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Initiative:

12.07.2024

Verbändeinitiative | Keine Notwendigkeit einer umfassenden Harmonisierung des Insolvenzrechts zur Fortentwicklung des EU-Kapitalmarkts

Verbändeinitiative | Keine Notwendigkeit einer umfassenden Harmonisierung des Insolvenzrechts zur Fortentwicklung des EU-Kapitalmarkts | Zur Transformationsfinanzierung müssen sowohl die Kapitalmarktfinanzierung als auch die Kreditfinanzierung gefördert werden

Unter Mitwirkung  

des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen,

des Dehoga Bundesverbands,

der Deutschen Kreditwirtschaft,

des Deutschen Raiffeisenverbands,

des Handelsverbands Deutschland,

des Mittelstandsverbunds ZGV und

des Verbands Insolvenzverwalter und Sachverwalter Deutschlands:

Verbändeinitiative vom 02.07.2024

Keine Notwendigkeit einer umfassenden Harmonisierung des Insolvenzrechts zur
Fortentwicklung des EU-Kapitalmarkts

Zur Transformationsfinanzierung müssen sowohl die Kapitalmarktfinanzierung als auch die
Kreditfinanzierung gefördert werden

Im Zusammenhang mit der Kapitalmarktunion wird immer wieder eine umfassende europäische
Vereinheitlichung des Insolvenzrechts gefordert. Diese Forderung wird im Wesentlichen damit
begründet, dass grenzüberschreitende Investitionen im und in den EU-Binnenmarkt unterblieben,
weil Investoren aufgrund der Diversität der Insolvenzregime in den Mitgliedstaaten das Schicksal
ihrer Investitionen im Insolvenzfall nicht einschätzen könnten. Abgesehen davon, dass kein Investor –
zumal kein Investor am Finanzmarkt – das Insolvenzrisiko in den Vordergrund seiner Entscheidung
stellt, kann eine europäische Vereinheitlichung des Insolvenzrechts mit großen Nachteilen für den
Wirtschaftsstandort Deutschland verbunden sein, auf die wir im Folgenden hinweisen. Dabei geht es
explizit nicht um das Festhalten an Gewohntem, sondern um eine sachliche Auseinandersetzung mit
den tatsächlichen Anforderungen der Kapitalmarktunion und der Transformationsfinanzierung.

I. Hintergrund

Aktuell gibt es Bestrebungen, Anreize für private Investitionen in die Transformation am
europäischen Kapitalmarkt zu schaffen, wozu eine Harmonisierung des Insolvenzrechts für
erforderlich gehalten wird (Rede von Bundeskanzler Scholz beim 23. Deutschen Bankentag am 23. April 2024 in Berlin (bundesregierung.de) ). Damit soll für Investoren das Insolvenzrisiko beherrschbarer werden,
denn, so der Gedanke, uneinheitliche Regelungen beim Forderungsausfall in der Insolvenz halten
Finanzinvestoren davon ab, sich bei der Transformationsfinanzierung zu beteiligen. Zugleich legen
Diskussionen nahe, dass auch die im deutschen Recht bestehende Insolvenzfestigkeit der
Sicherheiten für Waren-, Bank- oder sonstige Kredite abgeschafft oder eingeschränkt werden soll,
damit im Fall der Insolvenz „mehr für alle“ bleibt. Die Insolvenzrechte anderer Mitgliedstaaten sehen
dies zum Teil bereits jetzt vor.

II. Bewertung

1. Auch ein vereinheitlichtes Insolvenzrecht wird das Insolvenzrisiko nicht ausschalten können.

Auch das beste Insolvenzrecht ändert nichts am Verlustrisiko in einer Insolvenz. Ob und inwieweit ein
europaweit vollharmonisiertes Insolvenzrecht das Insolvenzszenario im jeweiligen Einzelfall
zumindest vorhersehbarer machen würde und ob davon ein positiver Effekt auf
Investitionsentscheidungen ausgehen könnte, ist höchst fraglich. In jedem Fall hängt das konkrete
Verfahrensergebnis von der nationalen Rechtsanwendung ab.

2. Die umfassende Harmonisierung des Insolvenzrechts ist kein Erfordernis für den europäischen
Kapitalmarkt.

Der europäische Kapitalmarkt bedarf keiner umfassenden Harmonisierung des Insolvenzrechts. Die
Politik sollte sich stattdessen auf die dafür wichtigen Themen fokussieren. Die Modernisierung
bestimmter insolvenzbezogener Kapitalmarktregelungen im Rahmen der Finanzsicherheiten- und
Finalitätsrichtlinie wäre deutlich relevanter zur Schaffung eines europäischen Kapitalmarkts. Auch für
den Verbriefungsmarkt bedarf es keiner umfassenden Harmonisierung des Insolvenzrechts. Zu
überlegen wäre insoweit allenfalls, den Übergang der Forderungen (einschließlich der Sicherheiten)
insolvenzrechtlich abzusichern.

