestalteten Verbraucherforderungen ist dem Restrukturierungsbeauftragten zu übertragen.“

Die Entwurfsbegründung führt zur geplanten Einführung des § 38 VDuG-E aus, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geeignet ist, die Abwicklung des Umsetzungsverfahrens zu stören. Evident, so die Begründung weiter, sei dies in den Fällen, in denen die zur Eröffnung des Umsetzungsverfahrens nach § 24 VDuG-E erforderlichen Zahlungen an den Sachwalter noch nicht erfolgt sind.[52]

Der Entwurf unterscheidet zwei Fallgruppen:

Zum einen die Fälle, in denen die zur Eröffnung des Umsetzungsverfahrens nach § 24 VDuG-E erforderlichen Beträge bereits beim Sachwalter eingegangen sind. In diesen Fällen soll die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Durchführung des Umsetzungsverfahrens nicht hindern (§ 38 Abs. 1 Satz 1 VDuG-E). Verbraucher sollen in diesen Fällen weiterhin in den Genuss der Erleichterungen kommen können, die das Umsetzungsverfahren bei der Durchsetzung ihrer Forderungen bietet.[53]

Zum anderen die Fälle, in denen es an einer vollständigen Einzahlung der nach § 24 erforderlichen Beträge fehlt. In diesen Fällen soll das Umsetzungsverfahren nicht durchgeführt werden. Würden die Kosten des Verfahrens aus dem zur Verteilung an die Verbraucherinnen und

Verbraucher vorgesehenen kollektiven Gesamtbetrag entnommen, würde dies den zur Verteilung an die Verbraucherinnen und Verbraucher zur Verfügung stehenden kollektiven Gesamtbetrag verringern. Daher soll bei unvollständiger Einzahlung der nach § 24 erforderlichen Beträge oder bei einer insolvenzanfechtungsbedingten Rückgewähr dieser Beträge das Umsetzungsverfahren nicht durchgeführt werden (Absätze 2 und 3).

 Bereits auf den kollektiven Gesamtbetrag eingezahlte Beträge sollen an die Masse fließen, dort jedoch, soweit sie anfechtungsfest erfolgt sind, eine Sondermasse zur Befriedigung der Verbraucherinnen und Verbraucher bilden, die Ansprüche auf Zahlungen im Umsetzungsverfahren gehabt hätten (Absatz 2 Satz 2). Um bei Teilzahlungen den Anteil in rechtssicherer Weise bestimmen zu können, der auf den kollektiven Gesamtbetrag entfällt, fingiert Absatz 2 Satz 3 eine anteilsmäßige Tilgung der Forderungen auf die Deckung der vorläufig festgesetzten Kosten und des kollektiven Gesamtbetrags.[54],so dazu die Begründung.

Die Regelungen des § 38 VDuG-E finden in der umzusetzenden Richtlinie kein Vorbild und gehen über diese hinaus. Aufgrund der geplanten weitreichenden Eingriffe und der Anwendung der neuen Regelungen bereits ab 25.06.2023 sollte eine übereilte Regelung dringend vermieden werden.

Nachfolgend soll anhand einiger – nicht abschließender – Beispiele auf Friktionen der geplanten Regelung hingewiesen werden:

  • Die Bildung sog. Sondermassen bedeutet die Schaffung insolvenzrechtlicher Vorrechte. Der InsO-Gesetzgeber hat mit der Abschaffung der Konkursvorrechte jedoch eine Grundsatzentscheidung getroffen: Die Konkursvorrechte beruhen auf keinem einleuchtenden Grundgedanken. Sie sind wirtschaftlich nicht gerechtfertigt, und sie führen zu ungerechten Verfahrensergebnissen. (…) Auch ordnungspolitisch sind insolvenzspezifische Vorzugsstellungen nicht unbedenklich. (…) Mehr Verteilungsgerechtigkeit läßt sich dadurch herstellen, daß die Konkursvorrechte des § 61 Abs. 1 KO und vergleichbare Vorrechte in anderen gesetzlichen Vorschriften ersatzlos wegfallen.“ [55]
  • Selbst wenn sich der Gesetzgeber entschließen sollte, ein insolvenzrechtliches Vorrecht für VDuG-Verbraucher einzuführen bleibt u.a. unklar,
    • warum kleine Unternehmen, die weniger als 50 Personen beschäftigen und deren Jahresumsatz oder Jahresbilanz 10 Millionen Euro nicht übersteigt, für die Zwecke des VDuG Verbrauchern gleichgestellt werden sollen (§ 1 Abs. 2 VDuG-E). (Auch die umzusetzende Richtlinie[56] definiert als Verbraucher (lediglich) „(…) jede natürliche Person, die zu Zwecken handelt, die außerhalb ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit liegen“ (Art. 3 Nr. 1)).
    • worin bei einer solchen Gestaltung der hier jedenfalls auch verfassungsrechtlich gebotene sachliche Differenzierungsgrund zu den sonstigen Gläubigern titulierter Forderungen im Insolvenzverfahren liegt. Auch die besondere soziale Motivation des Verbraucherschutzes rückt hier in den Hintergrund.
  • Das Insolvenzanfechtungsrecht stellt eine Spezialmaterie dar, die zwingend entsprechende Expertise erfordert. Liegt diese nicht in der Person des Sachwalters selbst vor, ist damit zu rechnen, dass regelmäßig kostenintensive Gutachten beauftragt werden (müssen).
  • Sofern § 38 Abs. 1 Satz 2 VDuG-E vorsieht, dass für den Fall, dass nach Einschätzung des Sachwalters ein Anfechtungsanspruch besteht und nicht offensichtlich unbegründet ist, das Umsetzungsverfahren eingestellt wird, dürfte zum einen die sprachliche Regelung „nicht offensichtlich unbegründet“ einen redaktionellen Fehler darstellen.