3. Eine Entwertung der Sicherheiten für Kredite im Insolvenzverfahren erschwert die Kreditvergabe
deutlich.

Die Kreditfinanzierung ist für die deutsche Wirtschaft und insbesondere den deutschen Mittelstand
von zentraler Bedeutung. Dies gilt nicht nur für möglichst günstige Kreditkonditionen, sondern vor
allem für den ungehinderten Zugang zu der Kreditvergabe selbst. Schränkt man die Bestandskraft der
Kreditsicherheiten in der Insolvenz ein, geht das unmittelbar zulasten der Kreditversorgung der
Wirtschaft und insbesondere des Mittelstandes. Insolvenzfeste Kreditsicherheiten ermöglichen eine
Kreditvergabe in vielen Fällen erst oder sind Grundlage für niedrigere Kreditzinsen.
Auch die in der Praxis sehr relevante Gewährung von Warenkrediten in laufenden
Geschäftsbeziehungen würde durch die Schwächung der Rechte der gesicherten Gläubiger für diese
deutlich riskanter, was unmittelbar zu einer Einstellung oder jedenfalls Verteuerung dieser Kredite
führen würde. Dies wiederum hätte eine faktische Zunahme von Insolvenzen zur Konsequenz.

4. Die Kapitalmarktfinanzierung ist kein Ersatz für die Kreditfinanzierung, sondern kann diese nur
ergänzen.

Kapitalmarktinstrumente sind in erster Linie für Großunternehmen geeignet, in Deutschland also
insbesondere für die ca. 1.000 Großunternehmen mit mehr als 2.000 Beschäftigten. Davon
emittieren beispielsweise weniger als 250 Unternehmen Anleihen. Als Gründe werden die viel zu
hohen Emissionsvolumina sowie Kosten-Nutzen-Aspekte angeführt. Für viele Unternehmen sind die
Fixkosten für den Kapitalmarktzugang und die Kosten für Ratings zu hoch. Diese Nachteile können ein
breiteres Publikum und der Zugang zu Retail-Investoren nicht ausgleichen. Eine Finanzierung am
Kapitalmarkt ist in der Struktur starr, in der Wert- bzw. Zinsentwicklung volatiler, stärker von einer
Fristigkeitsperspektive gelenkt und krisenanfälliger gegenüber dem Risiko der Anschlussfinanzierung.
Kreditfinanzierungen sind demgegenüber regelmäßig auf langfristigere und stabile
Geschäftsbeziehungen gerichtet. Es ist vor allem der Mittelstand (und damit ca. 3,2 Mio.
Unternehmen in Deutschland), der sich in der Regel über Kredite finanziert. Der Kapitalmarkt gibt
Finanzierungen für diese Größenordnung regelmäßig auch nicht her. Überdies werden
Kapitalmarkfinanzierungen i.d.R. als unbesicherte Kredite, sog. Senior Unsecured Notes, begeben, die
keinerlei Sicherheiten (Collateral) vorsehen. Sie sind damit letztlich teurer als ein zumindest in Teilen
besicherter Kredit, weil die Risikoprämie (Credit Spread) als Teil der Kreditkondition nur auf den
risikobehafteten Teil (rechnerischen Blankoanteil) berechnet wird.
D.h., die Kreditfinanzierung bildet die bewährte Basisfinanzierung, die durch den Ausbau der
Finanzierung über den Kapitalmarkt sinnvoll ergänzt werden kann. Deshalb kann es nicht der richtige
Weg sein, die Finanzierung über den Kapitalmarkt zulasten der Kreditfinanzierung voran zu bringen.
Vielmehr müssen beide Finanzierungswege gleichermaßen gefördert werden. Beide Instrumente
haben ihre Berechtigung. Sie sind nebeneinander erforderlich und bedienen unterschiedliche
Zielgruppen und Bedürfnisse.

III. Fazit

Will man die europäische Harmonisierung des Insolvenzrechts angehen, so sind dazu in jedem Fall
eine vorgeschaltete Diskussion und Übereinkunft über die wirtschaftlichen Zusammenhänge und die
Prinzipien, denen ein solches Recht folgen soll, erforderlich. Es ist weder für Deutschland und seine
Wirtschaft, allen voran den Mittelstand, noch im europäischen und internationalen Kontext etwas
gewonnen, wenn das Insolvenzrecht in Europa zwar harmonisiert ist, diese Harmonisierung aber
wirtschafts- und investitionsfeindlich gerät.
Zur Vollendung eines europäischen Kapitalmarkts ist eine umfassende Harmonisierung des
Insolvenzrechts nicht erforderlich. Während die zusätzlichen Anreize für Finanzinvestoren mehr als
fraglich sind, sind die unmittelbaren Nachteile für die deutsche Wirtschaft bei einer Erschwerung der
Kreditfinanzierung greifbar nah.

 

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