Zum anderen würde die Regelung dazu führen, dass der Sachwalter dem Umsetzungsverfahren mit seiner Einschätzung „den Stecker ziehen“ kann, ohne dass über etwaige Anfechtungsansprüche gerichtlich entschieden wurde. Der Sachwalter müsste sich demnach entscheiden, entweder in die persönliche Haftung genommen zu werden, weil das Umsetzungsverfahren zu Unrecht eingestellt wird und die Gelder in die Insolvenzmasse fließen, oder einen Anfechtungsprozess des Insolvenzverwalters zu riskieren, der bei erfolgreichem Ausgang zur Rückgewähr der Gelder führt.

 

10. § 39 VDuG-E – Offene Verbraucheransprüche

„Hat der Sachwalter die Erfüllung eines vom Verbraucher geltend gemachten Anspruchs im Umsetzungsverfahren vollständig oder teilweise abgelehnt oder hat der Sachwalter einen Anspruch eines Verbrauchers bis zur Beendigung des Umsetzungsverfahrens nicht oder nur teilweise erfüllt, so kann der Verbraucher diesen Anspruch im Wege der Individualklage geltend machen.“

Ausweislich der Entwurfsbegründung dient die Regelung „(…) der Entlastung der Gerichte, an die Individualklagen adressiert werden. Eine Individualklage können Verbraucherinnen und Verbraucher auch erheben, wenn das Umsetzungsverfahren eingestellt worden ist. Die gerichtliche Zuständigkeit richtet sich nach den allgemeinen Regeln. Die Individualklage ist nicht Teil des Abhilfe- oder Umsetzungsverfahrens.“

Die Regelung weicht von der insolvenzrechtlichen Regelung der §§ 180 ff. InsO deutlich ab und verweist betroffene Verbraucher auf einen vergleichsweise steinigen Weg. Ob dies aus Effizienzgründen sinnvoll ist, ist zumindest zweifelhaft.

 

11. § 44 VDuG E – Bekanntmachung von Angaben zu Verbandsklagen

Zu einer rechtshängigen Verbandsklage ist u.a. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers öffentlich bekannt zu machen (§ 44 Nr. 14 VDuG-E).

Ausweislich der Entwurfsbegründung sollen Verbraucher „auch über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers informiert werden (…). Denn nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens haben sie die Möglichkeit, ihre noch nicht erfüllten Ansprüche im Insolvenzverfahren anzumelden. Dies gilt insbesondere für solche Ansprüche, die im Umsetzungsverfahren voraussichtlich nicht mehr erfüllt werden.“[57]

Um Friktionen zu vermeiden, sollte ein Gleichlauf analog mit den Informationen nach der InsBekV erfolgen.

 

C. Fazit

  1. Der Entwurf sieht zu Recht nur natürliche Personen für das Amt des Sachwalters vor und macht deutlich, dass insbesondere Insolvenzverwalter und Sachwalter (§ 274 InsO) aufgrund ihrer persönlichen Voraussetzungen und ihrer technischen Ausstattung für die Tätigkeit des Sachwalters nach VDuG-E geeignet sind.

  2. Die Unabhängigkeit des Sachwalters ist maßgebliche Bestellvoraussetzung und sollte analog zur Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters inhaltlich klarer gefasst werden. Ferner sollte der Sachwalter verpflichtet sein, entsprechende Fragen zur Unabhängigkeit zu beantworten.
  1. Das Erfordernis der „einschlägigen“ Berufserfahrung des Sachwalters sollte sich zwingend (auch) auf die Abwicklung von Verfahren mit einer Vielzahl von Beteiligten beziehen.
  1. Für Sachwalter sollte eine zentrale (nach bundeseinheitlichen Kriterien geführte) Vorauswahlliste geschaffen und durch eine einzige Stelle geführt werden.
  1. Der Sachwalter sollte stets verpflichtet sein, eine spezifische Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung mit einer noch festzulegenden Mindestversicherungssumme abzuschließen und dies dem Gericht nachzuweisen.
  1. Die Regelungen zur Kontoführung sollten Angaben dazu enthalten, welche Art von insolvenzfestem Konto vom Sachwalter vorzuhalten ist.
  1. Es sollte klargestellt werden, welche Aufgaben der Sachwalter höchstpersönlich zu erfüllen hat und welche Aufgaben er seinen Mitarbeitern, bzw. Dritten (kostenpflichtig) übertragen kann.

  2. Der Sachwalter sollte verpflichtet werden, stets ein digitales Informationssystem entsprechend § 5 Abs. 5 InsO vorzuhalten und hierüber die Verfahrensbeteiligten zu informieren.

  3. Die Vergütung des Sachwalters sollte gesetzlich geregelt werden und sich an der Vergütung des Sachwalters und Insolvenzverwalters nach der InsVV orientieren.

  4. Im Hinblick auf die zeitliche Bestimmung zu der Frage, wann der Sachwalter Kostenvorschüsse fordern kann, sollte auf 9 Satz 2 InsVV Bezug genommen werden.

  5. Die Anforderungen an die Erforderlichkeit von Auslagen sollte weiter konkretisiert werden.

  6. Sollte der Sachwalter seine Vergütung(s-Vorschüsse) und erstatteten Auslagen nicht insolvenzfest erwerben können, steht zu befürchten, dass sich nur wenige Interessenten für das Amt des Sachwalters finden werden.

  7. Die Frist für die Geltendmachung von Einwendungen des Unternehmers gegen die Schlussrechnung ist deutlich zu kurz bemessen und sollte mindestens vier Wochen betragen.

  8. Die Regelungen des § 38 VDuG-E zur Insolvenz des Unternehmers finden in der umzusetzenden Richtlinie kein Vorbild und gehen über diese hinaus. Aufgrund der geplanten weitreichenden Eingriffe und der Anwendung der neuen Regelungen bereits ab 25.06.2023 sollte eine übereilte Regelung dringend vermieden werden. Es empfiehlt sich eine eingehende Prüfung, ob die hier formulierten Regelungen nicht besser in der InsO[58] angesiedelt werden sollten.

 

Berlin, 03.03.2023

 

Kontakt:

Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)
Am Zirkus 3
10117 Berlin
Tel.: 030/ 20 45 55 25
E-Mail: info@vid.de / Web: www.vid.de

[1] Bearbeitungsstand 16.09.2022, 10:21 Uhr.

[2] Im Interesse der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

[3] Begründung RefE, S. 1.

[4] Begründung RefE, S. 1, 64.

[5] Dabei können nicht nur Zahlungsanträge, sondern auch solche Anträge gestellt werden, mit denen die Verurteilung einer anderen Leistung angestrebt wird. (vgl. § 14 VDuG-E).

[6] Begründung RefE, S. 64.

[7] Begründung RefE, S. 82.

[8] Begründung RefE, S. 86.

[9] Siehe §§ 7 Abs. 2 Nr. 7, 9 Abs. 1 Satz 2, 18 Satz 3, 19 Abs. 3 Satz 2, 26 Abs. 2 Satz 4 SVertO.

[10] Vgl. auch Gesetzentwurf der Seerechtlichen Verteilungsordnung vom 27.05.1971, S. 15 (BT-Drs. VI/2226).

[11] Verbandsklagenrichtlinie vom 25.11.2020 ((EU) 2020/1828).

[12] Erwägungsgrund 50 der Verbandsklagenrichtlinie vom 25.11.2020 ((EU) 2020/1828).

[13] Begründung RefE, S. 86.

[14] Begründung RefE, S. 86.

[15] 1 BvR 3102/13, Rz. 42, abrufbar unter: Bundesverfassungsgericht – Entscheidungen – Ausschluss juristischer Personen vom  Amt des Insolvenzverwalters ist verfassungsgemäß .

[16] 1 BvR 3102/13, Rz. 50.

[17] Begründung RefE, S. 86.

[18] Siehe auch Entwurfsbegründung zu § 27 Nr. 3 VDuG-E, S. 89, wonach bei Umsetzungsverfahren größeren Umfangs die Einrichtung eines Online-Portals, über das Verbraucher die erforderlichen Nachweise elektronisch übermitteln können, angesprochen ist.

[19] Vgl. §§ 1 und 2 VDuG-E.

[20] Vgl. Begründung RefE, S. 69 zu § 2 VRUG-E.

[21] Vgl. Begründung RefE, S. 82; zum Personenkreis der betroffenen Verbraucher des Umsetzungsverfahrens vgl. § 23 VDuG-E.

[22] Nach der Rechtsprechung des BGH, Beschluss vom 26.04.2012 (IX ZB 31/11) und Urteil vom 24.01.1991 (IX ZR 250/89), hat der Insolvenzverwalter von sich aus dem Gericht rechtzeitig einen Sachverhalt unmissverständlich anzuzeigen, der die Besorgnis ernsthaft rechtfertigt, dass er als befangen an der Amtsführung verhindert ist.

[23] Abrufbar bspw. unter Justiz Rheinland-Pfalz Fragebogen_zur_Unabhaengigkeit_des_Insolvenzverwalters.pdf (rlp.de), bzw. Fragebogen Unabhängigkeit – VID .

[24] Begründung RefE, S. 85.

[25] Vgl. Ziff. 3 und 4 des Beschlusses TOP I. 6 Bericht der Arbeitsgruppe „Vorauswahlliste Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter“ der Justizministerkonferenz vom 11. und 12. November 2021, abrufbar unter TOP-I_-6—Bericht-AG-Vorauswahlliste-Insolvenzverwalter.pdf (nrw.de).

[26] Vgl. Ziff. 2 des Beschlusses TOP I. 6 Bericht der Arbeitsgruppe „Vorauswahlliste Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter“ der Justizministerkonferenz vom 11. und 12. November 2021.

[27] Sinz in Uhlenbruck, InsO-KO, 15. Aufl., § 60, Rz. 132.

[28] Vgl. Ziff. 4 des Beschlusses TOP I. 6 Bericht der Arbeitsgruppe „Vorauswahlliste Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter“ der Justizministerkonferenz vom 11. und 12. November 2021.

[29] Bericht der Arbeitsgruppe „Vorauswahlliste Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter“, dort S. 9 unter Ziff. 8, abrufbar unter Verwalterauswahl – BAKinso – Bundesarbeitskreis Insolvenzgerichte e.V (bak-inso.de).

[30] GOI abrufbar unter: 1 (vid.de).

[31] Begründung RefE, S. 86 f.

[32] So sind für die Abhilfeklage Ansprüche von mindestens 50 Verbrauchern betroffen (vgl. § 4 Abs. 1 Ziff. 1 VDuG-E).

[33] Im Bereich der Insolvenzverwaltung ist es schon heute üblich, bei besonderen Risiken eine Zusatzversicherung zur Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen.

[34] Begründung RefE, S. 87.

[35] Begründung RefE, S. 86.

[36] Zur Befangenheit des Richters bei nahen persönlichen oder geschäftlichen Beziehungen zu einzelnen Beteiligten siehe auch Zöller, ZPO-KO, 32. Aufl. 2018, § 42, Rz. 12 ff.

[37] Begründung RefE, S. 86.

[38] Ausführlich zur praktischen Ausgestaltung des Sonderkontos Saager/d’Avoine/Berg, ZIP 2019, 2041 ff.

[39] Begründung RefE, S. 84 f. zu § 20 Abs. 1 VDuG-E (Kosten des Umsetzungsverfahrens).

[40] Vgl. Ziff. II.2. der GOI, abrufbar unter 1 (vid.de).

[41] Begründung RefE, S. 93.

[42] Begründung RefE, S. 93 f.

[43] Begründung RefE, S. 84 zu § 20 Abs. 1 VDuG-E (Kosten des Umsetzungsverfahrens).

[44] Begründung RefE, S. 94.

[45] Begründung RefE, S. 94.

[46] Seerechtliche Verteilungsordnung, Gesetzesbegründung, BT-Drs. VI/2226 vom 27.05.1971, S. 19.

[47] Vergleichsordnung, 11. Auflage, Böhle-Stamschräder/Kilger, 1986, § 43, Ziffer 1 und 1b).

[48] Rheinschiffahrtsgericht Mannheim, Beschluss vom 27.047.2018, AZ 30 SRV 1/09 BSch, juris.

[49] Begründung RefE, S. 94.

[50] Begründung RefE, S. 94.

[51] Vgl. dazu auch die Entwurfsbegründung zu § 38 VDuG, S. 99f.

[52] Begründung RefE, S. 99.

[53] Begründung RefE, S. 99.

[54] Begründung RefE, S. 99.

[55] Vgl. Gesetzentwurf zur InsO, BT-Drs. 12/2443, S. 81.

[56] Richtlinie ((EU) 2020/1828).

[57] Begründung RefE, S. 104.

[58] Zum Verweis auf die Vorschrift des § 20 Abs. 3 der Schiffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung vgl. § 91 Abs. 2 InsO.